Kiel. Schwarz-Grün will neun Gerichte schließen und an einem Ort zentralisieren. Juristen zeigen vor Kieler Landtag, was sie davon halten: nichts!

Knapp 4000 Unterschriften unter einer Petition, 200 bis 300 Demonstranten vor dem Kieler Landeshaus. Der Druck auf die schwarz-grüne Landesregierung, von der geplanten Justizstrukturreform abzurücken, nimmt weiter zu. In erster Linie, um Geld zu sparen, plant das Justizministerium, die neun dezentralen Arbeits- und Sozialgerichte im Land zu schließen und an einem Ort, möglicherweise in Neumünster, zusammenzuführen. Was die Betroffenen davon halten, zeigten sie der Landesregierung am Donnerstag vor dem Kieler Landtag: nichts.

Laut CDU-Justizministerin Kerstin von der Decken will das Land bis 2040 die Ausgaben durch eine „Vielzahl von Maßnahmen“ um 63 Millionen Euro drücken: eingesparte Mieten, Verkaufserlöse von Liegenschaften, geringere Betriebs- und IT-Kosten. Sie verstehe die Verärgerung, sagt die Ministerin. „Ich komme jetzt mit allen Beteiligten ins Gespräch, um die Hintergründe zu erläutern. Ich gehe zu den Gerichtsbarkeiten, zu den Verbänden, zu den Gewerkschaften. Ich lade Sie ein: Bringen Sie sich ein“, sagte sie.

Demo in Roben - Schleswig-Holsteins Richter wehren sich gegen Justizreform

Gegen diesen – zunächst per Mail und danach erst in Gesprächen verkündeten – Sparplan wehren sich der Richterverband, die Neue Richtervereinigung, der DGB, Sozialverbände, die Arbeiterwohlfahrt, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, der Anwalt- und Notarverband, der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen und die Opposition.

Christine Schmehl, Landesvorsitzende des Richterverbandes, kann „bis heute kaum glauben, was die Landesregierung mit der Justiz vorhat und zu welchen Mitteln sie greift. Da wird am Kabinettstisch mal eben der eigene Koalitionsvertrag über den Haufen geworfen, in dem man sich dazu verpflichtet hatte, die bestehenden Justizstandorte zu erhalten“, kritisiert die Richterin am Donnerstag bei der Demonstration am Rande der Landtagssitzung. Unter Applaus fordert sie „die Abkehr von der schädlichen und nicht ausgereiften Planung“ und stattdessen einen Dialog mit allen Betroffenen, um eine funktionierende Justiz zu erhalten, so Schmehl.

Opposition: Politik nach „Gutsherrenart“

Für den DGB warnt Gabriele Wegner bei der Kundgebung, die Landesregierung gefährde die Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte und erschwere den Rechtsschutz. Wegner zweifelt die Zeitpläne der Landesregierung an. So solle der Umzug angeblich bereits 2027 vollzogen sein. „In knapp zwei Jahren will die Ministerin ein Grundstück erwerben, gegebenenfalls ein altes Gebäude abreißen oder sanieren, bzw. ein neues arbeitsfertig errichten und mit neuester Technik ausstatten lassen. Wie viel Realitätssinn steckt in einer solchen Behauptung?“, kritisiert Wegner.

Unterstützt werden die Proteste von der Opposition. So spricht FDP-Fraktionschef Christopher Vogt von einer „völlig falsch aufgesetzten Gerichtsstrukturreform“, und SPD-Chefin Serpil Midyatli kritisiert eine Politik nach „Gutsherrenart“. FDP-Justizexperte Bernd Buchholz hat am Donnerstag den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages beauftragt, die Rechtmäßigkeit der Zentralisierung zu prüfen. „Die Justizreform ist nicht nur unausgegoren, wir halten sie auch in Teilen für verfassungswidrig.“ Die FDP sieht den niedrigschwelligen Zugang zum Sozialgericht – hier gibt es keinen Anwaltszwang – durch die Reform gefährdet.

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Sie verstehe die Sorgen der Betroffenen vor der Zentralisierung, sagt die attackierte Justizministerin. Aber Gerichte funktionierten inzwischen anders. „Videoverhandlungen sind möglich. Vor allem aber gibt es die Möglichkeit, dass Arbeits- und Sozialgerichte Gerichtstage dezentral vor Ort abhalten, beispielsweise in den Räumen eines Amtsgerichtes“, wirbt von der Decken für ihre Reform. Von der verspricht sie sich, einen „Einsparbeitrag zur Haushaltskonsolidierung“, mit dem sie Stellenstreichungen im Justizbereich vermeiden will. Niemand müsse um den Job bangen, sagt von der Decken. Es werde keine Entlassungen geben.

Das Land sei in einer Haushaltskrise, sagt Finanzministerin Silke Schneider. Aber bei allen Kürzungen: „Das Personal der Justiz ist für mich unantastbar“, verspricht die Politikerin der Grünen den Demonstranten.