Ratzeburg/Reinbek. Künftig fahren Mediziner aus Hamburg und Lübeck die Einsätze im Kreis. Hat das Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten?
Die Entscheidung zur Neuvergabe der Notarztversorgung im Süden des Kreises Herzogtum Lauenburg nach nur zwei Jahren stößt in den beteiligten Kliniken auf Verwunderung. Ist doch der Hamburger Asklepios-Konzern im Herzogtum bislang nicht präsent. Überdies wurde am Johanniter-Krankenhaus Geesthacht jüngst erst mit der neuen Rettungswache auch der Stützpunkt für das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) ausgebaut.
In einem Punkt treten die örtlichen Krankenhäuser häufig geäußerten Bedenken jedoch entgegen. Für die meisten Patienten sollen sich keine Veränderungen ergeben: Dass Notärzte oder Rettungssanitäter künftig entscheiden, Notfallpatienten vermehrt in die weiter entfernten Asklepios-Krankenhäuser in Hamburg zu schaffen, sei ausgeschlossen.
Notärzte: System weist das nächste geeignete Krankenhaus für die Patienten aus
Seit 2023 ist ein System im Einsatz, das dem Notarzt oder den Rettern vor Ort das nächste geeignete Krankenhausbett zuweist. Der sogenannte „Behandlungs-Kapazitäts-Nachweis“ (BKN) sorge für eine „hohe Transparenz“, betont Dr. Thorsten Krause, Chefarzt der Anästhesie und verantwortlicher Notfallmediziner am Krankenhaus St. Adolf-Stift. „Diese Zuweisung ist verbindlich und kann nur im begründeten Einzelfall geändert werden.“
Das Reinbeker Krankenhaus stellt noch bis Jahresende gemeinsam mit den Geesthachter Johannitern die Notarztversorgung im Südkreis sicher. Zusammen können beide Krankenhäuser rund 30 entsprechend qualifizierte Notfallmediziner aufbieten, um die Besetzung des Notarztwagens in Geesthacht rund um die Uhr sicherzustellen. Wie berichtet, hatte Geesthacht Personal aufgestockt, um sich nach der Neuausschreibung allein zu bewerben. Das Reinbeker St. Adolf-Stift bewarb sich gemeinsam mit einem neuen Partner, dem Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf.
Dieses mittelgroße Krankenhaus ist selbst bislang nicht Teil der Notarztversorgung in Hamburg oder Schleswig-Holstein. Aber entsprechend qualifizierte Ärzte des Bethesda „fahren bislang schon Einsätze, allerdings für die Träger der jeweiligen Notarztversorgung, etwas das DRK oder die Johanniter“, stellt Agaplesion-Sprecher Mathias Gerwin klar.
Bethesda: Mediziner fahren bislang unter anderer Flagge
Das Bergedorfer Krankenhaus wird zunächst weiterhin nicht selbst Teil der Notarztversorgung, das etwas kleinere Geesthachter Johanniter-Krankenhaus verliert diese Rolle. Anders das größere Krankenhaus St. Adolf-Stift in Reinbek. „Wir bleiben Stützpunkt eines Stormarner NEF. Er wird wie seit Jahrzehnten von unseren Ärzten besetzt, ohne dass es dazu jeweils Neuausschreibungen bedurft hätte“, betont Sprecherin Andrea Schulz-Colberg.
Das Team hätte die Notarztversorgung im Süden des Kreises Herzogtum Lauenburg gern weiter betrieben, sagt Geschäftsführer Fabian Linke. Man habe „viel positives Feedback erhalten, wir akzeptieren aber die Entscheidung“.
Notarzt-Standort ohne kurzfristige Ausschreibungen
Für das Reinbeker Krankenhaus habe diese Entwicklung keine negativen Auswirkungen. Ein Stormarner NEF-Standort bleibe ja weiterhin am St. Adolf-Stift, so Linke: „Gleichzeitig verfügen wir über einen großen Zentral-OP mit vielfältigen Eingriffen, sodass wir für gut ausgebildete Anästhesisten weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.“
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Weniger gelassen fällt die Reaktion der Johanniter in Geesthacht aus. „Mit dieser Entscheidung wurde die komplette notärztliche Versorgung aus dem Kreis herausgegeben. Die Notarztstandorte beider Krankenhäuser im Kreis, des DRK Krankenhauses Mölln-Ratzeburg im Nordkreis und des Johanniter-Krankenhauses Geesthacht im Südkreis, werden nun durch Leistungserbringer anderer Regionen besetzt“, bedauert Krankenhaussprecherin Sylvia Ziesmann-Busche.
Geesthachter Johanniter: Neuvergabe schwächt medizinische Versorgung vor Ort
Der NEF-Standort Mölln/Ratzeburg wurde bereits vor zwei Jahren an das UKSH in Lübeck vergeben. Auf eine Neuausschreibung wurde – im Gegensatz zum Standort Geesthacht – für den Nordkreis diesmal jedoch verzichtet.
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In Geesthacht vermutet man vor allem finanzielle Gründe, die die Entscheidung gegen die örtlichen Krankenhäuser bedingt haben. Die neue Ausschreibung definierte gleichberechtigt neben dem „Konzept für die notärztliche Versorgung“ den Angebotspreis als Entscheidungskriterium, kritisieren die Johanniter. „Hinsichtlich der Preiskomponenten sind wir als gemeinnützige Gesellschaft (gGmbH) verpflichtet, ein kostendeckendes Angebot abzugeben.“ Das eigene Angebot habe „den Kostensteigerungen der letzten Jahre (Inflation, Tarifsteigerung) und der hohen Qualität Rechnung getragen“.
„Ob der Entschluss des Kreises, die Notfallversorgung aus dem Kreis zu geben beziehungsweise nicht mehr durch das eigene Krankenhaus zu gewährleisten, eine weitsichtige Entscheidung war, wird die Zeit zeigen“, so Ziesmann-Busch. Nach Auffassung der Geesthachter Johanniter, werde „diese Maßnahme die Krankenhäuser in der Region in jedem Fall schwächen. Weil unter den neuen Rahmenbedingungen weniger ärztliches Personal vorgehalten werden kann und die Attraktivität für den Standort und die Region sinkt“.