Schwarzenbek. Nach einem Notruf dringen mehrere Polizisten mit Schusswesten in eine Wohnung in Schwarzenbek ein. Was offenbar der Auslöser war.

Bedrohungslage mit einer Waffe: Diese Meldung klang ernst und brisant, nachdem am Mittwochabend, 18. Dezember, gegen 18 Uhr ein Notruf bei der Polizei einging. Zu dem Vorfall soll es in einem Mehrfamilienhaus an der Aubenasstraße in Schwarzenbek gekommen sein.

Die Einsatzleitstelle reagierte prompt, alarmierte die örtliche Polizeizentralstation an der Compestraße und schickte weitere Einsatzkräfte nach Schwarzenbek. Zudem wurde der Rettungsdienst alarmiert. Die Polizisten trafen sich zunächst auf dem Parkplatz der Kreissparkassenfiliale am Verbrüderungsring. Etwa ein Dutzend Beamte mit schusssicheren Westen und gepanzerten Schutzschilden fuhr dann ohne Blaulicht zum Einsatzort.

Polizei geht nach Notrufe vom sogenannten „Swatting“ aus

In der Wohnung, die im Notruf genannt wurde, fanden die Polizisten jedoch nichts – dort gab es weder einen Streit, noch eine Bedrohungslage oder gar Schusswaffen. Die Polizei geht mittlerweile von „Swatting“ aus. Der Name leitet sich von der amerikanischen Bezeichnung SWAT (special weapons and tactics) für Spezialeinheiten der Polizei ab. Beim „Swatting“ wird ein fingierter Notruf abgesetzt: Einer von den „Swattern“ ausgewählte Person werden akute Straftaten angedichtet. Das kann eine Gewalttat sein, der Bau einer Bombe oder ganz simpel ein Gasleck in der Wohnung.

In den USA, wo der Trend herkommt, ist es sogar schon zu Todesfällen gekommen, weil die von einer Notlage ausgehenden Spezialeinheiten auf völlig ahnungslose Bürger stießen und die Schusswaffe einsetzen. In Deutschland ist „Swatting“ ebenfalls angekommen: Die fingierten Notrufe stammen zumeist von Online-Gemeinschaften, die sich einen Spaß daraus machen. Ziel ihrer Anrufe sind häufig Menschen, die gerade selber eine Videoübertragung per Internet laufen haben. So kann der Einsatz der Polizei von den „Swattern“ live mitverfolgt werden.

Täter wollen Polizeieinsatz im Live-Stream verfolgen

Teilweise wurde auch die Nora-App genutzt, die von den Bundesländern für Notrufe zur Verfügung gestellt wird. Die Täter lockten Einsatzkräften gezielt zu Orten, an denen Videokameras installiert sind, die ihre Bilder ins Internet stellen. Das TV-Magazin Kontraste hatte im April dieses Jahres die Szene beleuchtet, konnte ein Interview mit einem der Täter führen. Der gab an, den Kick zu suchen: „Man hat Spaß daran, wenn die Leute sauer auf einen sind, aber man nicht schnappbar ist. Nicht fassbar. Das ist ja nichts anderes, als würde man jetzt den Fernseher anschalten, auf ‚RTL zwei‘ ‚Auf Streife‘ schauen. Das ist genau das Gleiche, nur dass man diesen Extrabonus hat, dass man steuern kann.“

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Der Security-Anbieter Avast geht davon aus, dass „Swatting“ in der Online-Gaming- und Streaming-Community besonders weit verbreitet ist. Doch diese Bedrohung kann eine Vielzahl von Personen treffen – von Politikern bis hin zu Senioren, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Bei ihren Anrufen nutzen die „Swatter“ oft fingierte Telefonnummern, um nicht enttarnt werden zu können.

Anlass war offenbar Streit unter Jugendlichen auf Gaming-Plattform

In Schwarzenbek wurde nach derzeitigem Kenntnisstand in einem Internetchat eine schwere Straftat angekündigt. Dieses wurde der Polizei gemeldet und führte zu einem Einsatz der Polizei- und Rettungskräfte. „Vor Ort wurde festgestellt, dass diese Ankündigung nicht der Wahrheit entsprach“, so Polizeisprecherin Jacqueline Fischer. Erste Ermittlungen ergaben, dass ein Streit unter Jugendlichen auf einer Gaming-Plattform der Anlass für den fingierten Polizeieinsatz gewesen sein könnte.

Die Polizei ermittelt in dem Schwarzenbeker Fall wegen des Verdachts einer Straftat nach Paragraf 145 des Strafgesetzbuches (Missbrauchs von Notrufen). Offen ist noch, ob der Täter ermittelt werden kann. Sollte dies gelingen, droht ihm nicht nur ein Strafverfahren, sondern es wird auch geprüft, dem Verursacher die Kosten des Polizei- und Rettungsdiensteinsatzes in Rechnung zu stellen.