Norderstedt. Zwei Norderstedter hatten bestätigte Termine im Impfzentrum in den Hamburger Messehallen – und wurden weggeschickt.

Das Wirrwarr der Zuständigkeiten sorgt für zusätzlichen Frust bei der Corona-Impfkampagne in der Metropolregion. Schleswig-Holsteiner berichten, dass sie im Hamburger Impfzentrum in den Messehallen abgewiesen wurden, obwohl sie zuvor auf offiziellem Weg einen Termin vereinbart hatten. Dass sich Schleswig-Holsteiner nur in Ausnahmefällen in der Hansestadt impfen lassen können, sei ihnen dabei erst mitgeteilt worden, als sie im Impfzentrum in den Messehallen vor dem Tresen standen.

Umgekehrt nehmen es die Schleswig-Holsteiner nicht so genau: Jeder Hamburger kann sich in Norderstedt immunisieren lassen. Das Impfzentrum an der Stadtgrenze versorgt beide Bundesländer. Viele Norderstedter sind sauer: Warum können sie nicht nach Hamburg zum Impfen?

Corona-Impfung in Hamburg verweigert

Das fragen sich auch Sibylle und Peter Adamczyk. Zwei Stunden früher als sonst schlossen die Norderstedter am Freitagabend ihren Friseursalon. Das Ehepaar hatte noch einen dringenden Termin in Hamburg – für den hätten sie alles stehen und liegen ließen. In den Messehallen sollten die beiden mit Astrazeneca gegen Corona geimpft werden.

„Eine befreundete Ärztin hat mir empfohlen, in Hamburg einen Impftermin zu vereinbaren, das ginge schneller“, sagt Sibylle Adamczyk. Sie buchte online, gab ihre Norderstedter Adresse an. Der Termin wurde ihr per E-Mail bestätigt. Um 19.15 Uhr standen die Friseurin und ihr Mann in der Halle A 3 des Impfzentrums, Eingang West, mit den nötigen Unterlagen. Die ersehnte Spritze erhielten sie dort allerdings nicht – stattdessen wurden sie unter Aufsicht des Zentrumpersonals hinausbegleitet.

„Alle haben uns angeguckt. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich etwas verbrochen“, sagt Sibylle Adamczyk. Nachdem die 62-Jährige am Anmeldetresen die Bescheinigung ihrer Vorerkrankung vorgezeigt hatte, wurde ihr Personalausweis überprüft – mit der Wohnanschrift in Norderstedt. Plötzlich sagte die Servicekraft: „Wir können Sie hier nicht impfen. Sie kommen aus Schleswig-Holstein, wir impfen nur Hamburger!

Impfung in Hamburg auch schon für Schleswig-Holsteiner

Die Adamczyks verstanden die Welt nicht mehr. „Ich hatte mittags sogar vorsichtshalber noch einmal im Impfzentrum angerufen und nachgefragt, ob wir uns als Norderstedter wirklich in Hamburg impfen lassen können. Man sagte mir, das sei kein Problem.“ Aus diesem Grund habe Sibylle Adamczyk sogar das Impfangebot ihrer Hausärztin abgelehnt. Und stand am Ende des Tages ohne Termin, ohne Impfung, ohne Schutz da.

Schon etliche Schleswig-Holsteiner haben in den Messehallen die gleichen Erfahrungen wie die Adamczyks gemacht. Das Personal im Impfzentrum muss Personen aus dem Nachbarbundesland wieder nach Hause schicken. Es sei denn, sie gehören der priorisierten Gruppe an und arbeiten in der Hansestadt. Das Abendblatt hat aber auch schon über den Fall eines Schleswig-Holsteiners berichtet, der in Hamburg geimpft wurde, weil seine schwangere Tochter dort lebt und er als Kontaktperson angegeben ist.

Warum erhalten Nicht-Hamburger einen Impf-Termin?

Dass die Registrierung mit einem Wohnort außerhalb Hamburgs überhaupt möglich ist, sei den technischen Gegebenheiten des Online-Tools geschuldet, erklärt Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. „Das ist eine bundesweite Software. Theoretisch könnten sich Schleswig-Holsteiner auch für das Impfzentrum in München anmelden.“ Ob eine Berechtigung vorliegt, kann erst vor Ort nach Vorlage der notwendigen Dokumente rechtssicher geprüft werden. „Diesen Verwaltungsakt mittels der Terminsoftware digital zu bewerkstelligen, ist nicht möglich“, sagt Kriens.

So ist davon auszugehen, dass Schleswig-Holsteiner weiter Termine in Hamburg vereinbaren – und enttäuscht nach Hause geschickt werden. In Schleswig-Holstein haben sich bis jetzt mehr als 6600 Hamburger immunisieren lassen. Berechtigte Personen aus anderen Bundesländern müssen in den Impfzentren nachweisen, dass sie in Schleswig-Holstein arbeiten – außer in Norderstedt, wo sich alle Hamburger impfen lassen können.

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„Ich kann das einfach nicht verstehen. Es ist doch egal, in welchem Bundesland man geimpft wird – Hauptsache man wird geimpft“, sagt Sibylle Adamczyk. Die Friseurin hat sich so über das Chaos in den Messehallen geärgert, dass sie am Sonntagnachmittag zum Impfzentrum in die Norderstedter „TriBühne“ gefahren ist. „Ich wollte mich erkundigen, wie das Impfen in unserer Stadt geregelt ist, ob Hamburger hier auch abgewiesen werden“, sagt sie. Ein Bundeswehrsoldat hat sie zu einer jungen Frau, die sich um die Organisation kümmert, vorgelassen. Dort hat Adamczyk ihre Erlebnisse in Hamburg geschildert.

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„Die Frau konnte überhaupt nicht glauben, was uns dort passiert ist. Ihr tat das sehr leid“, berichtet die Norderstedterin. Dann wurden ihre Unterlagen erneut geprüft, Name und Telefonnummer notiert. „Die Mitarbeiterin hat mir versprochen, mich auf die Warteliste zu setzen und sich zu melden, falls Impfstoff übrig bleibt.“ Diese Liste ist für Personen der priorisierten Gruppe gedacht, die kontaktiert werden, sollte etwas von dem Biontech-Vakzin, das innerhalb von sechs Stunden verbraucht werden muss, übrig bleiben. Und tatsächlich: Noch am selben Abend wurde Adamczyk angerufen – und bekam die Spritze.

„Ich habe geweint vor Freude“, sagt sie. In ihrem Friseursalon hat Adamczyk sehr viel Kontakt zu Menschen, ihre Vorerkrankung dabei ständig im Hinterkopf. Sie empfindet die Impfung als echte Erleichterung. Sie nimmt ihr die Angst vor einem schweren Verlauf. Am Tag nach der spontanen Immunisierung hat Adamczyk dem Team im Norderstedter Impfzentrum einen Strauß Blumen und Schokolade vorbeigebracht. „Ich wollte mich für so viel Freundlichkeit bedanken.“ Auch ihr Mann Peter hat inzwischen einen Termin beim Hausarzt bekommen.