Geesthacht. Salih Kaman bezog mit seiner Familie das alte Haus des Teppichfabrik-Gründers Hubertus Rösel. Er steckte viel Arbeit in den Umbau.

Viel hätte nicht gefehlt, und Familie Kaman wäre nicht in ihr heutiges Domizil an der Düneberger Straße gezogen. Der Stein des Anstoßes war in diesem Fall ein Klumpen Moos. Er verhinderte, dass Cangül Kaman im Winter 2017 die Pforte aufschieben konnte, um das alte Haus zu besichtigen. Bewohnt hatte es bis Ende 2006 Hubertus Rösel, der Gründer der Teppichfabrik in Düneberg, deren stillgelegte Hallen auf der anderen Straßenseite hinter den Kiefern liegen. Der Fabrikant starb mit 92 Jahren. Seitdem stand das Haus mit der einen Hälfte leer. Im Nebenteil hat die ehemalige Prokuristin der Fabrik lebenslanges Wohnrecht.

„,Hier ziehst Du nicht ein’, habe ich gedacht“, schildert Cangül Kaman ihren ersten Gedanken. „Es sah aus wie ein Hexenhäuschen.“ Moos gab es reichlich vor dreieinhalb Jahren, der Garten bestand aus nichts anderem. Und Efeu. Das Haus lag verborgen darunter.

Düneberg: Aus Hexenhäuschen wird märchenhaftes Eigenheim

Der Gründer der Teppichfabrik Hubertus Rösel lebte im Haus an der Düneberger Straße 81 bis zu seinem Tod 2006.
Der Gründer der Teppichfabrik Hubertus Rösel lebte im Haus an der Düneberger Straße 81 bis zu seinem Tod 2006. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Liebe auf den ersten Blick war es also nicht zwischen der Frau von Salih Kaman und ihrem heutigen Heim. Bei ihrem Mann schon. Und deshalb redete er ihr gut zu damals. Innen sah das Haus deutlich besser aus, als der verwilderte Garten es befürchten ließ. Hohe Decken mit Stuck, eine Handvoll Möbel, die verträumt an Ort und Stelle verblieben waren. Und weißer Teppich, soweit das Auge reichte. Flächendeckend, sogar im Bad. Der Teppichunternehmer war auch im eigenen Heim ein Teppichfan. Nur die Tapete brachte Salih Kaman ins Grübeln. „Ich dachte, das ist ja ein tolles Muster“, erzählt er. Das sich dann aber als die Wurzeln der Rankpflanze entpuppten, die durchs Mauerwerk gewachsen war.

Die Schäden hielten sich in Grenzen. Auch der Keller war trocken, ein Loch neben einem Außenrohr hatte für Luftzirkulation gesorgt. Die Kamans kauften das gesamte Anwesen von Insolvenzverwalter Udo Müller, der die Konkursmasse der Teppichfabrik zu Geld machte. Salih Kaman war kurz zuvor erstmals selbst im Haus gewesen. Ein Freund aus der Geesthachter Makler-Branche hatte für den Insolvenzverwalter aus Hannover ein Auge auf die Immobilie geworfen. Er bat Kaman, im Winter nach dem Rechten zu sehen. Im leerstehenden Haus war die Heizung ausgefallen, der Heizöltank war leer. Salih Kaman stellte sechs Heizlüfter auf – ihr Betrieb sorgte für eine gesalzene Nachzahlung bei den Stromkosten.

Haus diente als Bürogebäude der Düneberger Pulverfabrik

Ein Bad hat der Vorbesitzer komplett in Rosa fliesen lassen.
Ein Bad hat der Vorbesitzer komplett in Rosa fliesen lassen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Salih Kaman erinnert sich, wie er früher zur Arbeit durch die Düneberger Straße fuhr und dabei oft Hubertus Rösel sah, der auf dem Weg in die Fabrik zu Fuß die Straße überquerte. Kaman – seine AfB Kaman Reha GmbH baut an der Mercatorstraße Fahrzeuge behindertengerecht um –, ist seit damals fasziniert von dem alten Haus.

