Witzeeze/Schwarzenbek. In Witzeeze wurde eine Frau getötet, ihr Ex-Mann stellte sich der Polizei. Initiative in Schwarzenbek will Schutz der Opfer verbessern.
Der gewaltsame Tod einer 55-Jährigen erschütterte vor rund zwei Wochen das kleine Örtchen Witzeeze. Die Frau wurde offenbar während eines Spaziergangs mit ihrem Hund von ihrem Ex-Ehemann erschossen, der sich selbst der Polizei stellte. Einen Weckruf richtet der Schwarzenbeker Verein „Hilfe für Frauen in Not“ an die Öffentlichkeit. Es brauche wirksamere Maßnahmen, um Frauen vor gewalttätigen Männern und so vor Femiziden zu schützen.
In Schleswig-Holstein gebe es viel zu wenig Kapazitäten in Frauenhäusern, um effektiven Schutz bieten zu können, wie es Sabine Wöhl von der Frauenberatung im Kreis Herzogtum Lauenburg erklärt. Sie ist seit 1996 in diesem Arbeitsfeld tätig. „In Schleswig-Holstein können wir Frauen kaum noch unterbringen. Das ist eine besondere Situation“, sagt sie. Braucht eine Frau aus dem Herzogtum Schutz, müsse inzwischen auch in anderen, teilweise weit entfernten Bundesländern gesucht werden.
Gewalt gegen Frauen: Mütter mit Kindern haben kaum eine Chance auf eine neue Wohnung
Der Aufenthalt in den Schutzräumen soll dabei nur eine Übergangslösung sein. Doch die Suche nach einer neuen Bleibe sei wegen der Wohnungsnot häufig schwierig. „Besonders, wenn die Frau Kinder hat, ist es nicht leicht. Bei einem Migrationshintergrund geht die Chance gen Null“, wie Sabine Wöhl sagt.
Sollte eine Frau keine eigene Wohnung finden, die Schutz vor gewalttätigen Ex-Männern bringt, könne der Mann aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Auch Näherungsverbote seien eine Möglichkeit. „Der Mann darf sich der Frau dann nicht weiter als 100 Meter nähern oder muss sich auch umdrehen, wenn sie sich begegnen“, erklärt Wöhl.
Deutlich gestiegene Nachfrage nach Hilfsangeboten
Dennoch sei es zwingend notwendig, mehr Plätze im Kreisgebiet zu schaffen. Denn im einzigen Frauenhaus in Schwarzenbek gebe es nur 20 Plätze, wovon zwei Intensivplätze sind. Diese können Frauen beziehen, wenn ihr Leben durch den Ex-Partner bedroht wird, wie Sabine Wöhl erklärt. Dies werde von der Polizei und einer Beratungsstelle gemeinsam analysiert. Verhehlen möchte Sabine Wöhl dabei nicht, dass in Schwarzenbek zuletzt in die Sicherheit in Frauen investiert wurde. „Wir fühlen uns gut unterstützt“, sagt sie. Für eine Million Euro wurden die beiden vorherigen Standorte in der Stadt zu einem gemeinsamen Standort zusammengelegt.
Dass dennoch Handlungsbedarf besteht, zeige nicht nur der Witzeeze-Fall, sondern auch die Entwicklung der Beratungsgespräche des Vereins. 2022 seien noch 1420 Hilfsangebote in Anspruch genommen worden, 2023 waren es schon 1596. „Das ist ein multifaktorielles Gebilde“, sagt Wöhl. Zum einen seien Hilfsangebote präsenter als früher. „Das ermutigt viele, Hilfsangebote anzunehmen.“ Doch auch Einflüsse wie die Corona-Pandemie und Krieg sorgten dafür, dass die Anspannung im Familienumfeld wachse und es deshalb zu Gewalt komme.
Forderung: Elektronische Fußfessel für gewalttätige Männer
Dabei müssten, wie Wöhl es beschreibt, nicht nur mehr Frauenhausplätze geschaffen werden, es bedarf auch mehr Fachkräfte, um der hohen Nachfrage nachkommen zu können. „Wir haben zwei volle Stellen für den Kreis. Das ist nicht viel“, sagt sie. 50 bis 60 Minuten dauere ein Beratungsgespräch. Inzwischen werden kürzere Segmente angeboten, um mehr Frauen die Möglichkeit eines Gesprächs zu geben.
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Doch nicht nur Schutzmaßnahmen müssten ausgebaut werden. „Ich würde mir wünschen, dass die Täter mehr in den Blick genommen werden“, sagt Sabine Wöhl. Häufig werde Frauen vorgeworfen, dass sie früher ihren Mann hätten verlassen können. Stattdessen brauche es konsequente Maßnahmen, die die Gewalt durch Männer verhindert. Elektronische Fußfesseln für Männer, die gegen ein Näherungsverbot verstoßen, seien eine Option. Mit dem Vorschlag beschäftigte sich die Innenministerkonferenz im Juni.
Alle drei Tage bringt ein (Ex)-Partner seine Frau um
Gefahr für Frauen besteht laut Sabine Wöhl, wenn es nach einer Trennung um Haus und Kinder geht oder aber die Frau einen neuen Partner findet. Doch nicht nur dann sei ein Femizid möglich. Im Falle der 55-Jährigen aus Witzeeze waren Täter und Opfer schon lange Zeit getrennt, ehe der 59-Jährige Ex-Partner die Frau mutmaßlich erschoss.
Der Begriff Femizid beschreibt eine extreme Form von geschlechterspezifischer Gewalt, bei der Frauen durch Männer – häufig Ex-Partner – getötet werden. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung wird alle drei Tage eine Frau von ihrem (Ex)-Partner getötet. Täglich gibt es einen Tötungsversuch. 2023 wurden deutschlandweit 155 Frauen durch geschlechterspezifische Gewalt getötet.