Wohltorf. Herren-30-Team gelingt überraschender Erfolg in der Regionalliga. Wer ihr Vorbild ist und was Tennis mit einem Doktortitel zu tun hat.

Die besten Profis der Tenniswelt messen sich seit dieser Woche beim Grand-Slam-Turnier von Wimbledon. Je 128 Damen und Herren hoffen auf die 3,2 Millionen Euro Preisgeld für den Sieger. Die Welt des Hochleistungssports scheint vom Amateurtennis in den heimatlichen Vereinen Lichtjahre entfernt zu sein. Doch tatsächlich haben beide viel miteinander zu tun. Zum Beispiel beim TTK Sachsenwald.

„Man kann sich schon das eine oder andere bei den Profis abschauen“, betont Alexander Jonscher, Trainer des Vereins. „Mich beeindruckt vor allem die unglaubliche Athletik von Spielern wie dem Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner. Das motiviert mich, auch selbst wieder mehr für die Fitness zu tun. Ich baue das seit einiger Zeit wieder verstärkt sowohl in das Training für meine Spieler ein, als auch in mein eigenes Training.“

Was Tennis-Amateure von den Wimbledon-Stars lernen können

Mit den Herren 30 des TTK Sachsenwald gelang ihm nun ein überraschender Erfolg. In der Regionalliga – das ist die höchste Spielklasse unterhalb der Bundesliga – belegten die Wohltorfer punktgleich mit dem Meister HTC Peißnitz aus Sachsen-Anhalt den dritten Platz. Von sechs Partien gewannen sie fünf. Jonscher, der als Spielertrainer fungiert, steuerte vier Einzelsiege bei. „Dabei wollten wir eigentlich nur die Klasse halten“, wundert er sich.

TTK Sachsenwald, Patrick Lang
Patrick Lang, mit 31 Jahren einer der Jüngsten im TTK-Team, streckt sich nach einer Vorhand. © Volker Koch | Volker Koch

Profitennis und Amateurbereich sind eng miteinander verzahnt. Anfang der 1980er-Jahre hatte der Deutsche Tennis-Bund 1,3 Millionen Mitglieder. Mit den Erfolgen von Boris Becker und Steffi Graf verdoppelte sich die Zahl während der 80er- und 90er-Jahre fast auf 2,3 Millionen, um danach wieder auf ihr ursprüngliches Niveau zu fallen.

Topspieler wie Alexander Zverev sorgen im Tennis für steigende Mitgliederzahlen

Nun gibt es mit Olympiasieger Alexander Zverev seit einiger Zeit wieder einen Spieler, der ganz vorn in der Weltrangliste mitmischt und der auch in Wimbledon („Ich denke, ich kann hier gewinnen“) keinen Hehl aus seinen Ambitionen macht. Das merkt man an der Basis sofort: Die Zahl der Vereinsmitglieder in Deutschland ist bereits wieder auf 1,5 Millionen angestiegen.

Logisch, dass im Hause Jonscher („Wir haben alle Bezahlsender abonniert“) die Bilder aus Wimbledon rauf und runter laufen. Vorbilder sind wichtig, vor allem für die Jugend. Jonscher, der sich beim TTK Sachsenwald um den Nachwuchs kümmert, hat bereits eine Veränderung bemerkt: „Die Jugendlichen verabreden sich nun wieder häufiger zum gemeinsamen Tennisspielen. Das ist eine schöne Entwicklung“, freut er sich.

Denkwürdige Rede von Roger Federer bei Verleihung der Ehrendoktorwürde

Eines der größten Vorbilder, die der weiße Sport kennt, ist der achtfache Wimbledon-Sieger Roger Federer. Der 42-jährige Schweizer, der seine Karriere 2022 beendet hat, bekam in dieser Woche die Ehrendoktorwürde an der Elite-Universität Dartmouth verliehen. Bei seiner Rede gab er einen Einblick, wie ihm der Tennissport zu einer Schule für das Leben geworden ist.

Federer hat in seiner Karriere 1526 Matches gespielt und knapp 80 Prozent davon gewonnen. „Jetzt habe ich eine Frage an Sie alle“, hob er vor 2000 Absolventen an. „Was denken Sie, wie viel Prozent der Punkte habe ich in diesen Matches gewonnen?“ Die verblüffende Antwort: Es sind nur 54 Prozent! „Mit anderen Worten“, folgerte der Schweizer, „selbst Topspieler gewinnen kaum mehr als die Hälfte der Punkte, die sie spielen.“

Roger Federer: „Die Wahrheit ist, manchmal wird man verlieren.“

Nur wer damit umgehen kann, könne im Tennis Erfolg haben. „Wenn du einen Punkt spielst, muss es das Wichtigste auf der Welt für dich sein“, betonte Federer. „Aber wenn er hinter dir liegt, liegt er hinter dir.“ Die Schweizer Tennislegende zog daraus den Schluss: „ Die Wahrheit ist, egal welches Spiel man im Leben spielt, manchmal wird man verlieren. Einen Punkt, ein Match, eine Saison, einen Job.“

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„Diese Stehauf-Mentalität fasziniert mich“, gesteht Philipp Schulz, Spitzenspieler der Herren 30 des TTK Sachsenwald. Für ihn und seine Teamkollegen besteht die größte Herausforderung im Alltag oft darin, Familie, Beruf und Sport unter einen Hut zu bringen. Umso bemerkenswerter war daher der Erfolg in der Regionalliga, zu dem zehn Spieler ihren Teil beitrugen.

„Jetzt erst recht!“ Die Stehaufmännchen-Mentalität des Philipp Schulz

Philipp Schulz hatte dabei die schwierigste Rolle. Er traf als Nummer eins des Teams jeweils auf die Top-Spieler der anderen Teams. Die bittere Konsequenz: Schulz verlor alle seine sechs Einzel, wenn auch einige davon sehr unglücklich. Eine quälende Serie in einer von Mannschaftssiegen geprägten Saison.

Da war also nun Federers Stehaufmännchen-Mentalität gefragt. „Jeder andere hätte wohl irgendwann eine Verletzung vorgeschoben, aber Philipp hat es ganz ruhig durchgezogen“, lobt Jonscher. „Damit hat er der Mannschaft sehr geholfen, denn die anderen hatten so leichtere Gegner.“ „Nach außen mag es ja ruhig gewirkt haben, aber innerlich war ich schon sehr frustriert, weil ich mich gut vorbereitet hatte“, gibt Schulz zu. „Nach der Saison habe ich mir dann gesagt: ,Jetzt erst recht!‘“