Boizenburg/Lauenburg. Die Grenzstadt hat ihre Nachbarstadt Lauenburg abgehängt: Die bessere Förderung in Mecklenburg-Vorpommern lockt viele Unternehmen.
Wenn Menschen aus den neuen Bundesländern über die von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ sprechen, schwingt oft viel Bitterkeit und Sarkasmus mit. Aus Sicht vieler sind diese entweder eine Fata Morgana beziehungsweise nur Fassade. Oder sie sind zu teuer erkauft: mit dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen in einst volkseigenen Betrieben, mit einer weiter klaffenden Einkommensschere und Altersarmut infolge niedriger Renten.
Tatsächlich ist es in vielen Regionen in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung nicht gelungen, die vielen weggefallenen Industriearbeitsplätze adäquat zu ersetzen. Boizenburg machte da keine Ausnahme: In der DDR waren rund 4000 Menschen in der 13.000-Einwohnerstadt beschäftigt, allein in den beiden größten Unternehmen, in der Elbe-Werft und in den Fliesenwerken.
Boizenburg: Gummibären als Motor des Erfolgs
Wer Mitte der 1990er-Jahre mit dem Auto durch den Kreis Hagenow fuhr, konnte vielerorts die Versuche bestaunen, sich für Investoren schick zu machen. Weitläufig erschlossene, menschenleere, dennoch nachts hell erleuchtete Gewerbegebiete konkurrierten miteinander. Die Errichtung der Gummi Bear Factory 1993 läutete eine neue Zeit ein.
Steuermillionen für leere, hell erleuchtete Gewerbegebiete
Steuergeldverschwendung kritisierten viele Alt-Bundesbürger angesichts der seinerzeit wenigen neuen Betriebe in den Gewerbearealen. Die Nachbarn in Mecklenburg schmerzte damals ein anderer Umstand noch stärker.
Die ersten Unternehmen, die aus dem Westen in den Osten übersiedelten, waren solche, die zwar viel Fläche benötigten, aber nur wenige Jobs schafften, Lagerbetriebe, teils von nationalen Lebensmittelproduzenten oder Supermarktketten, und Speditionen, wie entlang der Autobahn 24. Was sie nicht boten, waren gut bezahlte Industriearbeitsplätze.
Mit Weingummi-Dinos auf der Erfolgsspur
Ein Achtungszeichen setzte 1993 ein Unternehmen, das heute in seiner Sparte nach Haribo zu den größten der Welt zählt, an diversen Standorten produziert. Die Ansiedlung der Gummi Baer Factory in Boizenburg ließ seinerzeit neben anderen auch den Hagenower Landrat in die Elbestadt eilen. „Dinos sind voll im Trend“, befand der seinerzeit mit Blick auf die angelaufene Weingummi-Produktion. Viele Unternehmen haben die besseren Förderbedingungen in Mecklenburg genutzt, um sich dort anzusiedeln.
Der Produktionsbeginn schaffte seinerzeit auch etwas Entlastung für die in die Kritik geratenen Verantwortlichen in Politik und Verwaltung. Boizenburgs marode Schmutzwasserentsorgung war eines der vordringlichsten Infrastrukturprojekte der Stadt. Das neu geplante Klärwerk schien Kritikern zunächst jedoch total überdimensioniert, waren doch rund doppelt so viele Einwohner zugrunde gelegt worden, wie angeschlossen werden sollten.
Mit Geld und moderner Infrastruktur punkten
Für die Elbestadt hat sich der Weitblick bezahlt gemacht. Die Kapazitäten haben für weitere, üppig geförderte Gewerbeansiedlungen gereicht. Moderne Infrastruktur ist ein wichtiges Kriterium für ansiedlungswillige Unternehmen.
- Vorzeigebetrieb wird Opfer von EU, Treuhand und Spekulanten
- Stasivergangenheit und Demokratie nach der Wende
- Frust über „Besserwessis“ und finanzielle Einbußen
Das Nachsehen hat die Nachbarstadt Lauenburg. Nach der Wiedervereinigung ist die frühere „Zonenrandförderung“ entfallen. Mit den Fördertöpfen auf der Mecklenburger Seite und der teils moderneren Infrastruktur kann das Herzogtum nur schwer mithalten.