Norderstedt. Wegen der Impfpflicht in Pflegeeinrichtungen rechnen viele Betreiber damit dass Mitarbeiter kündigen werden. Das droht bei Verstößen.
Die sogenannte Einrichtungsbezogene Impfpflicht, die ab 16. März gelten wird, sorgt für Unruhe in Norderstedter Seniorenheimen. In mehreren Einrichtungen wird befürchtet, dass die Regelung zu Personalabgängen führen wird. Die Einschätzungen gehen dabei weit auseinander. Teilweise ist von einem Verlust von bis zu einem Drittel der Beschäftigten die Rede, an anderer Stelle wird der Personalverlust deutlich geringer eingeschätzt.
Konkret geht es um Mitarbeiter, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind. Sie dürfen ab dem 16. März nicht mehr in einer Einrichtung wie einem Seniorenheim arbeiten, auch dann nicht, wenn sie dort beispielsweise in der Küche oder als Reinigungskraft beschäftigt sind. Ausnahmen gelten nur dann, wenn die betreffenden Personen nachweisen können, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen.
Impfpflicht: Pfleger werden unbezahlt freigestellt
Das entsprechende Gesetz hat die Ampelkoalition in Berlin am 10. Dezember des vergangenen Jahres beschlossen. Demnach müssen Beschäftige in Seniorenheimen – wie Angehörige vieler anderer Berufsgruppen auch – spätestens am 15. März nachweisen, dass sie einen vollständigen Impfschutz haben, genesen sind oder dass für sie eine Ausnahme gilt. Anderenfalls müssen sie sich einen neuen Job suchen.
Genau vor der Situation stehen nun offenbar Personen, die in Norderstedt arbeiten – etwa im Seniorenheim „Haus im Park“ in Friedrichsgabe. Trägerin der Einrichtung, in der 79 Menschen leben, ist die Stadt Norderstedt. Nach Angaben von Pressesprecher Bernd-Olaf Struppek sind im „Haus im Park“ 60 Mitarbeiter tätig, vier davon seien ungeimpft. Der Beschluss zur Impfpflicht sei von diesen Personen „kritisch aufgenommen worden“, sagt Struppek. Derzeit seien sie noch im Dienst, aber: „Wenn bis zum 15. März keine Impfnachweise dieser Mitarbeitenden vorliegen, dürfen sie die Einrichtung nicht mehr betreten und werden zunächst unbezahlt freigestellt.“
Krankenhäuser könnten Personal in der Pflege abwerben
Personalabgänge drohen auch im Altenpflegeheim Scheel in Garstedt, das 105 Bewohner und 100 Mitarbeiter hat. Zu den Auswirkungen der Impfpflicht sagt Geschäftsführer Gunnar Löwe: „Wir werden möglicherweise einen oder zwei ungeimpfte Mitarbeitende verlieren.“ Löwe fürchtet zudem, dass weitere Beschäftigte die Altenpflege verlassen könnten – auch geimpfte. Denn wenn es wegen der Impfpflicht zu Personalengpässen in anderen Bereichen komme, etwa in Krankenhäusern, könnten diese verstärkt Personal anderswo abwerben, etwa im Bereich der Pflege.
Mit Personalverlusten rechnet auch Guido Skarabis. Er ist Inhaber des Norderstedter Alten- und Pflegeheims Rosengarten, zudem gehören ihm fünf weitere Seniorenheime in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. „Im Pflegemarkt kursiert die Zahl, dass man bis zu 30 Prozent der Beschäftigten verlieren könnte“, sagt Skarabis. Das Gesetz zur Impfpflicht sieht er deshalb mehr als kritisch: „Wohin soll das führen? Wir reden doch schon vom Fachkräftemangel. Die Impfpflicht in diesem Bereich ist nicht nachvollziehbar.“
Seniorenheim nimmt lieber Strafe in Kauf, statt zu entlassen
In seinen Einrichtungen seien rund 380 Personen tätig, „etwa zehn Prozent davon sind ungeimpft.“ Das Pflegeheim Rosengarten, das sich im Stadtteil Garstedt befindet, hat 75 Bewohner und 45 Beschäftigte. Vier dieser Mitarbeiter sind laut Guido Skarabis ungeimpft – um ihren Job fürchten müssen sie aber nicht, wenn es nach ihrem Chef geht. Guido Skarabis: „Ich werde lieber eine Strafe in Kauf nehmen, als Menschen zu entlassen, die nicht geimpft sind.“ So etwas könne er mit seinem Gewissen und seinem „Verständnis vom Grundgesetz“ nicht vereinbaren. Er selbst sei zwar „geimpft und geboostert“, darin sieht er aber eine persönliche Entscheidung.
