Geesthacht. Rund 70 Firmen bei Geesthachter Berufsmesse an der Alfred-Nobel-Schule. Ihre Schwierigkeiten bei der Suche nach neuem Personal.
Gelb und orangefarben sind zwei der Ausstellungsstücke, die die Geesthachter Firma Gumo aus dem Ortsteil Düneberg zur großen Berufsmesse an der Alfred-Nobel-Schule (ANS) mitgebracht hat. Auf den ersten Blick erinnern diese verdächtig an Dildos. „Deshalb stehen die auch da“, sagt Mitarbeiter Felix Biermann. Schließlich müssen kleine, unbekannte Firmen im Ringen um künftige Auszubildende irgendwie auf sich aufmerksam machen – und wenn es dafür vermeintlich anzügliche Dinge braucht.
Unternehmen haben es in einer sich wandelnden Gesellschaft immer schwerer, die Generation Z zu erreichen. Die klassische Zeitungsannonce ist zwar nicht komplett out, wie Berufsberatin Sabine Winter von der Agentur für Arbeit sagt, und doch müssen Arbeitgeber heute kreativer und vielfältiger werden, um neue Mitarbeiter zu generieren. Ob nun durch Werbevideos in den sozialen Netzwerken oder durch das Angebot von attraktiven Arbeitsbedingungen – etwa Ausbildungen in Teilzeit (interessant für Alleinerziehende).
Expertin rät: Wer Azubis sucht, muss Praktika anbieten
Denn trotz des immer wieder genannten Fachkräftemangels, gibt es genug junge Leute, die nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle suchen. „Ich habe genug davon“, betont Sabine Winter. Anfang August waren im Kreis Herzogtum Lauenburg von ursprünglich 1028 gemeldeten Ausbildungsstellen 331 noch vakant. Wer nicht zu stark auf einen bestimmten Beruf festgelegt ist, wird auch noch in der Nähe zum Wohnort fündig.
„Um auf sich aufmerksam zu machen, ist bei regionalen Firmen Social Media eher nicht die Plattform“, sagt die Berufsberaterin. Umso wichtiger ist für hiesige Arbeitgeber die alle zwei Jahre stattfindende Berufsmesse an der ANS. Über 70 Firmen konnte Organisator Hartmut Heitmann wieder dafür gewinnen. Das insolvente Johanniter-Krankenhaus Geesthacht hat übrigens kurzfristig abgesagt.
Was macht ein Kautschuk-Technologe?
„Der Markt hat sich komplett gedreht. Die meisten Firmen suchen Azubis“, weiß Heitmann, der in seinem früheren Arbeitsleben einmal Ausbildungsleiter beim Otto-Versand war. Erschwerend kommen einige Aspekte hinzu: Junge Menschen wissen vielfach nicht, welchen Beruf sie ergreifen wollen. Die Zahl der Ausbildungsberufe ist gestiegen, und viele Berufsbezeichnungen sind einfach unbekannt.
Womit wir wieder bei der Technischen Gummi-Formartikel GmbH, kurz Gumo, aus Geesthacht wären. „Wir müssen erst einmal vermitteln, was ein Kautschuk-Technologe macht“, sagt Geschäftsführerin Daniela Torweihe. Antwort: Er fertigt Artikel für die Automobilwirtschaft, die Elektrotechnik und vieles mehr. Oder eben die gelben und orangen „Dildos“, die in Wirklichkeit Griffe für Ruderboote sind.
Freie Stellen der Arbeitsagentur melden
Die Beschäftigung mit dem künftigen Arbeitgeber und das Auftreten spielen derweil heute bei einer Bewerbung eine größere Rolle, während die Schulnoten nicht mehr das entscheidende Kriterium sind. Und dennoch: „Ich hatte zuletzt einen total interessierten Jungen mit ESA (erster allgemeinbildender Schulabschluss, früher Hauptschule, die Red.). Der wird aber leider die Berufsschule nicht schaffen“, sagt Torweihe. Abhilfe könnte die Berufsberatung schaffen. „Wir bieten Nachhilfe für die Berufsschule an, auch direkt vor Ort“, sagt Sabine Winter.
In Kleingruppen, jeweils in Begleitung eines Lehrers, haben derweil die Schüler von ANS, Otto-Hahn-Gymnasium und der Bertha-von-Suttner-Schule die Berufsmesse erkundet. Dustin-Joel Genies, Philine Kompaß, Jonas Huß und Joleen Reisch aus dem 11. Jahrgang an der ANS informierten sich gerade am Stand vom Geesthachter LADR-Labor von Dr. Kramer.
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„Wir garantieren nach der Ausbildung die Übernahme der Azubis“, wirbt Mitarbeiterin Vanessa Wagner für ihre Firma. Die Schüler konnten derweil Blutzellen unter einem Mikroskop ansehen oder ihren Blutdruck messen lassen. „Ich möchte in den medizinischen Bereich gehen“, hat Philine Kompaß schon recht konkrete Berufsvorstellungen. Dustin-Joel Genies weiß nur, dass er nichts Handwerkliches machen möchte.
Bei der Vermittlung von Auszubildenden bietet die Wirtschaftliche Vereinigung Geesthacht (WVG) ihre Hilfe an. Sabine Winter von der Berufsberatung animiert Firmen, freie Stellen unbedingt zu melden und schließt mit einem Appell an Arbeitgeber: „Nehmen Sie unbedingt auch Praktikanten an. So generieren Sie Interesse und neue Azubis“. Kontakt: geesthacht.berufsberatung@arbeitsagentur.de.