Wohltorf. Wohltorfer Tennis-Herren 30 besiegen zum Bundesliga-Start Reinickendorf mit 5:4. Warum die Bäume trotzdem nicht in den Himmel wachsen.

Die Spannung war auf dem Siedepunkt. Mehrere Dutzend Zuschauer sowie sämtliche Mitglieder beider Teams drängten sich auf der Clubanlage am Tonteich in Wohltorf um die letzte verbliebene Tennispartie, die beim Mannschaftsduell zwischen dem TTK Sachsenwald und dem SV Reinickendorf 1896 nun alles entscheiden musste. 4:4 stand es nach sechs Einzeln und zwei Doppeln. Jetzt kam für die Wohltorfer ausgerechnet alles auf einen Berliner an: Philipp Schulz.

Vor Jahren ist der 35-Jährige aus der Hauptstadt in den Bergedorfer Raum gezogen. Längst ist er aus dem Herren-30-Team des TTK Sachsenwald nicht mehr wegzudenken. „Er identifiziert sich so sehr mit dem Verein wie kaum ein anderer“, lobt TTK-Trainer Alexander Jonscher. In der ersten Bundesliga-Saison des TTK Sachsenwald im vergangenen Sommer war Schulz neben Spitzenmann Philipp Hammer der einzige Spieler der Norddeutschen, der im Lauf der Saison fünf Partien gewinnen konnte. Nun sollte er im Doppel an der Seite des Slowenen Gregor Repina den Heimsieg perfekt machen.

Tennis-Herren 30 beim TTK ohne Philipp Schulz kaum denkbar

Doch das war leichter gesagt als getan: Mit 3:6 hatten Schulz/Repina den ersten Satz abgegeben. Die Reinickendorfer Marin Bradaric und Arnold Pilt spielen beide mit dem Rückenwind ihrer gewonnenen Einzel groß auf. Der Kroate Bradaric war mal die Nummer 349 der Tenniswelt, Pilt ist ein früherer Hockey-Nationalspieler. Mit solchen Kalibern bekommt man es in der Herren-30-Bundesliga zu tun.

Doch mit jedem Zuschauer mehr, der sich um den Platz drängt und die Gastgeber anfeuert, wehren sich Schulz/Repina stärker gegen die drohende Niederlage. „Wir haben die ganze Szenerie emotional aufgeladen“, freut sich Jonscher. Der Linkshänder Schulz hatte zuvor schon sein Einzel klar 6:1, 6:1 gewonnen und strotzt vor Selbstbewusstsein. Repina hingegen hat seinen Einstand im TTK-Team mit einer klaren Zweisatz-Niederlage im Einzel verpatzt.

Phillip Schulz (Foto) holte im Doppel an der Seite des Slowenen Gregor Repina den entscheidenden Punkt zum TTK-Sieg.
Phillip Schulz (Foto) holte im Doppel an der Seite des Slowenen Gregor Repina den entscheidenden Punkt zum TTK-Sieg. © Koch | Koch

Doch der schnörkellose Stil von Schulz reißt ihn mit. Mit 6:3 holen sich die Wohltorfer den zweiten Durchgang. Nun muss der Champions Tiebreak entscheiden: Jeder Ballwechsel zählt nun als Punkt. Ein Nervenspiel. Das TTK-Duo ist schließlich das glücklichere, gewinnt die Partie mit 3:6, 6:3, 10:5 und holt damit den Punkt zum 5:4-Endstand. Spiel, Satz und Sieg! Für die Gäste aus Berlin ist es eine denkbar unglückliche Niederlage. In neun Matches hat der SV Reinickendorf 78 Spiele gewonnen, der TTK Sachsenwald 79. Es ist ein Erfolg, an dem viele ihren Anteil haben. Lucas Leppin zum Beispiel, der sowohl sein Einzel als auch das Doppel an der Seite von Sebastian Fitz klar gewinnt. Oder der Neuzugang Lennert van der Linden aus den Niederlanden, der im oberen Paarkreuz den starken Rumänen Dacian Craciun mit 6:4, 3:6 und 10:4 niederkämpft und so für einen ganz wichtigen Punkt sorgt.

Alexander Breitkopf vor Duell mit Topspieler Fernando Verdasco

Aber auch Alexander Breitkopf hat seinen Anteil. Nach dem Abschied von Hammer ist er zur neuen Nummer eins des TTK aufgerückt, obwohl Breitkopf dort praktisch chancenlos ist. Gegen Bradaric gewinnt er beim 0:6, 1:6 nur ein einziges Spiel. Aber dadurch können alle anderen TTK-Spieler eben gegen leichtere Gegner antreten. „Wir haben das im Mannschaftskreis lange diskutiert“, erzählt Jonscher. „Es ist eine Rolle, die Opferbereitschaft verlangt, und Alexander trägt das mannschaftsdienlich mit.“

Immerhin könnte seine Rolle als neue Nummer eins Breitkopf nun ein Duell mit einem ganz berühmten Spieler einbringen. Der Spanier Fernando Verdasco, Australian-Open-Halbfinalist 2009, ist der Topmann beim Aufsteiger TC Union Münster, bei dem die Wohltorfer am Wochenende antreten müssen. „Bei anderen Clubs gibt es Spieler, die bekommen für eine Partie mehr als wir an Etat für die ganze Saison haben“, macht Jonscher klar, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Liga trotz des Überraschungserfolgs nicht so schnell ändern werden.