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Beschäftigt Guido Skarabis tatsächlich auch in Zukunft ungeimpfte Personen in seinen Pflegeheimen, könnte das für ihn allerdings teuer werden. Laut Gesetz ist zunächst die beschäftigte Person dazu verpflichtet, bis 15. März der Leitung der Einrichtung einen Impf- oder Genesenennachweis vorzuweisen. Wird der Nachweis nicht vorgelegt oder bestehen Zweifel an dessen Echtheit, muss die Leitung das wiederum dem zuständigen Gesundheitsamt melden – unter Angabe personenbezogener Daten.
Was anderenfalls passiert, ist in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit zu lesen: „Die Leitung einer Einrichtung, die entgegen der gesetzlichen Verbote eine Person beschäftigt oder im Falle einer Benachrichtigungspflicht die Gesundheitsämter nicht informiert sowie Personen, die trotz Nachweispflicht und Anforderung des Gesundheitsamtes keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist erbringen, müssen mit einer Geldbuße bis zu 2500 Euro rechnen.“
In diesem Seniorenheime sind alle Mitarbeiter geimpft
Unter bestimmten Bedingungen komme eine „wiederholte Verhängung der Geldbuße“ in Frage. Das Gesundheitsamt wiederum kann laut Gesetz auch ohne Anlass kontrollieren. „Welchen Aufwand die Impfpflicht letztlich für die Gesundheitsämter bedeuten wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen“, sagt dazu Kreissprecherin Sabrina Müller.
Längst nicht überall drohen allerdings Konflikte – die Impfpflicht wird in anderen Seniorenheimen weniger kritisch gesehen. „Es gibt sicherlich vereinzelt Leute, die deshalb aus dem Beruf herausgehen. Aber wir sind nicht betroffen“, sagt Kerstin Gelahr, Leiterin des Norderstedter Seniorenpflegeheims „Kornhooper Landhaus“. Das Heim im Stadtteil Garstedt hat 100 Bewohner, von den 90 Mitarbeitern seien alle geimpft.
Mögliche Abwerbungen machen Kerstin Gelahr keine Sorgen. Ähnlich wird das im „Haus zum Steertpogg“ in Friedrichsgabe gesehen. Auf die Frage, ob sie Personalabgänge befürchte, sagt Einrichtungsleiterin Kirsten Krause: „Die Erfahrungen durch das große Ausbruchsgeschehen zu Beginn der Pandemie waren für uns alle sehr nachhaltig. Wir alle haben den Impfstoff sehnlichst erwartet. Für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war es selbstverständlich, sich impfen zu lassen.“
Zahlreiche Mitarbeiter in Quarantäne
Die aktuelle Corona-Welle macht sich dennoch bemerkbar. Aktuell seien „vier Mitarbeiterinnen und drei Bewohner positiv auf Covid-19 getestet“, so Krause. Sie befänden sich alle in Quarantäne, seien alle geimpft und zeigten „keine bis leichte Symptome“. Im Pflegeheim Scheel gibt es laut Gunnar Löwe „vermehrt Quarantäne-Fälle bei Mitarbeitern“, zudem sei eine Mitarbeiterin an Corona erkrankt. Unter den Bewohnern gebe es aber keine Fälle.
Einige Quarantäne- und Krankheitsfälle gebe es derzeit auch bei Mitarbeitern im Kornhooper Landhaus, wie Kerstin Gelahr sagt. Bewohner seien aber nicht betroffen. Mitarbeiter würden derzeit täglich getestet – damit geht das Heim, wie andere in Norderstedt, über die landesweiten Vorschriften hinaus. Die sind indes gerade, wegen der Omikron-Welle, verschärft worden. Unter anderem müssen Besucher nun eine FFP2-Maske tragen.