Geesthacht. Am 8. August wird in Geesthacht ein neuer Bürgermeister gewählt. Amtsinhaber Olaf Schulze spricht über die Entwicklung “seiner“ Stadt.

Dirk Schulz

Olaf Schulze ist leidenschaftlicher Radfahrer. Die Ortstermine in der Hafencity bei den Bombenentschärfungen klapperte Geesthachts Bürgermeister mit dem Rad ab. Auch in seinem Urlaub hätte der Drahtesel im Mittelpunkt gestanden. Der 53-Jährige wollte den Weserradweg von Kassel nach Bremen befahren. Wie aus so vielen Plänen wurde daraus wegen Corona nichts. Wir haben in unserem großen Jahresinterview mit dem SPD-Politiker, der sich 2021 zur Wiederwahl stellt, über die Auswirkungen der Pandemie und weitere Themen, die die Bewohner der Stadt bewegen, gesprochen.

Herr Schulze, wie sehr ist Geesthacht von der Pandemie betroffen?

Corona ist eine große Herausforderung. Der erste Lockdown hat uns alle überrascht. Für die Verwaltung war die Vorbereitungszeit sehr kurz. Manche Verordnungen haben wir nur über die Presse erfahren. Besonders was der Fachdienst Öffentliche Sicherheit alles leisten muss, sieht man oftmals gar nicht.

Wie hart treffen die finanziellen Auswirkungen die Stadt?

Wie seit 2017 immer ist unser Haushalt auch 2020 dank der Fehlbedarfszuweisung des Landes positiv. 2021 werden wir wahrscheinlich mit einem Defizit abschließen. Trotzdem haben wir beschlossen, unsere Projekte fortzusetzen, geplante Investitionen umzusetzen und auch im Bereich Sanierungen nicht sparen zu wollen. Die Wirtschaft braucht Aufträge von der öffentlichen Hand. Unser Defizit können wir aus den liquiden Mitteln ausgleichen.

Geesthacht wächst seit Jahren und hat derzeit knapp 31.000 Einwohner. Wie sehen Sie die Entwicklung der Stadt? Wie viele Menschen verträgt Geesthacht?

Wenn wir alles umsetzen, was wir in Planung haben, sind wir in zehn Jahren bei 33.000 bis 35.000 Einwohnern. Wir brauchen ein Stadtentwicklungskonzept und müssen genau überlegen, was wir noch wollen. Dafür müssen wir uns auch die B-Pläne in der Innenstadt anschauen. Die Fußgängerzone soll das Wohnzimmer der Stadt mit Verweil-Charakter werden. Dafür brauchen wir einen guten Geschäftsmix mit Nessler als wichtigem Anker.

Wie wollen Sie Leute zum Verweilen bringen?

Etwa mit einer Kulturnacht in den Läden, Musik am Freitag, Marktsonntagen oder dem Weihnachtsmarkt. Und wir müssen die Immobilienbesitzer ins Boot bekommen.

Wo ist aus Ihrer Sicht eine Verdichtung sinnvoll und wo nicht?

An den Hauptstraßen können wir verdichten. Dagegen kann ich es mir zwischen Geesthachter Straße und Neuer Krug nicht vorstellen.

Wie steht es um die Vonovia-Häuser in der Oberstadt am Barmbeker Ring? Dort steht doch eine Verdichtung im Raum.

Wir müssen sehen, ob wir da vielleicht noch ein bis zwei Mehrfamilien-Häuser reinbauen können.

Ist das sinnvoll? Der Stadtteil ist schon ein sozialer Brennpunkt. Müssten nicht höherwertige Wohnungen geschaffen werden?

Wir werden da keine Einzelhäuser reinbekommen, müssen aber hier ganz besonders über sozialen Wohnungsbau reden. Und wir müssen attraktiver werden, etwa in dem wir bessere Kinderspielplätze schaffen. Es laufen konstruktive Gespräche mit der Vonovia.

Apropos Gespräche. Wie steht es um das Gelände der ehemaligen Teppichfabrik? Da ist es zuletzt ja doch sehr ruhig geworden.

Wir versuchen weiter, dieses Gebiet mit dem Investor (Kurt-Peter Gaedecke, die Red.) zu entwickeln. Für „Wohnen im Stadtzentrum“ ist das Gebiet ideal. Wir bemühen uns weiterhin mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Wenn sich das so kompliziert darstellt. Warum hat die Stadt 2018 das Grundstück nicht selbst gekauft?

Weil wir als Stadt nur die Preise des Wertgutachtens bezahlen dürfen, der Insolvenzverwalter aber an den Meistbietenden verkauft hat. Außerdem müssten wir alle Gebäude sanieren, die teilweise auch unter Denkmalschutz stehen.

Wie sehr ärgert Sie der Stillstand?

