Schwarzenbek. Politiker tagen virtuell, Rathaus-Termine gibt’s online, eingekauft wird per Mausklick: Corona-Pandemie beschleunigt die Entwicklung.

Digitale Turnhalle, virtuelle Spaziergänge durch Geschäfte, Podcasts aus der Stadtbücherei und bald auch noch Online-Termine bei der Stadtverwaltung und Videositzungen der Politiker: Wohl keine andere Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg hat auf unterschiedlichsten Ebenen so massiv den Weg in die digitale Transformation beschritten wie Schwarzenbek.

„Wir haben die Pandemie als Chance genutzt, die Digitalisierung voranzutreiben und machen riesige Schritte nach vorn. Fast alle Mitarbeiter sind im Homeoffice. Wir haben alleine dafür 31 zusätzliche Laptops angeschafft. Die Kommunikation war anfangs schwierig, und wir müssen auch jetzt immer wieder nachsteuern, weil wir täglich dazulernen. Aber es klappt“, sagte Bürgermeister Norbert Lütjens am Donnerstagabend im Hauptausschuss. Kreisweit ganz weit vorn wird die Stadt in etwa zwei Wochen sein, wenn der Testlauf für sogenannte Hybrid-Sitzungen der Ausschüsse beginnt.

Videositzungen der Politik: Hauptausschuss ebnet Weg

Neue Technik soll es ermöglichen, dass die Politiker bei den Beratungen künftig entweder im Festsaal des Rathauses auf ihren Plätzen sitzen oder aber vom heimischen Sofa aus per Videoschalte teilnehmen und auf der großen Leinwand zu sehen sein werden. Auch die ­Zuhörer können entweder in den Saal kommen – maximal zehn Plätze stehen bereit – oder vom heimischen Computer aus die Sitzung verfolgen.

Während viele Kommunen in den vergangenen Wochen die Möglichkeit genutzt haben, ihre Hauptsatzungen dahingehend zu ändern, dass Videositzungen grundsätzlich möglich sind, aber noch nicht wissen, wie sie dies technisch umsetzen sollen, ist Schwarzenbek einen großen Schritt weiter. Die Politiker im Hauptausschuss haben am Donnerstagabend sowohl der erforderlichen Änderung der Hauptsatzung zugestimmt als auch die Anschaffung der notwendigen Technik sowie die Hilfe eines externen Dienstleisters befürwortet. So weit ist noch keine andere Kommune im Kreis.

Tontechnik im Festsaal erhält neues Schaltpult

„Wir sind noch in Gesprächen mit unserem EDV-Dienstleister Dataport, wie die Kombination aus Videokonferenz und Streaming technisch funktionieren könnte“, sagte Kreissprecher Tobias Frohnert. Ähnlich sieht es in anderen Kommunen aus. Dagegen hat Schwarzenbeks Verwaltungschef, der selbst Tontechniker und Musiker ist und sich mit digitalen Formaten bestens auskennt, gemeinsam mit einer externen Firma einen gangbaren und vor allem finanzierbaren Weg gefunden.

Erste Erfahrungen hat die Stadt mit diesem Format zur Bürgermeisterwahl im September vergangenen Jahres gesammelt. Norbert Lütjens und sein Gegenkandidat Matthias Schirmacher hatten sich bei zwei Vorstellungsrunden präsentiert, Marc Ziertmann vom Städteverband moderierte. Das Besondere: Weil nur jeweils 70 Zuschauer wegen der Corona-Abstandsregeln teilnehmen durften, hat die Stadt die beiden Vorstellungsrunden von einem professionellen Anbieter streamen und ins Internet stellen lassen. Das hatte allerdings einen fünfstelligen Betrag gekostet.

Bürgermeister mahnt zum Handeln: „Wir müssen schnell sein“

Bürgermeister Norbert Lütjens ist gelernter Tontechniker, kennt sich also bestens aus.  
Bürgermeister Norbert Lütjens ist gelernter Tontechniker, kennt sich also bestens aus.   © Unbekannt | Elke Richel

„Solche Summen kamen für die Hybrid-Konferenzen der Ausschüsse nicht infrage. Selbst bei einem gestrafften Beratungsprogramm kommen wir auf 15 bis 16 Sitzungen im Jahr“, sagte Norbert Lütjens. Damit lägen die Kosten schnell im sechsstelligen Bereich. „Ich glaube, dass wir ein Modell gefunden haben, bei dem solche Hybrid-Sitzungen mit gewissen qualitativen Abstrichen funktionieren“, so der Verwaltungschef. Je nach Anbieter wird die Technik zwischen 2800 und 4000 Euro kosten.

