Lauenburg. Parteienvertreter wollen, dass sich möglichst viele Menschen am Anhörungsverfahren beteiligen. Worum es ihnen geht.

In den vergangenen Wochen ist der Ärger hochgeschwappt, vereinzelt am Telefon, per E-Mails und in sozialen Medien. „Das ist doch kein Zufall, dass diese wichtige Anhörung in den Sommerferien versteckt wird“, ereiferte sich jüngst eine junge Frau mit Blick auf die „Teilfortschreibung“ für die Windenergieplanung. Auch Umweltschützer im Kreis Herzogtum Lauenburg üben Kritik: „Halbierte Schutzabstände von Windrädern zu Greifvogelhorsten sind kein Beitrag zum Artenschutz.“ Andererseits sparen die Planer bislang große Forste wie den Sachsenwald als Optionsflächen aus, wollen jedoch aus Sicht von Tierschützern zu dicht an manche Vogelschutz- und insbesondere Rast- und Brutgebiete heranrücken. Aus Expertensicht sind seltene Greifvögel besonders in Gefahr.

Das Land Schleswig-Holstein macht derzeit Tempo, um die nach Bundesgesetz vergrößerten Anforderungen nach mehr Windenergieflächen zu erfüllen. Der Anteil soll von zwei auf drei Prozent der Landesfläche wachsen. Doch dies ist es nicht allein: Die schwarz-grüne Landesregierung in Kiel will die Ausbeute aus erneuerbaren Energien noch darüber hinaus steigern.

Mehr Windkraftanlagen geplant – Grüne üben Kritik

Damit sind die Grünen im Kreis Herzogtum Lauenburg naturgemäß einverstanden, doch mahnen sie zu Augenmaß. Deutliche Kritik äußern Lauenburgische Grünen-Politiker an der Terminierung des Anhörungsverfahrens für die geplanten Änderungen im Landesentwicklungsplan (LEP). Sie fordern Städte und Gemeinden wie auch möglichste viele Menschen aus dem Lauenburgischen auf, bis zur am Montag (9. September) endenden Frist noch ihre Stellungnahme abzugeben.

„Unsere Forderung“, so der Fraktionsvorsitzende Marcus Worm, „ist ein sensibler Umgang mit Freiflächen und der Erhalt von zusammenhängenden Flächen für Natur- und Artenschutz.“ Zudem müsse die Landschaft in sensiblen Lagen von Industrieanlagen freigehalten werden. „Dies ist auch mit Blick auf Naherholung und Tourismus gerade hier bei uns im Binnenland unbedingt zu berücksichtigen.“

Kreisgrüne fordern, Natur- und Artenschutz im Blick zu behalten

Das aktuelle Verfahren ist weit davon entfernt, bereits feste Standorte für neue Windräder zu definieren. Doch angesichts des Flächenhungers einerseits, teils deutlich reduzierter Mindestabstände wie auch dem Aus für Maximalhöhen anderseits sind Konflikte programmiert. Nicht nur mit vielen Bürgern, die „weder neue Hochspannungsmasten noch Riesen-Windspargel im eigenen Vorgarten“ wollen.

Von einer großen Flächenkonkurrenz mit Blick auf Energiegewinnung und Naturschutz spricht die grüne Umweltexpertin Bettina Best. Es sei wichtig, „dass sich eine breite Öffentlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt an den Planungen beteiligt und die regionale Sichtweise an das Ministerium in Kiel heranträgt“, so die Kreistagsabgeordnete. „Die Fraktion fordert die Landesregierung auf, Vorranggebiete auch für die Biodiversität und den Artenschutz auszuweisen, damit bisherige und geplante Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt überhaupt gelingen können.“

Todbringende Hindernisse auf Routen der Zugvögel?

Tatsächlich weisen Karten des Landes Regionen als mögliche Windkraftflächen aus, die Experten erschaudern lassen. So sind im Süden des Herzogtums um Lauenburg und zwischen der Schifferstadt und Büchen Areale nahe dem Elbe-Lübeck-Kanal sowie weiter im Norden entlang der Delvenau-Niederung als mögliche Windparkflächen im Gespräch. Mithin genau in Regionen, die von Zugvögeln auf ihren langen Wegen zwischen Norden und Süden genutzt werden.

König der Lüfte, aber dennoch gefährdet: In Schleswig-Holstein brüten wieder Seeadler.
König der Lüfte, aber dennoch gefährdet: In Schleswig-Holstein brüten wieder Seeadler. © HA

Der Kreis hat in einer Stellungnahme diverse Bedenken erhoben und Anmerkungen zum neuen Verfahren gemacht. Eine Übersicht listet zwei Regionen auf, die forstwirtschaftlich genutzt sowie 15, die landwirtschaftlich genutzt werden beziehungsweise als Domänenflächen für die entsprechende Nutzung verpachtet sind.

Hinzu kommen fünf Gebiete, die als Ausgleichsflächen für den vorgeschriebenen Öko-Ausgleich von Eingriffen in Natur und Umwelt vorgesehen sind sowie 13 Flächen, die „für den Naturschutz gesichert“ sind. Eine Vielzahl der Areale befinden sich nahe dem Elbe-Lübeck-Kanal etwa in den Ämtern Lütau und Büchen, teils grenzen die Flächen an den Kanal wie bei Siebeneichen.

Windräder am Elbe-Lübeck-Kanal

„Es geht noch nicht um einzelne Flächen, das Land erarbeitet derzeit einen Kriterienkatalog für die Zukunft“, erläutert Manfred Kuhmann, zuständiger Fachamtsleiter für Regionalentwicklung und Umwelt in der Kreisverwaltung Herzogtum Lauenburg. Die von Experten für Planung und Umweltschutz erarbeitete Stellungnahme des Kreises ist in der Politik auf breite Zustimmung gestoßen. Sie wurde jüngst vom zuständigen Fachausschuss beschlossen.

Mit Gesetzesänderungen versucht die Berliner Ampelkoalition, einen Zuwachs an Potenzialflächen für Windkraftanlagen zu forcieren. Ein Nein zu Höhenobergrenzen für Windräder soll dazu ebenso beitragen wie die Verringerung von Mindestabständen zu schützenswerten Arealen, etwa Biotopen, Naturschutzflächen oder auch Rastplätzen für Zugvögel wie etwa Kraniche. Umweltschützer warnen, alle geschützten Arten im Blick zu behalten: Ansonsten könnten Windräder etwa die seltenen Seeadler und Rot-Milane wie auch vom Aussterben bedrohte Fledermäuse dezimieren.

Über Vorrang des Naturschutzes wird im Einzelfall entschieden

Nicht ausgeschlossen, dass künftig auch für Naturschutz gesicherte Flächen vermehrt für Windräder in den Fokus geraten. Kuhmann: „Viele der von uns benannten Flächen sind angekauft, um sie im Sinne der Natur zu schützen und zu entwickeln.“ Künftig könnten Entscheidungen im Einzelfall getroffen werden, je nach Ergebnis von Abwägungen.

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Doppelter Öko-Ausgleich als Stolperstein

Dass ausgewiesene Naturschutzgebiete davon betroffen werden, ist dabei eher unwahrscheinlich. Das gilt auch für Flächen, die bereits für die Umsetzung von Ökoausgleich vorgesehen sind. „Sollten solche Flächen für Windräder genutzt werden, müsste ein zweimaliger Ausgleich erfolgen“, erläutert Kuhmann. „Einmal als Ersatz für den wegfallenden Ausgleich wie auch für den Neubau von Windkraftanlagen auf dem Areal.“