Bad Segeberg. In Bad Segeberg dürfen Menschen aus der Ukraine ihre mitgebrachten Tiere behalten. Warum das nicht überall so ist.
Die Flucht vor Putins Bombenhagel ist geglückt. Nur mit dem Nötigsten. Für viele gehört das geliebte Tier dazu. Eine Mutter mit ihrem Kind an der Hand hat es über die Grenze geschafft. Im Rucksack die Katze. Eine alte Frau drückt ihren kleinen Hund, der in eine Wolldecke gewickelt ist, an sich. Es ist das Einzige, was ihr geblieben ist, neben dem, was sie am Leib trägt. Ein Stück vertraute Welt. Vielleicht auch ein bisschen Hoffnung.
Ukraine: In vielen Unterkünften gilt ein Haustier-Verbot
Viele Menschen, die in diesen Tagen aus der Ukraine flüchten müssen, nehmen auch ihre Haustiere mit. Zwar ist angesichts des russischen Einmarschs die Einreise mit Haustieren erleichtert worden. Und wer als Kriegsflüchtling bereits eine Unterkunft hat, darf sein Haustier behalten. Darüber haben sich gerade die Bundesländer geeinigt. Doch viele Haustierbesitzer werden eingeholt – von der EU-Heimtierausweis- und Chip-Pflicht für Grenzgänger, der Quarantäne und nicht zuletzt von dem in vielen Flüchtlingsunterkünften geltenden Vierbeiner-Verbot.
In Hamburg, Nordrhein-Westfalen und andern Bundesländern suchen Tierschützer händeringend Patenschaften auf Zeit als Notlösung für Hund, Katze und Co. In Bayern hat man Bestimmungen gelockert. Schleswig-Holstein ist zwischen Landesebene und kommunaler Ebene geteilt. „Die Leute kommen aus dem Krieg. Sie schlagen sich über Tausende von Kilometern zu uns durch, und dann wird ihnen das Haustier weggenommen. Das ist unvorstellbar. Das ist gruselig. Die haben doch nichts anderes“, sagt Katja Vogel, Leiterin des Tierheims in Henstedt-Ulzburg. Dem pflichtet Anja Steffen bei. Sie leitet das Tierheim des Tierschutzvereins Bad Segeberg: „Die Menschen sind traumatisiert, da kann man ihnen nicht auch noch ihren Liebling wegnehmen.“
Ukraine: In Bad Segeberg sind auch Haustiere willkommen
In Segebergs Erstaufnahmeeinrichtungen wird auf die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt und Tierschutzvereinen gesetzt. Die Tiere bleiben bei ihren Besitzern. Es gibt Sprechstunden und Versorgung für die Vierbeiner vor Ort. Katja Vogel und ihr Team sind zusammen mit einer Tierärztin regelmäßig in Boostedt und wissen um die Bedeutung der Haustiere für ihre Halter. „Natürlich stützt das auch psychisch sehr, das ist allgemein bekannt“, sagt Tierärztin Heike Schwalenberg aus Klein Rönnau, die mit dabei ist.
Anja Steffen und ihre Mannschaft betreuen die Angekommenen im Levo-Park in Bad Segeberg. Die Unterbringung der Tiere sei eine Mammutaufgabe, die auch finanziell gestemmt werden müsse. „Das trägt momentan der Verein“, sagt sie. Immerhin sei die eigentlich bindende Gebührenordnung für solche Fälle vorübergehend ausgesetzt, ergänzt Katja Vogel.
Weit über 50 Hunde und Katzen, aber auch Kaninchen und Meerschweinchen konnten bisher in beiden Unterkünften versorgt werden. Täglich kommen neue dazu. Verteilt werden Geschirre für Katzen, Leinen, Decken, Futter. Dazu kommt die wichtige medizinische Versorgung.
Ukraine: Das gilt für Haustiere aus dem Kriegsgebiet
Allem voran steht der Tollwutschutz. Deutschland gilt, anders als die Ukraine, seit 2008 als frei von dieser auch für den Menschen tödlich verlaufenden Virusinfektion. „Die Tiere, die kommen, müssen unbedingt registriert und geimpft werden“, betont Anja Steffen. „Wir müssen alle erwischen.“ Und sie macht eindringlich klar, dass auch privat untergekommene Flüchtlinge das Prozedere mit ihren Tieren unbedingt angehen müssen. Haustiere und die Kontaktdaten der Halter müssen gemeldet werden. Und kämen nachgewiesen geimpfte Hunde, Katzen und Frettchen aus der Ukraine nach Deutschland, müsse zwingend eine sogenannte Tollwut-Titerbestimmung (Antikörper-Nachweis) vorgenommen werden, mahnt Stormarns Veterinäramt exemplarisch.
Stormarns Veterinäramt verspricht zwar, in solchen Fällen Unterbringungsmöglichkeiten zu organisieren, und auch beim Tierschutz haben sich schon viele gemeldet, die Pflegestelle auf Zeit sein möchten. Die Hilfsbereitschaft sei riesig. „Aber was ist, wenn das Tier wegläuft? Was, wenn es zu einer Beißerei kommt? Das muss geklärt werden“, sagt Vogel. Manche Flüchtlinge seien misstrauisch, hätten Angst. Da müsse viel Vertrauensarbeit geleistet werden. „Ein Tierheim in der Ukraine ist etwas ganz anderes als eines hier.“ Bei einer Hundehalterin ist das geglückt. Ihre Welpen werden gerade in Henstedt-Ulzburg liebevoll aufgepäppelt. „Dann bekommt sie sie zurück.“
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Doch demnächst stehen weitere Probleme an. In der Notunterkunft im ehemaligen Klinikum Borstel dürfen Tiere mitgebracht werden. Doch in anderen Unterkünften, in die Geflüchtete kommen, wenn sie auf Kreise und Kommunen verteilt werden, ist das oft nicht der Fall. Selbst dann nicht, wenn alle notwendigen Impfungen und Dokumente vorhanden seien, sagt Katja Vogel. „Es muss einfach anders gehen“, sagt sie. Und ergänzt: „Ich kann die Problematik nachvollziehen, aber es ist eine Ausnahmesituation. Sorgt dafür, dass Flüchtlinge ihre Tiere behalten können“, appellieren sie und Anja Steffen an die Behörden. Denn eines sei unstrittig: „Es tut weder den Flüchtlingen noch ihren Tieren gut, sie voneinander zu trennen.“