Kreis Segeberg. Was tun, wenn viele Menschen radioaktiv kontaminiert sind? Feuerwehren testeten, ob sie auf auf extreme Lagen vorbereitet sind.

Chlorgas tritt beim Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich in Kaltenkirchen aus. Im Forschungszentrum Borstel tritt im Labor eine ätzende Flüssigkeit aus. Teile des Kreises Segeberg sind radioaktiv verseucht. Können die Feuerwehren auf extreme Szenarien wie diese reagieren? Bei einer großangelegten ABC-Übung hat der Kreisveuerwehrverband Segeberg das jetzt getestet.

Ein halbes Dutzend Freiwillige Feuerwehren waren mit insgesamt etwa 250 Wehrkräften im Einsatz. Dazu gehörten der ABC-Zug aus Bad Segeberg, der allein schon aus etwa 60 gut ausgebildeten Fachleuten und Technikern besteht und im vorigen Jahr 21 Notfalleinsätze hatte, sowie technische Hilfskräfte und Gefahrgut-Experten. Auch die Ortswehren von Bad Bramstedt, Bad Segeberg, Friedrichsgabe und Kaltenkirchen waren in die Übungen involviert, die jeweils mit etwa 70 Mann geprobt worden sind.

Übung: Bei Jungheinrich tritt hochgiftiges Chlorgas aus

In Kaltenkirchen ging es denn auch mit der Großübung los, die fast die ganze Nacht hindurch andauernde. Um 19.20 Uhr am Freitagabend begann die Alarmierung durch die Feuerwehrzentrale. Im Logistikzentrum des Gabelstapler-Herstellers Jungheinrich, der vor einigen Jahren rund 50 Millionen Euro in sein neues Zentrallager in der Maybachstraße in Kaltenkirchen investiert hat, sei aus einem Behälter plötzlich Chlorreiniger und Essigsäurekonzentrat ausgetreten, lautet die Übungsannahme. Dabei war hochgiftiges Chlorgas entstanden. Eine Person wurde verletzt, so das Szenario der Übung.

Innerhalb von wenigen Minuten war die Kaltenkirchener Ortswehr mit etwa 25 Mann vor Ort, sperrte die Zufahrtswege ab und verschaffte sich auf dem Gelände einen Überblick über das Geschehen. Auf dem Parkplatz wurde die vorläufige Einsatzleitung postiert und zugleich der ABC-Zug aus Bad Segeberg alarmiert. Auch die Stadtverwaltung eilte zum Unfallort. Tim Haase vom Tiefbauamt und Silke Harm vom Ordnungsamt wurden gerufen, um darauf zu achten, dass kein kontaminiertes Löschwasser in den Boden und die Kanalisation laufen könnte. Dazu deckten die Feuerwehrleute die Gullydeckel ab.

Kaltenkirchen: Mit Schutzanzügen in den Einsatz

Mit Schutzanzügen bereiteten sich die Feuerwehrleute jetzt für den Einsatz in einer der großen Hallen vor, wo das Chlorgas ausgetreten sein sollte. Parallel dazu wurde eine Dusche aufgebaut, die die Kollegen danach wieder dekontaminieren sollte. Ein Tanklöschfahrzeug sorgte für eine Nebelwand aus Wasser, die die giftigen Dämpfe eindämmen sollte.

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Beides wurde allerdings nur simuliert. Da ja kein wirklicher Schadstoff ausgetreten war, musste das Gummizelt für die Dekontaminations-Dusche nur aufgepumpt, die Nebelwand nur angedeutet werden. „Sonst wären da ja 2000 bis 4000 Liter Wasser pro Minute geflossen“, erklärt Kreis-Feuerwehrsprecher Patrick Juschka. Das hätte den Arbeitsablauf der Übung gestört und auch den Kostenrahmen gesprengt.

Kaltenkirchen: Die Übung wurde mit einer Drohne gefilmt

Mit einer Drohne wurde der gesamte Einsatz aus der Vogelperspektive gefilmt und aufgezeichnet für die spätere Nachbesprechung. Gegen 23 Uhr wurde diese Einsatzübung erfolgreich abgeschlossen. Alles habe gut wie am Schnürchen geklappt, sagte der Feuerwehrsprecher hinterher.

Doch während die Kaltenkirchener Kollegen jetzt Feuerabend machen konnten, ging der Einsatz für den ABC-Zug aus der Kreisstadt weiter. Denn für diese Einsatzkräfte und die CBRN-Gefahrstoffabteilung der Kreisfeuerwehr gab es noch weitere Übungsszenarien, die ein realistisches Erproben ihrer Arbeitsabläufe für den Ernstfall darstellen sollte. Diese Spezialabteilungen sind auf den Einsatz bei chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Unfällen ausgebildet.

Kreis Segeberg: Die Übung dauerte fast 24 Stunden

Bei dieser fast 24-stündigen Dauerübung sollten sie verschiedene Übungsszenarien der Dekontamination erproben, die sich während des Einsatzes plötzlich wieder ändern konnten, um auch hier der Realität möglichst nahe zu kommen, hieß es. Damit die Feuerwehrleute auch auf Zwischenfälle reagieren und ihre Bekämpfungsstrategien aufeinander abstimmen könnten, die nicht vorherzusehen wären.

Dabei sollten jederzeit der Schutz der eigenen Leute und ein Nichtaustritt der Gefahrstoffe immer im Vordergrund stehen, betonte der zweite Kreisfeuerwehrsprecher Kevin Wirobski. „Die Feuerwehrkräfte dürfen sich nicht selbst gefährden.“

Weitere Einsatzorte und –szenarien spielten sich dann in der Nacht zum Sonnabend im gesamten Kreisgebiet ab. Hier war jetzt die simulierte Gefahrenlage so angelegt, dass es radioaktiv verseuchte Gebiete im Kreis Segeberg von Messtrupps die Feuerwehren abzustecken und abzugrenzen galt. Erste Evakuierungsmaßnahmen sollten eingeleitet und Jod-Tabletten an angeblich kontaminierte Personen ausgegeben werden.

Der große Parkplatz von Möbel-Kraft in Bad Segeberg diente als Einsatzzentrale und Dekontaminationsplatz. In Hartenholm musste dann noch ein Leitungsleck geflickt werden, aus dem Natronlauge ausgetreten war.

Forschungszentrum Borstel: Ätzende Flüssigkeit im Labor

Am Sonnabendmittag endete schließlich die Großübung des Kreisfeuerwehrverbandes bei einem Einsatz im Forschungszentrum Borstel in Sülfeld. Hier galt es sicherzustellen, nachdem eine ätzende Flüssigkeit in einem Labor ausgetreten war und zwei Mitarbeiter ihr Bewusstsein verloren, dass kein Tuberkulose-Erreger freigesetzt wird, so die simulierte Versuchsanordnung. Auch das klappte gut, sodass Feuerwehrsprecher Juschka ein positives Fazit ziehen konnte. „Es gab keine Probleme. Die Übungen sind alle gut verlaufen.“ In zwei Jahren soll der ABC-Einsatz erneut auf die Probe gestellt werden.