Geesthacht/Wentorf. Viele Kinder gehen nur selten in die Betreuung, aber ihre Eltern zahlen den vollen Satz. Der Grund dafür verärgert die Betroffenen.
Im Perspektivplan Schleswig-Holsteins für die Kita-Betreuung in Pandemie-Zeiten findet sich unter dem Punkt „Eingeschränkter Regelbetrieb“ ein Appell des Familienministeriums. „Betreuen Sie ihre Kinder, wenn immer möglich, zu Hause“, heißt es da sinngemäß. Verantwortungsbewusst wie sie sind, haben sich viele Eltern daran gehalten, obwohl Familien durch Corona besonders gebeutelt sind. Und nun das: Obwohl sie im „Eingeschränkten Regelbetrieb“ ihre gebuchten Zeiten bei Weitem nicht nutzen können, sollen sie den vollen Kita-Satz zahlen.
Dagegen laufen viele Eltern jetzt Sturm. „Ich empfinde das als eine grobe Ungerechtigkeit. Man ist als Eltern so ausgelaugt und ausgepowert, und das wird so wenig wertgeschätzt“, klagt Karen de Vries, deren Sohn Jonathan (4) in die Kita St. Petri am Worther Weg geht.
Kita-Gebühren trotz eingeschränkten Regelbetriebs
Der Spagat, den viele Familien betreiben, verdeutlicht das Beispiel von Melanie und Steffen Schmidt von der Kita St. Petri Am Spakenberg. Die Technikerin für Lacke arbeitet derzeit immer von 5 bis 13.30 Uhr in der Frühschicht, während ihr Mann mit Tochter Valerie (8) zu Hause den Heimunterricht erledigt. Um 14 Uhr holt Melanie Schmidt dann Tochter Madleena (4) aus der Kita ab. Dann beginnt Steffen Schmidt mit seiner Arbeit aus dem Homeoffice – die durchaus bis 21 Uhr gehen kann.
Vertraglich vorgesehen ist, dass Madleena täglich bis zu zehn Stunden im Elementarbereich der Kita sein dürfte. Dafür müssen die Schmidts 242 Euro ohne Verpflegung zahlen – eingeschränkter Betrieb hin oder her. „Für sechs Stunden sind eigentlich nur 169 Euro fällig“, sagt Melanie Schmidt.
Wie oft ein Kind kommt, spielt bei Gebühren keine Rolle
Die Landesregierung hat festgesetzt, dass im Kita-Notbetrieb keine Gebühren erhoben werden und im eingeschränkten Regelbetrieb wochenweise berechnet wird. Wie oft und wie lange ein Kind tatsächlich in der Einrichtung erscheint, spielt keine Rolle. Nur wenn ein Kind eine Woche lang gar nicht in der Kita war, wird nichts berechnet.
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Zur Einordnung: Im Kreis Herzogtum Lauenburg lief in den Kitas von Mitte Dezember bis Ende Februar sowie seit dem 15. April nur eine Notbetreuung. Eingeschränkten Regelbetrieb gab es vom 1. März bis zum 14. April und womöglich wieder ab Montag wegen der gefallenen Inzidenz. Überdies greift die Landesregelung erst seit 1. Januar. Sprich: Im Dezember wurden per se die vollen Gebühren fällig.
Bringen Eltern ihre Kinder nun öfter in die Kita?
„Die Regelung ist ein Unding“, empört sich auch Carmen Thieme, die Leiterin der Kita Worther Weg. „Die Eltern spielen so toll mit und sollen trotzdem für eine ganze Woche zahlen, wenn wir Kind nicht da ist. Wer nicht kommt, zahlt auch nichts. Das ist meine Meinung!“
Ins gleiche Horn bläst auch Wentorfs Gemeinde-Jugendpfleger Mario Kramer. „Diese Regel verhindert geradezu, dass diese Eltern künftig ihre Kinder weiter nur Teilzeit in der Pandemie betreuen lassen werden“, sagte Kramer. Zusätzlich werde den Kitaträgern zur Rück-Finanzierung der erstatteten Elterngebühren ein „nicht unerheblicher“ zusätzlicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet. „Im ersten Lockdown wurde den Kitas die Erstattung quasi per Handversprechen gewährt. Das war praktikabel“, sagt Kramer.
Standort der Kita und Wohnort spielen eine Rolle
Begründet wird das Modell, die volle Sätze zu erheben, mit der komplizierten Abrechnung mit den verschiedenen Kita-Trägern (in Geesthacht sind es acht) sowie dem Kreis und dem Land. Standort der Kita und Wohnort des Kindes spielen ebenfalls eine Rolle.
Allerdings erfolgen die Meldungen der Kindertagesstätten über eine vom Sozialministerium initiierte Kita-Datenbank. Es gibt also eine Übersicht, die zur Berechnung genutzt werden könnte.
Wentorfer Eltern nehmen Kinderkrankentage
Der Träger der „Kinderinsel“, der Freundeskreis vorschulischer Erziehung aus Wentorf, bat zusammen mit der Gemeinde Wentorf und dem Kreis Herzogtum Lauenburg beim Land Schleswig-Holstein um eine Änderung. Dies wurde abgelehnt. „Dabei erfolgt die Abrechnung der Verpflegungskosten auch tageweise“, gibt Kerstin Dohndorf, die Leiterin der „Kinderinsel“ zu bedenken.
Folge: Das bedeutet für die Wentorfer Eltern Natascha und Dennis Pätzold, dass sie aktuell Kinderkrankentage nehmen, um mit ihren drei Kindern zwischen drei und acht Jahren über die Runden zu kommen. „Unser Aufwand, den wir zu Hause haben, zählt wohl nicht?“, fragt Natascha Pätzold.