Geesthacht. Betriebe schlagen Alarm: Es mangelt an Personal. Und dann werben sich die Wirte auch noch gegenseitig die Leute ab.

Kaum sind nach der monatelangen Schließung Hotels und Restaurants im Kreis Herzogtum Lauenburg mit Auflagen wieder geöffnet, folgt die nächste Krise: Es gibt kein Personal für Küche und Service. Viele Mitarbeiter haben sich in den vergangenen Monaten Jobs in anderen Branchen gesucht und fehlen nun – und das mitten in der Hochsaison.

„Die Stammkräfte konnten wir zum Glück halten, auch durch extra Zuwendungen“, sagt Thomas Fabel, Betriebsleiter des Geesthachter Restaurants „Speisekammer“ an der Bergedorfer Straße. Drei Mitarbeiter hat er im Service, einen in der Küche. Aber das reiche nicht. Trotz intensiver Bemühungen, Aushilfen zu finden, sei die personelle Situation spürbar angespannt.

Die Konsequenz: Die Öffnungszeiten für das Restaurant und den Biergarten mussten reduziert werden. „Es geht nicht mehr ums Geld“, sagt Fabel. Es kämen überhaupt keine Bewerbungen rein. „Viele, die sich einen neuen Job gesucht haben, haben das süße Leben gekostet mit pünktlichem Feierabend und freien Wochenenden“, vermutet Fabel.

Besonders im Service herrscht Personalmangel

Auch Thomas Timm, Inhaber des Hotel Bellevue in Lauenburg, ist betroffen. Noch vor wenigen Wochen fehlten ihm Fachkräfte in allen Bereichen – von Küche über Housekeeping bis Service und Garten. „Drei meiner Mitarbeiter waren in Kurzarbeit und sind am Ende abgesprungen“, berichtet er. Zusätzlich habe eine der beiden Auszubildenden den Vertrag gekündigt. Mittlerweile sei die Küche glücklicherweise wieder gut besetzt, aber im Service herrsche noch immer akuter Personalmangel, sagt Timm.

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Aber auch wenn er Servicekräfte gefunden habe, bleibe es problematisch. „Es herrscht aktuell ein großer Abwerbedruck in der lokalen Gastronomie“, beklagt er. Er investiere viel Zeit und Mühe in die Einarbeitung der Mitarbeiter mit dem Wunsch, sie an den Betrieb zu binden. „Wenn ich aber immer damit rechnen muss, dass die Aushilfe kurzfristig kündigt, führt das zu großer Unsicherheit“, gibt er zu.

Beschäftigte kommen mit Kurzarbeitergeld nicht über die Runden

„Das Gastgewerbe blutet seit Beginn der Pandemie personell aus. Dringend gebrauchte qualifizierte Kräfte sind in andere Branchen abgewandert“, konstatiert auch Silke Kettner von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Nach Angaben der Arbeitsagentur haben im Kreis Herzogtum Lauenburg allein zwischen Juni 2019 und Juni 2020 rund 400 Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen – das ist jeder siebte Arbeitnehmer. Kettner macht für die Situation insbesondere die Einkommenseinbußen durch das Kurzarbeitergeld verantwortlich. Angesichts der niedrigen Löhne im Hotel- und Gaststättengewerbe kämen die Beschäftigten selbst mit 80 Prozent des Kurzarbeitergeldes, das ab dem siebten Bezugsmonat gezahlt werde, nicht über die Runden – und seien dazu gezwungen, sich beruflich umzuorientieren.

Eine gelernte Köchin kommt nach NGG-Angaben in Schleswig-Holstein lediglich auf einen Verdienst von 10,69 Euro pro Stunde. Ungelernte Kräfte lägen bei einem Stundenlohn von 9,71 Euro. „Schon vor Corona waren die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe alles andere als rosig. Die Betriebe haben es versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, so Kettner.

„Die Pandemie hat die Situation nur verschärft“

Die Dehoga-Kreisvorsitzende Anke Asmus weiß um die angespannte Situation, weist aber darauf hin, dass der aktuell beklagte Personalmangel schon vor der Pandemie gravierend war. „Die Pandemie hat die Situation nur verschärft“, sagt sie. Im Grunde beginnt das Problem bereits bei der Ausbildung. „Es entscheiden sich immer weniger Schulabgänger für die Gastronomie und Hotellerie“, weiß Thomas Timm, der Ausbildungsbeauftragter in der Dehoga ist. Obwohl das Berufsbildungszentrum in Mölln seit dem Schuljahr 2020/21 erstmals neben Köchen auch Restaurant- und Hotelfachkräfte ausbildet, findet sich kaum Nachwuchs.

Abschreckend für viele junge Leute sind in erster Linie die Arbeitszeiten. „Die jungen Leute wollen an den Wochenenden feiern gehen und nicht arbeiten“, weiß Asmus. Dabei habe der Beruf so viele positive Seiten, unterstreicht sie. „Der Job ist sehr vielfältig“, sagt sie. „Man hat mit Menschen zu tun, und er ist international. Wer in der Gastronomie oder Hotellerie arbeitet, findet in jedem Land einen Job.“