Norderstedt. Die Regionalliga-Kicker von Eintracht Norderstedt treffen sich zum ersten Mannschaftstraining. Ihr Coach blickt zurück und voraus.
Es geht wieder los: Am heutigen Montag absolvieren die Fußballer von Eintracht Norderstedt ihr erstes Mannschaftstraining im Jahr 2022 – allerdings nicht euphorisch, sondern eher mit gemischten Gefühlen. Denn niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, wie sich der Vormarsch der Omikron-Variante des Sars-CoV-2-Virus und die rasant steigenden Corona-Infektionszahlen auf den weiteren Verlauf der Regionalliga-Saison auswirken werden. Das trübt die Stimmung. Und erschwert außerdem die Planungen von Trainer Jens Martens für die kommenden Wochen.
Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt bewertet der 66 Jahre Fußballlehrer den bisherigen Saisonverlauf, wagt einen Blick in die sportliche Zukunft und verrät seinen größten Wunsch für das neue Jahr.
Herr Martens, stellen Sie sich vor, Ihnen würde eine gute Fee erscheinen und Sie könnten ihr eine Wunschliste für das Jahr 2022 überreichen. Was würde – mal davon abgesehen, dass die Corona-Pandemie endlich ihren Schrecken verliert – an oberster Stelle stehen?
Jens Martens Dass wir von der Verletzungsseuche der vergangenen Monate verschont bleiben. Alles andere würde sich dann aus meiner Sicht zum Positiven verändern. Ich wünsche das natürlich insbesondere den Spielern, die wochenlang pausieren mussten und jetzt wieder zurückkommen.
Wie ist denn der aktuelle Stand? Was ist mit den Akteuren, die sich vor der Weihnachtspause teils arge Blessuren zugezogen haben?
Das letzte Bulletin unserer medizinischen Abteilung macht Mut, es sieht ganz gut aus. Ich rechne damit, dass wir heute mit voller Kapelle beginnen können – die Torhüter Lars Huxsohl und Marcel Kindler sowie Linksverteidiger Rico Bork werden allerdings noch nicht wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. Die beiden Keeper müssen sich aufs Laufen beschränken, Rico beginnt nach seinem Mittelfußbruch unter physiotherapeutischer Aufsicht mit seinem Aufbauprogramm. Unser Mittelfeldrenner Dylan Williams ist aus den USA zurückgekehrt und fit, Schlussmann Stefan Rakocevic darf nach seiner langwierigen Gehirnerschütterung ebenfalls wieder Vollgas geben. Vor dem ersten Zusammentreffen werden alle Spieler und das Trainerteam wie schon am vergangenen Freitag einem Corona-Schnelltest machen. Und ich hoffe natürlich sehr, dass es keine positiven Fälle gibt.
Welche Sparringspartner haben Sie sich für die Wintervorbereitung ausgesucht?
Wir beginnen am kommenden Sonntag beim Bezirksligisten Duvenstedter SV, der seinen neuen Kunstrasenplatz am Puckaffer Weg einweiht. Es folgen zwei Vergleiche mit Regionalligisten: Am
22. Januar geht’s zum Hamburger SV II, am 29. Januar zum FC St. Pauli II.
Warum ausgerechnet diese Hochkaräter?
Die beiden Punktspiele haben wir ja schon hinter uns. Und wir wollen mit Blick auf das Regionalliga-Nachholmatch gegen Holstein Kiel II am 6. Februar unbedingt ernsthaft gefordert werden.
Wie sieht Ihre Bilanz der ersten Saisonhälfte aus?
Als positiv denkender Mensch fange ich mal damit an, was gut gelaufen ist. Wir haben im Hamburger Lotto-Pokal durchweg souveräne Leistungen gezeigt, dabei mit dem Niendorfer TSV, dem HSV Barmbek-Uhlenhorst und dem USC Paloma drei Oberligisten ausgeschaltet und stehen im Viertelfinale. Im Gegensatz dazu waren unsere Punktspiele zu wechselhaft. Nur vier Siege und dafür acht Unentschieden – das ist natürlich zu wenig. Es wäre wesentlich mehr möglich gewesen, wenn wir in den entscheidenden Momenten sowohl in der Abwehr als auch im Angriff den notwendigen Punch gebracht hätten. Wir haben zu viele Punkte verschenkt, sind zu Recht Tabellensiebter. Da gibt es absolut nichts zu beschönigen.
Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Mit Sicherheit hat uns das Match gegen den FC St. Pauli II gleich am zweiten Spieltag einen Knacks gegeben. Damals haben wir uns eine vermeintlich sichere 2:0-Führung kurz vor Schluss innerhalb von nur drei Minuten aus der Hand nehmen lassen. Hinzu kamen die zahlreichen langfristigen Ausfälle. Wir hatten unter anderem drei Knochenbrüche innerhalb einer Woche, konnten nie mehrere Partien hintereinander mit der gleichen Aufstellung bestreiten, mussten beim 4:4 gegen Kiel II beispielsweise elf Spieler ersetzen. Und zu allem Überfluss kamen dann auch noch diverse fragwürdige Entscheidungen der Schiedsrichter gegen uns hinzu. Doch letzteren Punkt lasse ich nicht als Ausrede gelten; in erster Linie sind wir für unser Abschneiden selbst verantwortlich und zu Recht nur Tabellensiebter.
Es fällt auf, dass die Eintracht drei der vier Erfolge gegen Hamburger Teams eingefahren hat...
Das ist absoluter Zufall.
Welche Spieler haben Sie bislang überrascht oder überzeugt?
Grundsätzlich lässt sich sagen: Mit der Entwicklung unserer jungen Akteure im Kader bin ich sehr zufrieden. Damit meine ich Benjamin Dreca und Noel Denis aus dem eigenen Nachwuchsbereich sowie Elias Saad, Jasper Hölscher und Michalel Igwe, die wir vom HSV Barmbek-Uhlenhorst und vom Eimsbütteler TV geholt haben. Eine große Überraschung für alle ist Dylan Williams. Keiner läuft mehr als unserer Duracell-Männchen. Jonas Behounek hat sich als Top-Einkauf entpuppt. Erfreulich sind auch die acht Treffer von Jan Lüneburg, der zusammen mit Christoph Kramer vom SC Weiche Flensburg 08 Platz zwei in der Torjägerliste belegt und im Pokalwettbewerb wie am Fließband trifft. Einen großen Schritt nach vorn hat Linksverteidiger Dane Kummerfeld gemacht, er ist ein Muster an Zuverlässigkeit. Sein intensives Flankentraining hat sich ausgezahlt. Und auch wenn er nicht fehlerfrei ist, gehört unser Abwehrchef Fabian Grau wegen seiner lauten Ansprache, seiner Kopfballstärke und Einsatzbereitschaft zu den Stützen der Mannschaft.
Bis zum 20. Februar stehen noch drei Partien in der Gruppe Nord aus. Dass Eintracht Norderstedt die Meisterrunde mit den besten Teams aus der Süd-Staffel der Regionalliga erreicht, ist angesichts von neun Punkten Rückstand auf den Tabellenfünften VfB Lübeck nahezu ausgeschlossen. Hoffen Sie auf ein Wunder?
Wir wollen gegen Holstein Kiel II, den FC Teutonia 05 und den Heider SV gewinnen, verschließen den Blick aber nicht vor der Realität und planen für die Abstiegsrunde. Unser Saisonziel Nummer eins haben wir verfehlt.
Haben Sie und Ihr Trainerteam die möglichen Gegner schon studiert?
Das werden wir in diesem Monat machen. Es gibt diesbezüglich ausreichend Videomaterial, und wir werden es uns sorgfältig und konzentriert anschauen.
Nach welchem Modus wird die Abstiegsrunde ausgetragen?
Elf Mannschaften, jeder gegen jeden, Hin- und Rückrunde. Auftakt soll am 5./6. März sein, aktuell muss man von fünf Absteigern ausgehen. Die Meisterrunde mit nur zehn Teams beginnt eine Woche später. Die Punkte aus den Spielen in der Gruppe Nord werden mitgenommen. Deshalb wäre es gut für uns, wenn der Hamburger SV II nicht in die Meisterrunde kommt. Gegen den HSV haben wir drei Zähler geholt, gegen den VfB Lübeck keinen. Abzuwarten bleibt, was passiert, wenn wegen Corona nicht mehr gespielt werden darf.
Ist der Klassenerhalt in Gefahr, müssen sich die Fans von Eintracht Norderstedt Sorgen machen?
Nein, ich denke nicht, aber wir müssen achtsam sein.
Wird der Verein noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv?
Neuverpflichtungen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant.
Herr Martens, Ihr Vertrag mit Eintracht Norderstedt läuft noch bis zum 30. Juni. Gibt es schon eine Tendenz, ob Sie weitermachen?
Ich werde mich wie üblich im Januar mit den Vereinsverantwortlichen zusammensetzen, dann schauen wir weiter. Ich habe immer gesagt, dass ich Lust auf den Job habe, solange das Feuer noch brennt. Und das tut es.