Geesthacht. „Für uns ist es ein ganz neues Leben“: Marga und Siegfried Weinrich berichten, wie schwer, aber auch schön die Pflege des Partners ist.
In Schleswig-Holstein haben 160.000 Menschen einen anerkannten Pflegegrad. Etwa 80 Prozent von ihnen werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. So wie bei den Weinrichs: Der 86-jährige Siegfried Weinrich betreut seit vier Jahren seine gleichaltrige Ehefrau Marga, die auf den Rollstuhl angewiesen ist.
„Für uns ist das ein ganz neues Leben“, sagen beide. Vor fünf Jahren sind die Senioren vom eigenen Haus in Aumühle in die barrierearme Wohnung in der Geesthachter Hafencity umgezogen, werden dort vom Pflegedienst der Arbeiterwohlfahrt (Awo) betreut. Nach einer Hüftoperation kam eine Sepsis hinzu, seither sitzt die früher sportliche Frau im Rollstuhl.
Pflege Geesthacht: Wie ein 86-Jähriger sein Eheversprechen Tag für Tag einlöst
„In guten wie in schlechten Zeiten“ – dieser Satz aus ihrem Eheversprechen gilt für die Weinrichs seit 63 Jahren. Skilaufen, Radfahren und Turniertanzen bei der TSG Bergedorf zählten zu den Hobbys des Ehepaares, die sie gemeinsam ausübten. Seit der Erkrankung seiner Frau verzichtet Siegfried Weinrich selbst auf das Radfahren: „Was wird aus meiner Frau, wenn mir etwas zustößt und ich ins Krankenhaus muss?“
Eine Frage, auf die auch Silvia Hennig, Leiterin des ambulanten Pflegedienstes der Awo, spontan keine Antwort hat: „Es gibt zu wenig Kurzzeitpflegestellen im Kreis. Eine Kurzzeitpflege von heute auf morgen zu organisieren, ist nahezu unmöglich.“ Das ist nicht nur ein Problem, wenn der Pflegende erkrankt: Auch ein Erholungsurlaub lässt sich kaum buchen, da nie sicher ist, ob zum geplanten Zeitraum wirklich ein Kurzzeitpflegeplatz verfügbar ist.
So anstrengend ist die Pflege: Zehn Kilogramm verloren
Bisher springt die Tochter ein, wenn Siegfried Weinrich eigene Termine hat. Doch das kommt selten vor: Maximal drei Stunden lässt der 86-Jährige seine Frau tagsüber allein, um etwa Einkäufe zu tätigen. Unterstützt wird das Ehepaar vom ambulanten Pflegedienst der Awo, der morgens kommt. Doch nachts und tagsüber sind beide auf sich gestellt. Wie sehr die Pflege an seinen Kräften zehrt, macht ein Blick auf die Waage deutlich: Der Senior hat rund zehn Kilogramm Gewicht verloren. „Ich kann essen, aber nehme nicht zu“, sagt der 86-Jährige.
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Eine Umfrage des Deutschen Alterssurvey aus dem Jahr 2023 unter pflegenden Angehörigen zeigt: Mehr als 60 Prozent geben an, Hilfsangebote nicht zu nutzen, weil sie diese nicht brauchen. „Wer sagt: Ich brauche das nicht, meint eigentlich: Ich schaffe das schon“, sagt Hennig. Viele empfänden die Hilfsangebote, das weiß Hennig aus Gesprächen, als unzureichend, etwa bei Demenzkranken. Andere wollen ihre Angehörigen nicht weggeben. „Das dicke Ende kommt, wenn der Pflegende dann selber zusammenbricht“, so die Expertin.
„Du musst das Schicksal annehmen“
„Es ist schon schwer, wenn ich sehe, wie er sich abmüht und ich nicht helfen kann“, sagt Marga Weinrich. Trotz aller Anstrengungen: Die Freude am Leben hat das Paar nicht verloren. Freunde und Verwandte, deren Wohnungen nicht barrierefrei sind, kommen jetzt nach Geesthacht. Und auch die Freizeitangebote der Awo an der Steinstraße 7a nutzt das Paar, geht regelmäßig zu Spielenachmittagen oder zum Klönschnack.
„Du musst das Schicksal annehmen, sonst stehst du dir selber im Wege“, sagt Siegfried Weinrich. Und Ehefrau Marga ergänzt: „Wir haben unser Leben genossen, erfreuen uns noch an den Erinnerungen. Aber nun ist das Leben eben anders.“
Beratung und Vorträge beim Tag der offenen Tür
Wer selber Kinder, Eltern oder Partner pflegt, kann sich bei Fragen an den Pflegestützpunkt Herzogtum Lauenburg wenden. Im Rahmen der Woche der pflegenden Angehörigen lädt die Awo für Donnerstag, 17. Oktober, von 14 bis 18 Uhr in die Tagespfegeeinrichtung in Lauenburg (Büchener Weg 8a) ein. Um 15 Uhr gibt es dort einen Fachvortrag zum Thema Demenz, um 16.30 Uhr geht es um die Entlastungsleistungen in der Pflege. Der Eintritt ist frei.