Wentorf. Tierischer Besuch im Johanniter-Haus Mutter Eva von Tiele-Winkler: Shettys berühren die Herzen und bringen alle in Bewegung.

Fritzi bringt Susanne Behn zum Kichern wie ein junges Mädchen: Genüsslich schleckt der fuchsfarbene Wallach der 88-jährigen Bewohnerin des Johanniter-Hauses Mutter Eva von Tiele-Winckler die Hand ab. Der nur ein Meter hohe Shetty-Mann ist selbst hochbetagt für ein Pony: 30 Jahre ist er alt und dreht eine Runde durch den Aufenthaltsraum, lässt sich streicheln, kraulen, verwöhnen und tastet mit seinen samtenen Lippen die zittrigen Finger ab, die sich ihm entgegenstrecken. „Er genießt es einfach, dass er heute mal der Star sein darf“, stellt Verena Neuse, Gründerin des Vereins Lerntiere, zu denen die Therapieponys Fritzi und Charly gehören, fest. Sie besucht das Wentorfer Seniorenheim regelmäßig seit eineinhalb Jahren.

Auch Susanne Behn beugt sich zum Ponymaul und reckt ihre Hände nach unten. „Ich bin auf einem Hof mit vielen Pferden groß geworden“, erzählt die 88 Jahre alte Seniorin lächelnd. In der Nähe von Halle an der Saale sei das gewesen. Wie sie genießen viele Bewohnerinnen und Bewohner den Besuch der beiden Therapieponys. Der kleine Charly, gerade mal 78 Zentimeter hoch, fährt sogar im Fahrstuhl, damit er sie auch in ihren Zimmern aufsuchen kann. „Charly ist so cool, er macht alles mit“, schwärmt Neuse von dem Mini-Pferd.

Für die Senioren fährt Therapiepony Charly sogar Aufzug

Ob Live-Musik, Dia-Vorträge oder der mobile Kleiderverkauf: In der Wentorfer Senioreneinrichtung am Burgberg wird den gut 70 Bewohnerinnen und Bewohnern so einiges geboten. Doch die Besuche der Therapieponys, die das Altenheim drei- bis viermal im Jahr beehren, sind besonders beliebt. „Ich kenne Charliy schon“, erzählt Heidi Vollrath (87), als sie ihm sanft den Schopf aus der Stirn streicht, damit „er auch etwas sieht“. Vergangenes Mal habe sie ihn gefüttert. „Das war so ein schönes Gefühl, als er mit diesen weichen Lippen das Möhrenstückchen von meiner Handfläche genommen hat.“

Therapiepony im Seniorenheim
Heidi Vollrath (l.) streicht Pony Charly erst die Schopfhaare hinter die Ohren, streichelt dann sanft seine Stirn. Thoma Bardowski und Verena Neuse (r.) schauen lächelnd zu. Der kleine Wallach genießt. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Melanie Schäfer, stellvertretende Leiterin des begleitenden Dienstes der Johanniter, freut sich selbst immer schon auf die Besuche der Ponys. „Die Tiere zaubern unseren Bewohnerinnen und Bewohnern immer wieder ein Lächeln ins Gesicht“, erzählt sie. „Sie setzen neue Reize, damit sie sich wieder bewegen. Am wichtigsten ist aber, dass die Begegnung mit den Tieren vor allem die Herzen berühren.“

Kein Konflikt mit der Hygiene

Einen Konflikt mit der Hygiene sieht sie nicht. „Unsere Mitarbeitenden und auch die Gäste dürfen auch ihre Hunde mitbringen“, sagt Melanie Schäfer. „Das ist für uns kein Problem.“ Eine Windel brauchen die Vierbeiner jedenfalls nicht. „Wenn die Ponys äppeln, machen wir das wieder weg und öffnen die Fenster“, erzählt Verena Neuse. Das sei bisher aber nur zweimal vorgekommen. Und bei den Minis seien die Dünger-Haufen nicht so groß und alle Böden im Seniorenheim könnten gewischt werden.

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Den Seniorinnen und den Senioren aber geht bei den Begegnungen das Herz auf. „Oh, nimmt er denn ein Stück Zucker?“, fragt eine Bewohnerin, als Charly und Verena Neuse sie in ihrem Zimmer besuchen. Sie sitzt im Sessel und liest Zeitung, als das Pony zielstrebig auf sie zugeht. „Nein, aber ein Stück Möhre“, sagt Neuse, und überreicht ihr lächelnd eines aus ihrer Futterschüssel. „Nehmen würde er es wohl schon, aber das ist wie bei uns: nicht gut für die Zähne.“ Charly zermalmt friedlich sein Karottenschnipsel und lässt sich streicheln. Ein Senior will das Pony zwar nicht füttern, erhebt sich aber sogar von seinem Stuhl, nimmt den Halfterstrick und führt das Pferdchen im Flur auf und ab.

Senioren blühen auf, wenn sie die Ponys sehen

Zum Verein der Lerntiere zählen etwa 70 Tiere, darunter 13 Pferde, Ponys und Esel. Nicht alle sind als Besuchstiere geeignet. Charly und Fritzi seien besonders umgänglich. „Charly macht alles mit“, lobt Neuse. „Nur wenn wir gegen den Notruf-Knopf kommen, will er schnell wieder aus dem Fahrstuhl.“ Wenn die beiden Therapeuten auf vier Beinen sich eingewöhnt haben, machen sie auch allein ihre Runde durch den Saal, um sich ihre Streicheleinheiten abzuholen. Reiben ihren Kopf an knochigen Knien, lassen sich bürsten und schubbern. „Charly bräuchte eigentlich Lockenwickler“, stellt eine Seniorin fest und zwirbelt sein Mähnenhaar zwischen ihren Fingern.

Seit dem Umzug der Lerntiere von der Lohe zum Waldhof in Krukow, sei der Weg nur 25 Minuten länger. „Das nehmen wir gern in Kauf“, sagt Neuse, die mit den Lütten auch noch eine Wentorfer Einrichtung für Menschen mit Handicap regelmäßig besucht. „Denn es ist toll zu sehen, wie die Menschen aufblühen, erstarrte Gesichter plötzlich lächeln und Verstummte plötzlich wieder etwas sagen.“