„Wir brauchen eine Kamera und ein Kondensatormikrofon im Raum. Dazu zwei leistungsfähige Rechner. Einer streamt die Veranstaltung, der andere dient dazu, die Moderation der Wortbeiträge zu übernehmen. Allerdings wollen alle Kommunen und Firmen jetzt etwas machen, um Homeoffice und Online-Konferenzen zu organisieren. Die Technik ist derzeit schwer verfügbar. Wir müssen also schnell sein“, mahnte der Verwaltungschef.

Tontechnik im Festsaal erhält neues Schaltpult

Das sahen die Politiker offensichtlich auch so. Sie stimmten der Anschaffung der Technik ebenso zu wie der Aufrüstung der Tontechnik im Festsaal. Es soll ein neues Schaltpult geben, das die Steuerung der Mikrofone automatisch übernimmt, ohne dass der Hausmeister wie bisher als Tontechniker fungieren muss. Zusätzlich zu den vier vorhandenen Funkmikrofonen sollen fünf weitere angeschafft werden. Mehr als neun Mikrofone lassen sich mit der Technik nicht verbinden. Kostenpunkt: 4500 Euro.

Für die geplanten Hybrid-Sitzungen bietet der Festsaal gute Voraussetzungen, ähnlich wie sie der Saal in Schröders Hotel das für die Kandidatenvorstellungen zur Bürgermeisterwahl bot. Beide haben eine leistungsstarke Beleuchtungsanlage, die sonst für Theateraufführungen und Konzerte genutzt wird. Gutes Licht ist auch für das Streamen von Sitzungen erforderlich. Außerdem gibt es die entsprechende Tontechnik mit Mikrofonen und Lautsprechern.

Videositzungen: Testlauf in den kommenden Tagen geplant

„Die Wortbeiträge werden zu hören sein. Man bekommt auch einen Eindruck vom Saal. Man wird aber nicht jeden einzelnen Politiker im Detail sehen können. Zuhörer, die keinen Zugang zum Internet haben, können weiterhin persönlich zu den Sitzungen kommen. Wie es mit der Einwohnerfragestunde gehen kann, müssen wir noch klären. Überhaupt sind viele Details noch im Fluss“, sagte der Bürgermeister.

Bereits in den nächsten Tagen soll es einen Testlauf mit geliehener Technik von der Partnerfirma geben. Parallel will die Stadt eigene Technik anschaffen, die nach Corona auch für andere Zwecke genutzt werden kann. Denn bei der Übertragung muss auch ein Techniker anwesend sein, der das nötige Know-how mitbringt, Aufbau und Funktionalität überwacht. Dafür werden pro Veranstaltung voraussichtlich 350 bis 450 Euro fällig. „Das ist vergleichsweise günstig. Bei einem professionellen Veranstaltungstechniker werden teilweise wesentlich ­höhere Beträge fällig“, so Lütjens. Trotzdem würde die technische ­Betreuung im Jahr mit etwa 5500 Euro zu Buche schlagen.

Hohe Kosten: Videositzungen erst einmal nur in Pandemie-Zeit geplant

„Es ist davon auszugehen, dass wir die Videositzungen etwa ein Jahr anbieten müssten, dann sollte die Pandemie überwunden und die Bevölkerung durchgeimpft sein. Um solche Sitzungen dauerhaft anzubieten, würden zu hohe Kosten entstehen“, so Lütjens.

Derweil geht die Digitalisierung aber auch im Rathaus mit großen Schritten weiter. Besprechungen finden nur noch online statt, um das Infektionsrisiko zu senken. Das gilt auch dann, wenn sich die Beteiligten im Rathaus befinden. Im nächsten Schritt soll im Februar die gesamte Terminvergabe auf ein Online-System umgestellt werden. Im Laufe des Jahres können auch viele Anträge digital gestellt und bearbeitet werden.

Virtuelle Sporthalle des TSV Schwarzenbek preisgekrönt

Leiterin Patricia Fasheh und Oke Simons, Geschäftsführer der Büchereizentrale, konnten sich schon im Februar 2020 über die Modernisierung der Schwarzenbeker Bücherei freuen.
Leiterin Patricia Fasheh und Oke Simons, Geschäftsführer der Büchereizentrale, konnten sich schon im Februar 2020 über die Modernisierung der Schwarzenbeker Bücherei freuen. © Unbekannt | Marcus Jürgensen

Derweil arbeitet auch die Stadtbücherei verstärkt mit Podcasts zu Themenkomplexen wie Romanen, Demokratie, Gaming oder Nachhaltigkeit. Auch die Gleichstellungsbeauftragte Petra Michalski hat angekündigt, dass sie künftig Podcasts anbieten will. „Wir erreichen auf diesem Weg ganz andere Zielgruppen“, so Lütjens. Da die Präsenzjugendarbeit wegen des Lockdowns ruht, hat das Team vom Jugendtreff ebenfalls digitale Angebote unter anderem im Kreativbereich ins Programm aufgenommen.

