Norderstedt. Der Fußballlehrer blickt auf viereinhalb Jahre in Norderstedt zurück – und verrät, warum er sich sehr auf seinen neuen Job freut.
Wenn die Regionalliga-Fußballer von Eintracht Norderstedt am heutigen Montag um 18 Uhr mit ihrem Vorbereitungsprogramm auf die Saison 2022/2023 beginnen, wird der Mann, der die sportlichen Geschicke beim Club von der Ochsenzoller Straße in den vergangenen viereinhalb Jahren maßgeblich geprägt und gelenkt hat, nicht mehr mit dabei sein. Trainer Jens Martens (66) schlägt ein neues Kapitel in seiner erfolgreichen Karriere auf. Er wird Sportchef beim Meister der Oberliga Schleswig-Holstein, dem SV Todesfelde. Martens’ bislang gleichberechtigter Partner, Olufemi Smith (43), trägt in Norderstedt künftig allein die Verantwortung.
Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt zieht Fußballlehrer Martens, der vom Fanclub zum Ehrenmitglied Nummer eins ernannt wurde, eine Bilanz seiner Tätigkeit, erläutert die Gründe für seinen Wechsel und verrät, warum er sich auf seine neue Aufgabe sehr freut.
Hamburger Abendblatt: Herr Martens, Ihr Vertrag mit Eintracht Norderstedt läuft bis zum 30. Juni – aber haben Sie überhaupt noch etwas zu tun?
Jens Martens: Nein. Ich habe meinen Spind ausgeleert und saubergemacht. Das war ein sehr emotionaler Moment, da sind vor dem inneren Auge noch mal einige Dinge abgelaufen. Es war eine großartige Zeit mit vielen schönen Erlebnissen und tollen Menschen, zu denen ich auch weiterhin Kontakt halten werde. Eintracht Norderstedt werde ich nie aus meinem Kopf streichen können, und das will ich auch nicht.
Sie waren knapp 13 Jahre lang in Henstedt-Ulzburg tätig. Erzählen Sie doch mal, wie und warum Sie zur Eintracht gekommen sind.
Am 21. Dezember 2017 hat mich Vereinspräsident Reenald Koch angerufen und mir gesagt, dass ich den Super-GAU verhindern und die U-19-Mannschaft vor dem Abstieg aus der Regionalliga bewahren müsse; am 1. Januar 2018 habe ich dann mein Amt angetreten – und mit den Jungs den Klassenerhalt geschafft.
Es blieb dann nicht bei nur einer Rettungsaktion. Am 9. April 2019 wurden Sie nach der Trennung des Vereins von Dirk Heyne zum Coach der akut abstiegsgefährdeten Regionalliga-Herren befördert – und erfüllten erneut ihre Mission...
Ja. Beides war sehr prägend, weil ich dadurch wieder den Spaß am Fußball zurückgewonnen habe. Eigentlich wollte ich mit 62 als Trainer aufhören. Und ursprünglich sollte nach sechs Monaten als Coach der U 19 wieder Schluss sein. Aber da alles gut lief, ist daraus eine längerfristige Zusammenarbeit geworden.
Eintracht Norderstedt mit Jens Martens zweimal Pokalsieger
An welche Erlebnisse werden Sie sich – abgesehen von den beiden Klassenerhalten – besonders gern erinnern?
Auf jeden Fall an die beiden Siege im Hamburger Pokalwettbewerb, 2020 gegen den TSV Sasel und 2021 gegen den FC Teutonia 05, sowie die daraus resultierenden DFB-Pokalspiele gegen Bayer 04 Leverkusen und Hannover 96. Und natürlich an die fantastische Saison 2019/2020, in der wir mit Rang fünf in der Abschlusstabelle die beste Platzierung in der Vereinsgeschichte von Eintracht Norderstedt erreicht haben. Dann kam Corona. Und alles wurde schwieriger.
Und was waren die größten Enttäuschungen?
Die 1:2-Niederlage in allerletzter Sekunde im Pokalendspiel 2019 gegen die TuS Dassendorf. Wir hatten gerade erst den Abstieg aus der Regionalliga verhindert und wollten der Saison das Sahnehäubchen aufsetzen, waren jedoch physisch und psychisch platt. Das hat schon richtig reingehauen. Genau wie das 0:2 im Pokal-Halbfinale gegen Teutonia vor einigen Wochen, als wir 80 Minuten lang die bessere Mannschaft waren. Auch das hat uns nicht glücklich gemacht.
Wie fällt Ihre Gesamtbilanz aus?
