Hamwarde. Beispiel Schützenverein Hamwarde: Der Club hat ein massives Nachwuchs-Problem. Nach dem Amoklauf dürfte es sich weiter verschärfen.
Wenn am 8. Juli in Hamwarde Dorffest gefeiert wird, dann wird auch der heimische Schützenverein Hamwarde wieder dabei sein. „Wir bieten dort Laserschießen und Bogenschießen an, um die Menschen auf unseren Sport aufmerksam zu machen“, erläutert der 1. Vorsitzende Harald Dudde. Im Jahr 2007 nahm Matthias Penzlin auf einem dieser Dorffeste zum ersten Mal einen Bogen in die Hand. Der Sport gefiel ihm, er blieb dabei, hatte Talent, trainierte täglich und gewann 2009 Bronze bei deutschen Meisterschaften, 2015 dann sogar Gold. So schnell geht das manchmal in Hamwarde.
Doch abseits des Dorffestes gibt es nur wenige Möglichkeiten, neue Mitglieder zu werben. „Wir haben ein Nachwuchsproblem“, berichtet der 2. Vorsitzende Dr. Gernot Bock. „Unter unseren 188 Mitgliedern sind nur 18 Jugendliche.“ Fast jeder vierte Aktive in Deutschland ist dem Schießsport in den vergangenen 25 Jahren verloren gegangen, von 1,6 Millionen Schützen (1998) sankt die Zahl bundesweit auf 1,3 Millionen.
Sportschützen: Ein einziger Moment entscheidet über Erfolg und Misserfolg
Schützen lieben es, wenn ihnen schwarz vor Augen wird. Das ist der Moment, wenn das Zentrum der Zielscheibe im Visier sichtbar wird, wenn die Konzentration ihr Maximum erreicht, der Augenblick des Abdrückens, der über Sieg und Niederlage entscheidet. Diese Faszination hat Dudde und Bock nicht mehr losgelassen, seitdem sie diesen Sport für sich entdeckt haben.
Doch mit dem Schießen ist das so eine Sache. Auf der einen Seite hat der Sport in Deutschland eine lange Tradition und ist allgegenwärtig: Rund 1000 Mal gibt es die „Schützenstraße“ in den Städten und Gemeinden. Auf der anderen Seite jedoch ist Schießen eine Randsportart mit einem massiven Imageproblem.
Bei Eltern und Lehrern seit Winnenden einen schweren Stand
Erst recht, seitdem es bei mehreren Amokläufen Verbindungen zur Sportschützen-Szene gab: 2007 in Winnenden plünderte ein 17-Jähriger den Waffenschrank seines Vaters und stürmte seine ehemalige Schule. Es ist ein Fall, der dem Schießsport bis heute nachhängt, das Werben um Nachwuchs fast unmöglich gemacht hat. „Vor allem bei Eltern und Lehrern haben wir seitdem einen schweren Stand“, ist sich Bock bewusst.
Es blieb nicht der einzige Fall. 2019 erschoss ein Rassist, der Mitglied eines Schützenvereins war und dort regelmäßig trainierte, in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund. Zwei Jahre später verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf besagten Verein und hinterließen ein Bekennerschreiben, in dem sie Hass auf den Schießsport als Motivation für ihre Tat angaben.
Innenministerin Nancy Faeser will Gesetz verschärfen
Nun soll beim Anschlag vergangene Woche in Alsterdorf der Täter erneut ein Sportschütze gewesen sein. Die Reaktionen in den Medien sind massiv. „Es reicht! Entwaffnet die Sportschützen. Bevor noch mehr Menschen sterben“, fordert Kerstin Herrnkind im „Stern“. „Wie viele Menschen müssen noch sterben, damit die Politik endlich begreift, dass Waffen nicht in die Hände von Privatleuten gehören?“
Die Politik hat sich des Themas bereits angenommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat angekündigt, das Waffenrecht auf mögliche Lücken überprüfen zu wollen und einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, um es weiter zu verschärfen.
Psychologischer Test bald für jeden, der eine Waffe besitzen will?
Mögliche Ansatzpunkte: Künftig soll jeder, der eine Waffenbesitzkarte beantragt, hinsichtlich seiner psychologischen Eignung überprüft werden. Bislang ist dies nur bei Unter-25-Jährigen der Fall. Zudem sollen die Behörden besser vernetzt werden, um leichter verfolgen zu können, wenn Waffenbesitzer ihren Wohnort wechseln. Veränderungen, die Harald Dudde und Gernot Bock durchaus begrüßen würden. Doch Spielraum für weitere Verschärfungen sehen sie kaum.
„Das Problem ist die Kontrolle“, betont Dudde. Bei 1,3 Millionen Schützen würde es 35 Jahre dauern, bis alle einmal dran waren, wenn die Polizei 100 Schützinnen und Schützen pro Tag kontrolliert. „Ich habe seit 28 Jahren eine Waffenbesitzkarte und bin bislang erst ein einziges Mal kontrolliert worden“, erzählt der 1. Vorsitzende Harald Dudde.
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Gernot Bock ist seinem Sport sogar schon seit 50 Jahren treu. „Ich habe mit 14 Jahren angefangen“, erinnert sich der 64-jährige. „Damals hat man das Kleinkalibergewehr zu Hause noch unter das Bett geschoben.“ Heute sei alles sehr viel restriktiver, führt der 2. Vorsitzende weiter aus. So müssen Sportschützen ihre Waffen zu Hause in abschließbaren Waffenschränken aufbewahren und dürfen sie auch nur verschlossen in einem Koffer oder in einer Tasche transportieren. Erst auf der Schießanlage darf die Waffe – das Sportgerät – dann herausgeholt werden. Das ist der Unterschied zwischen einer Waffenbesitzkarte, wie sie Sportschützen haben, und einem Waffenschein, wie ihn Menschen besitzen, die ihre Waffen beruflich benötigen, also etwa Polizisten. Diese dürfen ihre Waffe in der Öffentlichkeit tragen.
Neulinge dürfen erst einmal nur mit Luftdruck-Waffen schießen
Doch selbst der Weg zu einer Waffenbesitzkarte ist sehr weit. „Neulinge schießen bei uns erst einmal nur mit Luftdruck-Waffen“, erläutert Dudde. „Wir müssen den Menschen ja erst kennenlernen.“ Erst nach einem Jahr kann dann eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt werden, die von der Waffenbehörde (Hamburg), beziehungsweise den Ordnungsämtern (Schleswig-Holstein) erteilt wird. Wer es schließlich zu einer eigenen Waffe gebracht hat, muss auch weiterhin unter Beweis stellen, dass er charakterlich dazu geeignet ist, diese zu besitzen. Wer zum Beispiel dabei erwischt wird, wie er betrunken Auto fährt, verliert automatisch auch seine Waffenbesitzkarte.
„Daher verstehe ich die ganze Diskussion nicht“, betont Dudde. „Es ist nicht so, dass wir in Deutschland einfachen Zugang zu Waffen haben.“ Doch so oder so dürften auf die Schützenvereine nun schwierige Zeiten zukommen, ganz egal, was die Politik irgendwann entscheidet. „Diese Diskussion ist für unseren Sport allein schon ein Schlag ins Kontor“, betont Bock. Doch trotz aller Rückschläge werden die Hamwarder auch weiterhin für das Sportschießen werben, nach neuen Mitgliedern suchen und dem nächsten deutschen Meister. Vielleicht findet der sich ja schon beim kommenden Dorffest im Juli.