Kiel/Bad Bramstedt. Rechtsradikale stürmen mit Hitlergruß eine Wohnung und verprügeln den Bewohner. Der Hintergrund der Täter spielte nur eine Nebenrolle.

Zwei Jahre nach einem brutalen Raubüberfall auf einen 34-Jährigen in Bad Bramstedt hat das Kieler Landgericht drei mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung „Aryan Circle Germany“ wegen Raubes und Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der Haupttäter muss für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis, die beiden Mittäter bekamen ihre Freiheitsstrafen (18 und 22 Monate) zur Bewährung ausgesetzt.

Hitlergruß nicht strafbar – weil in Privatwohnung gezeigt

Die Strafkammer sah es nach dreitägiger Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die drei Angeklagten am 14. Oktober 2019 einen Mann in Bad Bramstedt beraubt hatten. Nach Aussage des Opfers brach das Trio die Tür auf und stürmte die Wohnung mit dem „Hitlergruß“ am ausgestreckten Arm. Der rechtsradikale Hintergrund spielte im Prozess nur eine Nebenrolle.

Das Verwenden von Kennzeichen und Symbolen verfassungsfeindlicher Gruppen ist nur in der Öffentlichkeit strafbar. Weil sich der Überfall in einer Privatwohnung abspielte, machte die Staatsanwaltschaft den „Hitlergruß“ nicht zum Gegenstand der Anklage.

Es ging um Schulden für Kauf eines Handys

Die Vorgeschichte: Einer der Angeklagten (25) hatte für das spätere Opfer (34) einen Handyvertrag über den Kauf eines Samsung-Smartphones (Neuwert 570 Euro) abgeschlossen. Die beiden arbeiteten gemeinsam in einer Dachdeckerei. Dann verlor der Ältere seinen Job, konnte die monatlichen 50 Euro-Raten nicht mehr zahlen.

Sieben Mal forderte der Unterzeichner des Handy-Vertrags sein Geld von dem ehemaligen Kollegen per WhatsApp oder SMS zurück – in zunehmend genervtem Ton. Zuletzt kündigte der 25-Jährige an, sich die Summe selbst zu holen. Laut Urteil fiel das Trio gegen 20 Uhr „mit der Tür ins Haus“. Ein Mittäter (34) traktierte den Bewohner minutenlang mit Schlägen.

Opfer leidet unter posttraumatischer Belastungsstörung

Das Opfer erlitt Prellungen, blaue Flecken und Schwellungen. Laut Urteil blieb es jedoch offen, ob seine posttraumatische Belastungsstörung mit Angstzuständen, Herzrasen und Panikattacken eine Folge des Vorfalls war. Der 34-jährige Schläger muss als Bewährungsauflage 300 Euro Wiedergutmachung zahlen. Der zweite, nicht vorbestrafte Mittäter (25) steckte drei Handys und zwei weitere Elektronikgeräte ein. Weil die Beute verschwand, muss er jetzt 230 Euro zurückzahlen.

Zu „Haft pur“ wurde nur der einschlägig vorbestrafte Haupttäter (25) verurteilt, der ein Messer mit zum Tatort genommen hatte. Die Gesamtstrafe des durchtrainiert wirkenden Glatzenträgers von vier Jahren und neun Monaten schließt ein älteres Urteil des Amtsgerichts Neumünster ein. Dort war der in Henstedt-Ulzburg geborene Mann im April 2020 zu zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden – wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung von Polizeibeamten und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

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Im März 2020 hatte die Polizei zwölf Wohnungen der „Aryan Circle“-Szene in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen durchsucht. Die Gruppe hatte sich im Juli 2019 auf Initiative des vorbestraften Neonazis Bernd T. (46) in Bad Segeberg zusammengeschlossen. Laut Verfassungsschutz rechnete man ihr bis zu 25 Personen zu. Die Mitglieder seien immer wieder mit Straftaten wie Sachbeschädigung, Bedrohung und Körperverletzung aufgefallen, hieß es. So waren im Dezember 2019 zwei Bürger in Sülfeld beim Entfernen von Neonazi-Aufklebern angegriffen und verletzt worden.