Ich will es so sagen: Wir haben andere Projekte, die Wohnraum schaffen - in Besenhorst und Finkenweg-Nord zum Beispiel. Darum wäre es schön, wenn es auf dem Gelände der Teppichfabrik bald vorangehen würde und dort dann im Anschluss weiterer Wohnraum entstehen kann. Das würde gut in das zeitliche Konzept passen. Hier wäre es schon schön, wenn sich in absehbarer Zeit etwas entwickeln würde. Das würde gut in unser zeitliches Konzept passen.

Ein Projekt, wo sich viel tut, ist die Hafencity. Sind Sie mit dem Fortschritt zufrieden?

Es ist ein Vorzeigeprojekt. Auswärtige, die daran vorbeifahren, sind begeistert.

Es gibt aber auch Stimmen, die die Bebauung als viel zu dicht und monoton empfinden.

Über die Architektur gibt es immer unterschiedliche Meinungen. Ich finde es nicht zu eng. Bei den Elbterrassen II mit seiner U-Form gibt es schon mehr Freiraum. Ob noch mehr Freiflächen entstehen können oder ein Spielplatz beispielsweise, müsste mit der Politik diskutiert werden.

Was schwebt Ihnen für die andere Seite der Steinstraße vor? Dort werden ja bei Weitem nicht alle Industrieflächen genutzt.

Die Hafencity ist noch nicht fertig. Wir wollen ja jetzt ein Verkehrskonzept in Auftrag geben, dass gerade die Steinstraße und die ganze Innenstadt in den Blick nehmen soll. Ich gehe sehr offen an die Fragestellung heran, was wir mit dem Gebiet zwischen Steinstraße und Dünenstraße machen. Wir brauchen Gewerbeflächen und wir brauchen auch Wohnflächen. Wenn ich jetzt sage, die Steinstraße Nord wird auch für Wohnbebauung freigegeben, fragen Investoren gleich, wie hoch sie bauen dürfen. Wir wollen uns das aber in Ruhe angucken. Die Frage ist: Was kann dieses Gebiet noch ab?

Als die Steinstraße während Bauarbeiten Einbahnstraße war, durften Autofahrer durch die sonst für den Durchgangsverkehr gesperrte parallel verlaufende Dünenstraße fahren. Ist das nicht auch eine Lösung auf Dauer?

Das würde ja auch mehr Verkehr in der Bahnstraße nach sich ziehen. Generell brauchen wir einen Plan, wie wir die Verkehrsströme leiten. In diesem Zuge müssen wir überlegen: Wo führen wir den Radverkehr lang, den wir stärken wollen? Und wie stärken wir den ÖPNV?

Gutes Stichwort. Wie steht es denn um den Bahnanschluss? Die Eltern einer Freundin von mir haben nicht an der Bahntrasse gebaut, weil es hieß, sie würde reaktiviert. Die Eltern sind jetzt beide gestorben. Erleben Sie noch die Jungfernfahrt in der Bahn nach Bergedorf?

Wenn ich ein normales Alter erreiche, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Die Entscheidung habe ich nicht in der Hand. Das liegt an Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Machbarkeitsstudie, die aufzeigt, dass das ein positives Projekt ist, ist ein Erfolg. Wichtig ist, dass wir jetzt am Ball bleiben. Es sind aber noch ganz viele dicke Bretter zu bohren.

Ein anderes Dauer-Thema ist die Ortsumgehung. Fahren Sie eher in der Bahn nach Bergedorf oder mit dem Auto auf der Umgehungsstraße?

Die Umgehungsstraße geht 2021 in die Planfeststellung. Wenn man es mit dem Klimakonzept ernst meint und damit in der Metropolregion Hamburg jetzt zügig den ÖPNV und Schienenverkehr voranzubringen, kann ich mir vorstellen, dass wir vielleicht zügig mit der Bahnanbindung vorankommen. Aber vielleicht kommt die Umgehungsstraße einen Tick eher.

Müssen die Geesthachter auch solange warten, bis die B 5, die im Stadtgebiet teilweise in desolatem Zustand ist, saniert wird?

Nein. Die Planung liegt bei uns. Und dank einer neuen Stelle im Tiefbau, die wir in den Haushalt einbringen konnten, haben wir mehr Kapazitäten. Die B 5 wollen wir Stück für Stück machen, und generell auch mehr Straßen sanieren. Aber konkret: 2022 könnten wir über das nächste Stück Bundesstraße nachdenken.

Herr Schulze, 2021 wollen Sie erneut gewählt werden. Bahnanschluss, Umgehungsstraße und Co. klingt ja alles ganz toll. Aber sind das nur lose Wahlversprechen?

Die Projekte wurden in den letzten Jahren angestoßen und sind nur eine Fortführung dessen. Ich zaubere hier also nichts aus dem Hut oder gebe leere Wahlversprechen. Ich würde diese Projekte aber gerne noch weitere sechs Jahre begleiten und vorantreiben.