Kiel. 30 neue Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz. Künstliche Intelligenz bei Verbrecherjagd. Autos mit Software zur Gesichtserkennung.

In wenigen Wochen jährt sich die Messerattacke von Brokstedt zum zweiten Mal. Ende Januar 2023 hatte ein staatenloser Palästinenser in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg zwei Teenager heimtückisch und hinterrücks erstochen. Der Tat vorausgegangen war eine Serie behördlicher Fehler. Der Doppelmord und seine Vorgeschichte haben Land und Regierung nachhaltig erschüttert.

An diesem Montag reagierte die schwarz-grüne Koalition mit dem nächsten Maßnahmenpaket auf die Bluttat im Zug, aber auch auf die Morde von Solingen und Mannheim sowie die angespannte Sicherheitslage in Deutschland. So schafft Schleswig-Holstein 31 neue Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz. Darüber hinaus wird die Integration von Migranten verbessert.

Neben den zusätzlichen Stellen für die Sicherheitsbehörden – das Land investiert 7,6 Millionen Euro – setzt Schwarz-Grün auf neue Technologien. So sollen „virtuelle Ermittler“ im Netz eingesetzt werden. Ziel ist, die gigantischen Datenmengen im Internet automatisiert auf einen kriminellen Hintergrund zu scannen oder auch sich anbahnende Straftaten proaktiv zu erkennen. Mithilfe einer auf künstlicher Intelligenz basierenden Analyseplattform sollen zudem die verschiedenen Datenbanken der Länder-Polizeien systematisch durchsucht und abgeglichen werden, um Querverbindungen zwischen Taten erkennen zu können.

So will Schwarz-Grün Schleswig-Holstein sicherer machen

Die Gesichtserkennung von Straftätern oder Gefährdern soll auf zwei Wegen ausgebaut werden. Zum einen will die Polizei mithilfe neuer Software „öffentlich zugängliche Quellen“ besser und schneller mit Fahndungsdaten abgleichen. Das Innenministerium will zudem vier Hightech-Container anschaffen, die über Hochleistungskameras und -computer samt Gesichtserkennungssystem verfügen.

Diese Kameras erkennen bekannte Straftäter oder potenzielle Attentäter auch in einem großen Pulk von Menschen. „Diese fahrbaren Container können beispielsweise bei Großveranstaltungen oder an Kriminalitätsschwerpunkten eingesetzt werden“, kündigte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack an.

Die CDU-Politikerin fordert vor dem Hintergrund des Stellenaufbaus von der Polizei, Mehrfach- und Intensivtäter verstärkt in den Fokus zu nehmen. Sie sollen schneller identifiziert, verfolgt und gegebenenfalls abgeschoben werden. Hierfür sollen einige der neuen Jobs bei der Polizei genutzt werden.

Aminata Touré (stellvertretende Ministerpräsidentin, Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben das Maßnahmenpaket vorgestellt.
Aminata Touré (stellvertretende Ministerpräsidentin, Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben das Maßnahmenpaket vorgestellt. © dpa | Frank Molter

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther: „Wollen den Menschen Sicherheit garantieren“

Der Verfassungsschutz bekommt zusätzliche Stellen, um Bewerber für den öffentlichen Dienst überprüfen zu können. So will das Land verhindern, dass Extremisten in die Reihen der Polizei oder öffentlichen Verwaltung einsickern. Zudem erweitert das Land die Befugnisse des Nachrichtendienstes und schafft die rechtlichen Voraussetzungen, sodass der Verfassungsschutz die Kommunikation von Verdächtigen überwachen und erfassen kann, bevor diese verschlüsselt wird.

„Wir wollen den Menschen Sicherheit garantieren“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther. Gerade in Zeiten internationaler Krisen sei es wichtig, das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat zu stärken.

Schleswig-Holstein: Fünf Millionen Euro für schnellere und bessere Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt

Fünf Millionen Euro investiert Schleswig-Holstein im Rahmen des Sicherheitspakets in die bessere und schnellere Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Es geht darum, Berufsabschlüsse unkomplizierter anzuerkennen und Sprachkenntnisse schneller zu vermitteln. Schon heute fehlten in Schleswig-Holstein 34.000 Fachkräfte. „Jedes Jahr kommen 10.000 bis 15.000 Geflüchtete zu uns. Das ist ein großes Potenzial, das wir besser nutzen müssen“, sagte Integrationsministerin Aminata Touré.

38.000 Syrer leben im nördlichsten Bundesland. Ein Teil von ihnen ist längst eingebürgert, ein anderer Teil steckt mitten im Anerkennungs- und Duldungsverfahren, ein dritter Teil ist ohne Chance auf ein Bleiberecht. Jetzt, nach dem Sturz des syrischen Diktators an diesem Wochenende, ruhen erst einmal alle Anerkennungsverfahren so lange, bis Klarheit herrscht, wie es in dem Land weitergeht.

38.000 Syrer in Schleswig-Holstein: Was Ministerpräsident Günther zum Assad-Sturz sagt

Dass Assad gestürzt sei, sei „erst einmal eine sehr gute Nachricht“, sagte Regierungschef Günther. Der syrische Machthaber habe schlimmste Verbrechen zu verantworten. Hunderttausende Menschen seien durch das Regime zu Tode gekommen. Mit Assad sei ein „wesentlicher Verbündeter Russlands und des Iran“ gestürzt, sagte Günther.

„Russland und der Iran waren nicht in der Lage, den Sturz zu verhindern. Das ist eine wichtige Nachricht auch für unsere Sicherheitskräfte.“ Er hoffe auf einen geregelten Übergang und eine Demokratisierung des Landes. Für eine geordnete Rückkehr in Deutschland lebender Syrer in ihr Heimatland sei es noch zu früh. Die Lage sei noch nicht klar genug.

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