Geesthacht. Für Thomas Vagedes (62) ist im März Schluss. Er sagt dem Mehrgenerationenhaus und der Stadt Tschüs. Seine Bilanz ist beeindruckend.
„Viele schätzen mich noch auf Anfang 50“, sagt Thomas Vagedes und schmunzelt. Umso überraschender für viele, was der Leiter des Geesthachter Oberstadttreffs am Dialogweg nun verkündet: Er geht in Rente. Schon am 18. März ist der letzte Arbeitstag des in der Tat deutlich jünger wirkenden 62-Jährigen; so ist es geplant. Dass er dem Nachfolger oder der Nachfolgerin bei der Übergabe noch die Hand schütteln wird, ist unwahrscheinlich. Eine neue Leitung sucht die Stadt gerade erst in einer internen Ausschreibung.
Für die meisten dürfte das schwer vorstellbar sein, der Oberstadttreff ohne Thomas Vagedes. Denn er hat ihn mit aufgebaut und erst zu dem gemacht, was er heute ist: ein Haus für alle Generationen. Die Erfolgsbilanz ist beeindruckend. Waren es nach einem Jahr des Bestehens Ende 2003 noch 23 Gruppen, so nutzen aktuell sogar mehr als 40 Gruppen den Oberstadttreff.
Oberstadttreff: Thomas Vagedes geht im März in Rente
„Wir haben eine Maximalauslastung von 16 Stunden. Wer hat das schon?“, fragt Vagedes. Es kämen mittlerweile 30.000 Besucher pro Jahr. Das sei ein hoher Durchlauf bei hoher Auslastung. Trotzdem seien Zuschüsse nötig, sagt er. So ein Haus könne man nicht ohne Defizit betreiben. „Dann säße ich hier alleine.“ 150.000 bis 160.000 Euro ist die Einrichtung der Stadt jährlich wert.
Vor 18 Jahren sah Thomas Vagedes die Annonce für den Posten als Leiter des Oberstadttreffs in einer Lüneburger Lokalzeitung. „Ich dachte sofort, das ist meine Stelle“, erzählt er. Die Beschreibung fasste alles zusammen, was ihn bewegte. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann 1979 begann der gebürtige Münsteraner ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Kiel. Studienkollegen brachten ihn dazu, in Schulklassen zu gehen und für Teambuilding-Maßnahmen zu coachen. „Diese pädagogische Arbeit hat mir Spaß gemacht“, erinnert er sich.
Gebürtiger Münsteraner setzte sich gegen 40 Mitbewerber durch
Nach dem Studium machte er bei der Arbeitsagentur einen Test. Sein Ziel war, herauszufinden, in welche Richtung es beruflich für ihn wirklich gehen sollte. Der Test war eindeutig. „Es kam etwas Soziales dabei heraus“, sagt Vagedes. Also nahm er ein Studium der Sozialpädagogik in Lüneburg auf. In der Region fand er auch sein Zuhause, dort wohnt er immer noch. Nach dem Abschluss arbeitete er unter anderem bei Bildungsangeboten mit und machte „klassische Sozialarbeit“ in der Kinder- und Jugendhilfe.
Diese Kombination beeindruckte auch die Stadt Geesthacht. Genau so etwas sollte der Oberstadttreff leisten: soziale Integration, Vereinen ohne Heimat ein Zuhause geben und ein Angebot an Veranstaltungen machen. Thomas Vagedes setzte sich gegen 40 Mitbewerber durch. Im Dezember 2002 war Eröffnung, ein halbes Jahr vorher im Juni hatte er angefangen. Zunächst als Einzelkämpfer. „Ziemlich schnell war klar, dass wir personell an die Grenze kommen“, schildert Vagedes.
Verabschiedung mit einem persönlichen Brief
Mittlerweile gibt es drei weitere Festangestellte, drei Bufdis und vier Mitarbeiter basierend auf ehrenamtlicher Tätigkeit. Als Mitarbeiterin auf 450-Euro-Basis beginnt zudem Svea Winter am 15. Januar im Rahmen des Bundesprojektes Mehrgenerationenhäuser eine Tätigkeit im Sekretariat. Eine weitere Veränderung: Uschi Rösler ist nun auch im Ruhestand, dafür ist Ingrid David neu im Team.
Von den Gruppen hat er sich bereits mit einem persönlichen Brief verabschiedet, nicht bloß in einer Mail. Und für Menschen, die persönlich Tschüs sagen wollen, will er sich die Zeit nehmen – trotz Corona.
Rückkehr in Oberstadttreff für künftige Musikauftritte möglich
Die neue Freizeit ab März hat sich Thomas Vagedes bereits mit Spaziergängen in der Göhrde mit Frau und Hund gut überlegt. Dazu ein bisschen Musik machen, in der Nähe von Hitzacker will er ein Waldhäuschen vermieten. Die Nachfrage, ob er bei einem Dorfentwicklungsprojekt mitmachen will, liegt auch schon vor.
Auch eine Rückkehr nach Geesthacht ist wahrscheinlich. Mit dem Chor LoChormotion aus Lüneburg stand er schon einmal am 7. März im vergangenen Jahr auf der Bühne des Oberstadttreffs. Vagedes singt dort mit und spielt Klavier. Das hat er wieder vor. „Ich bin gespannt, was das für ein Gefühl sein wird, hier als Gast zu sein“, sagt er.
Projektidee des Mehrgenerationen-WG blieb auf der Strecke
Eine Vision indes ist unvollendet geblieben. Thomas Vagedes hätte gern irgendwann noch ein Mehrgenerationenwohnhaus realisiert, ein solches Vorbild existiert in Salzgitter. Ein Gebäude mit Kita und Altersdemenz-WG, zudem Kleingewerbe. Auf der Fläche rechts direkt neben dem Oberstadttreff könnte das Haus stehen. „Wenn ich noch mal hier anfangen könnte, würde ich das Projekt ganz nach oben stellen“, sagt er.