Aber nicht nur das Rathaus wird zunehmend digital. Der TSV Schwarzenbek setzt mit seinen aktuell 2200 Mitgliedern verstärkt auf digitale Formate. Seit Jahresbeginn gibt es täglich vier Online-Kurse mit Gymnastik, Fitness und Seniorenturnen. Seit Ende des vergangenen Jahres hat der Sportverein eine sogenannte virtuelle Turnhalle, in der Besucher online Fitnessübungen finden und sich über die einzelnen Abteilungen des TSV informieren können. Die Idee ist von der Sportjugend Schleswig-Holstein ausgezeichnet worden.

Lokale Händler und Unternehmen präsentieren sich im Netz

Der Einzelhandel hat aus der Not geschlossener Geschäfte mittlerweile weitgehend eine Tugend gemacht und auf Online-Shops, „Click-Pick“-Abholsysteme und virtuelle Rundgänge umgestellt. Dabei unterstützt die Händler seit Anfang November 2020 auch das von TSV-Geschäftsführer Florian Leibold und Unternehmer Sebastian Scholz gegründete Portal „Locals“ mit dem digitalen Stadtverzeichnis www.locals-schwarzenbek.de.

Mit einem reinen, textbasierten Verzeichnis der lokalen Händler, Unternehmen und Vereine hat das Portal aber wenig zu tun. Es bietet mehr, auch multimedial. Leibold und Scholz wollen die Vielfalt ihrer Stadt auf ihrer Webseite darstellen, aber auch Schwarzenbek digital voranbringen. Dafür arbeiten sie aktuell an einer umfassenden Datenbank rund um den Sport. Sportarten, Mannschaften, Gruppen, Spielstärken und Spielstätten – alles soll auf der Seite zu finden sein. „Wer mit seinem ­Angebot nicht gelistet ist, kann sich ­direkt bei uns melden“, sagt Florian Leibold.

Digitale Kooperation mit der Wirtschaftlichen Vereinigung im Gespräch

Florian Leibold (l.) und Sebastian Scholz haben das digitale Stadtverzeichnis „Locals“ ins Leben gerufen. Das Portal wächst kontinuierlich.
Florian Leibold (l.) und Sebastian Scholz haben das digitale Stadtverzeichnis „Locals“ ins Leben gerufen. Das Portal wächst kontinuierlich. © Unbekannt | Maaß

Er und Marketing-Experte Sebastian Scholz sind zufrieden mit der Entwicklung. „Es ging bisher alles sehr schnell“, sagt Leibold. In wenigen Tagen haben sie kurz vor dem harten Lockdown im Dezember noch einen virtuellen Rundgang durch das erst im August eröffnete Spielwarenparadies Kids World gedreht. „Viel Zeit war nicht, aber wir wollten unbedingt unsere Einzelhändler in dieser für sie besonderes harten Zeit unterstützen“, sagt Leibold. Durch das Video konnten sich Kunden ein Bild vom Angebot machen und Spielwaren bestellen.

„Es hat schon einiges in Gang gesetzt“, sagt Leibold. Die beiden ­„Locals“ leben in Schwarzenbek und wollen mit ihrer Seite dafür sorgen, dass die Menschen lokal vor Ort einkaufen statt bei großen Online-Händlern. Zurzeit finden Gespräche über mögliche Kooperationen mit der Wirtschaftlichen Vereinigung der Stadt statt. „Unsere Seite ist nichts anderes als Stadtmarketing, was es so konzentriert noch nicht gibt. Dadurch sind wir für die lokale Wirtschaft interessant“, sagt Leibold. Als nächster Schritt ist angedacht, die kommunale Politik auf der Seite zu integrieren: Parteien und Fraktionen können sich bürgernah und unbürokratisch vorstellen.

Noch arbeiten „Locals“ größtenteils auf eigene Kosten

Noch arbeiten die „Locals“ meist ehrenamtlich und auf eigene Kosten. Geld fließt nur über Unternehmen, die sich auf der Internetseite als Partner präsentieren können und für 200 Euro pro Halbjahr einen individuelleren Auftritt kaufen können sowie einen Blogartikel bekommen. „Aber ein Eintrag mit einem Unterverzeichnis wird auch weiterhin bei uns kostenlos bleiben“, verspricht Leibold. Die Nachfrage ist da. Fast täglich bekämen sie Anfragen von Unternehmen und Gruppen, die noch nicht gelistet sind oder Änderungen in ihrem Online-Auftritt wünschen.

„Wir wurden gefragt, ob wir das Projekt nicht auf den gesamten Kreis ausweiten können“, verrät Leibold. Zu zweit fehle dafür die Manpower. Leibold: „Erst mal kümmern wir uns nur um unsere Stadt!“