1901 wurde es erbaut, diente zunächst als Bürogebäude für die Düneberger Pulverfabrik, die von 1876 bis 1945 bestand, und in deren Hallen die Nordpfeil-Teppiche ab 1951 zu einem Verkaufsschlager wurden. Die Originalpläne sind bei einem Brand zerstört worden. Salih Kaman hat sich von einem Architekten neue anfertigen lassen. Dabei hat sich herausgestellt: Die taxierte Wohnfläche von 200 Quadratmetern beträgt in Wirklichkeit 270 Quadratmeter.

Der Garten ist rund 3000 Quadratmeter groß

Hinter dem Haus war ein Park angelegt. Die Kamans wollen einem Teil des Areals die ursprüngliche Heidelandschaft zurückgeben.
Hinter dem Haus war ein Park angelegt. Die Kamans wollen einem Teil des Areals die ursprüngliche Heidelandschaft zurückgeben. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Fast vier Jahre später kann Cangül Kaman über die Moos-Anekdote nur lachen. Die Eheleute sitzen an ihrem Küchentisch, ganz genau so, wie bereits Hubertus Rösel hier gesessen hat. Nur weiß gestrichen sind die alten Möbel nun. Ihr Blick geht hinaus in den Garten, 3.000 Quadratmeter ist er groß. Das Moos ist verschwunden. Salih Kaman plant eine Streuobstwiese. Auf einem Teil des Areals soll eine Heide- und Dünenlandschaft entstehen, wie sie mal typisch war in Düneberg. Kaman hofft, das Bewässerungssystem des Vorbesitzers in Betrieb setzen zu können. Der Brunnen, der früher sprudelte, scheint wegen der Trockenheit der vergangenen Jahre versiegt zu sein.

Auch im Haus ist mittlerweile fast alles picobello. Im Erdgeschoss befinden sich vier Räume mit Gäste-WC, im ersten Stock drei Räume mit zwei Bädern, im Dachgeschoss ein Wohnraum, ehemals für das Dienstmädchen. „Ich bin seit drei Jahren ununterbrochen am Arbeiten“, sagt Salih Kaman. Gleich nach dem Einzug 2018 hat er angefangen. „Umgerechnet mit den potenziellen Arbeitskosten und mit dem Kauf hätten wir sicher eine Million Euro investiert“, sagt Kaman. Er hat in Hamburg Fahrzeugbau studiert, ist technisch versiert und konnte viele Arbeiten allein machen oder mit Hilfe der Familie. Für die Finanzierung seines Traumhauses verkaufte er seine acht Immobilien.

Vom Hexenhäuschen zum Traumhaus: viele Verkaufsanfragen

In Treppenhaus und allen Etagen ist flächendeckend Teppich verlegt.
In Treppenhaus und allen Etagen ist flächendeckend Teppich verlegt. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Ein Ärgernis sind die weißen Teppiche. Die Qualität ist bestechend, aber mittlerweile fleckig. „Wir hätten am liebsten alles herausgerissen“, meint Cangül Kaman. „Weiß ist schlecht bei zwei Kindern und  drei Hunden.“ Aber das Denkmalschutzamt will, dass, wenn ein Teppich entfernt wird, der Vorzustand mit Holzdielen wiederhergestellt wird. Von dieser Arbeit und den Kosten schrecken die Kamans noch zurück. Nur im Erdgeschoss war Salih Kaman schneller als die Behörde. Dort liegt Laminat. „Dann kam eine Frau vom Amt, hielt alles fotografisch fest“, erzählt Kaman.

Auch die alten, blauen und zerschlissenen Fensterläden sollten bleiben. Hier gibt es einen Kompromiss. Die Läden können abmontiert bleiben, dürfen aber nicht entsorgt werden. So lagern die wohl ältesten Fensterläden der Stadt gestapelt im Keller. Ein grüner Farbauftrag unter dem blauen lässt darauf schließen, dass sie aus der Zeit der kaiserlichen Jahrhundertwende stammen. 

Der schmucke Bau weckt mittlerweile Begehrlichkeiten. Salih Kaman bekommt immer wieder Anfragen für einen Verkauf. Aber hier wegzuziehen, das kommt für die Kamans nun nicht mehr infrage.