Ich denke schon, dass ich in der Zeit bei der Eintracht nicht viel mehr hätte erreichen können. Schade nur, dass meine letzte Saison als Trainer von vielen Widrigkeiten begleitet war. Wir haben die Meisterrunde verpasst, wofür wir im Endeffekt selbst verantwortlich waren, weil wir in Abwehr und Angriff die entscheidenden Punches nicht gesetzt haben. In der Abstiegsrunde, in der das Team ungeschlagen und siebenmal hintereinander ohne Gegentor geblieben ist, haben wir dann aber unser Minimalziel erreicht und ohne Probleme den Klassenerhalt geschafft. Auch deshalb, weil die Mannschaft und die Vereinsverantwortlichen immer ruhig geblieben sind und kontinuierlich weitergearbeitet haben.
Gründe für den Abschied sind privater Natur
Warum haben Sie die Entscheidung getroffen, in Norderstedt aufzuhören?
Die Gründe sind ganz klar privater Natur. Meine Frau Barbara hat meine Fußball-Leidenschaft nicht nur mitgetragen, sie hat auch begeistert mitgemacht, merkte in den letzten zwei, drei Jahren aber auch an, dass wir nicht mehr die Allerjüngsten sind. Und dass es doch ganz schön wäre, wenn man künftig nicht mehr jedes Wochenende auf dem Fußballplatz verbringen muss. Sie weiß jedoch, dass ich, solange ich auf diesem Planeten bin, irgendwas mit Fußball zu tun haben werde. Also haben wir uns darauf geeinigt, dass ich aus meinem festen Zeitraster mit sechs bis sieben fixen Terminen pro Woche raus muss. Ich denke, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt war, um in Norderstedt einen Schlussstrich zu ziehen.
Die zeitliche Belastung wird als Sportchef beim SV Todesfelde anders sein?
Ja, dort kann ich mir meine Arbeit so einteilen, wie ich es möchte – ich muss nicht mehr bei jedem Training, bei jedem Punktspiel anwesend sein. Wenn es mal nicht passt, lassen sich die Oberliga-Partien im Live-Stream verfolgen, und Gespräche kann ich zur Not ja auch per Telefon oder Videokonferenz führen, da gibt es genügend technische Möglichkeiten. Demzufolge müsste künftig auch mal Zeit für ein spontanes langes Wochenende in Dänemark sein.
Und was verbirgt sich konkret hinter der Bezeichnung „Sportchef“?
Die strukturelle Weiterentwicklung des Gesamtvereins, der schon jetzt richtig gut aufgestellt ist. Ich trage letztendlich die Gesamtverantwortung für die operativen Geschäfte im Fußball – das heißt für die Ligamannschaft, die U 23, die wir in die Landesliga bringen wollen, und den Nachwuchsbereich. Letzterer muss völlig neu sortiert werden. Hinzu kommen die Transfers und das Scouting, für das wir schon ein gutes Team beisammenhaben.
Eintracht Norderstedt: Die erste Elf hat Qualität
Noch einmal mal zurück zu Eintracht Norderstedt. Welche Spieler haben sich unter Ihrer Regie besonders gut entwickelt?
Wenn ein Mann wie Innenverteidiger Fabian Grau in allen Punktspielminuten auf dem Rasen steht, sagt das ja schon einiges. Jonas Behounek, den ich schon aus dem Schulsport kenne, hat auf allen Positionen, auf denen er eingesetzt worden ist, komplett überzeugt – als rechter Verteidiger, auf der Sechser- und auch auf der Achterposition im Mittelfeld. Linksverteidiger Dane Kummerfeld, der in der Vergangenheit oft in der zweiten Reihe stand, hat einen großen Schritt gemacht. Auf keinen Fall vergessen möchte ich unser Laufwunder Dylan Williams und Youngster Elias Saad.
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Und wie ist der Verein Ihrer Meinung nach für die Regionalliga-Serie 2022/2023 aufgestellt?
Olufemi Smith tritt mit einem Team in meine Fußstapfen, das wir seit April 2018 gemeinsam kontinuierlich aufgebaut haben und das im Kern zusammenbleibt. Dass die Marktlage immer schwieriger wird, da diverse Vereine massiv aufrüsten, ist allen bewusst. Wenn die Jungs vom Verletzungspech einigermaßen verschont bleiben, verfügt Eintracht über eine gute Mannschaft, die erste Elf hat richtig Qualität. Die Spieler, die jetzt ausgeschieden sind – ich nenne da stellvertretend Jordan Brown und Evans Nyarko – hatten zuletzt nur wenige Einsätze. Klar ist aber auch, dass die Regionalliga Nord richtig stark wird, da mindestens zehn von 19 Clubs unter Vollprofibedingungen trainieren und spielen werden.