Kappeln. Ab Januar soll in der Stadt eine neue Abgabe für Touristen erhoben werden. Betroffene kritisieren die Entscheidung. Ihre Gründe.
Von wegen Atemholen nach der quirligen Hauptsaison: Wer vermutete, dass der Herbst Kappeln mehr Ruhe beschert, sieht sich getäuscht. Die Umsetzung der von der Stadtvertretung vor der Sommerpause beschlossenen neuen Übernachtungssteuer, im Volksmund Bettensteuer genannt, sorgt für Verunsicherung und Diskussionsstoff.
Zusammenkünfte des Hauptausschusses am 14. Oktober sowie der 19-köpfigen Stadtvertretung zwei Tage darauf sollen Weichen stellen. Ziel ist es, bis Ende November 2024 eine rechtsgültige Satzung festgezurrt zu haben. Ein Fachjurist arbeitet daran. Es ist höchste Zeit; denn fünf Wochen später soll die neue Steuer bereits greifen. Die Regelung für schon jetzt fest vermietete Unterkünfte und Hotelzimmer im Jahr 2025 ist im Detail noch nicht geklärt. Daraus ergibt sich eine Herausforderung für die Stadtverwaltung.
Schlei: Streit um Einführung der Bettensteuer in Kappeln
Grundsätzlich steht fest: Von Januar kommenden Jahres an muss für jeden Gast, der sich in einem Hotel oder in einer Ferienwohnung einquartiert, fünf Prozent Zuschlag gezahlt werden. Bei einem Übernachtungspreis von 120 Euro wären das sechs Euro zusätzlich. Bei 700.000 bis 800.000 Besuchern, die mindestens eine Nacht in der idyllischen Kleinstadt an der Schlei verbringen, fließen fortan also stattliche Summen in die öffentliche Kasse. Nicht jeder freut sich darüber.
„Eine Übernachtungssteuer ist ungerecht, weil sie ausschließlich von Vermietern und Hoteliers entrichtet werden muss“, sagt Ingwer Hansen im Namen des Touristikvereins Kappeln/Schlei-Ostsee. Andere vom starken Tourismus vor Ort profitierende Sparten wie Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleister sind nicht betroffen. Kritikpunkt zwei aus Sicht des 230 Mitglieder starken Vereins: Für die zusätzlichen Steuereinnahmen gibt es keine Zweckbindung. Markanter formuliert: Mancher der 8653 Kappelner befürchtet, dass Einnahmen in Millionenhöhe in den öffentlichen Kassen versickern – auch um vorhandene Löcher zu stopfen.
Laut Kappelns Bürgermeisters soll Steuer in touristische Infrastruktur fließen
„In der Tat handelt es sich um eine Entscheidung von enormer Tragweite“, sagt Kappelns Bürgermeister Joachim Stoll dem Hamburger Abendblatt. Sein Dienstsitz befindet sich an der Straße Reeperbahn 2. Es ist nicht der einzige Grund, warum sich Kappeln und die Hansestadt nahe sind. Viele Hamburger pflegen an der Schlei Urlaub zu verbringen – teilweise seit Generationen.
Nach Auffassung des Bürgermeisters ist es von Bedeutung, die Debatte auf ein sachliches, objektives Fundament zu stellen. „Geld aus der Übernachtungssteuer fließt schneller und in größerer Höhe“, sagt Stoll. Den Vorwurf einer nicht gegebenen Zweckbindung weist er zurück: „Selbstverständlich fließt die Steuer in die touristische Infrastruktur.“ Es handele sich um eine „Bringschuld“.
Vorbehalte sind damit nicht restlos entkräftet. „Die Vertreter der Stadt Kappeln sollten die Sache noch mal in Ruhe überdenken“, sagt eine Vermieterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Eben weil noch keine Satzung vorliege, sei der Beschluss einer Übernachtungssteuer bisher nicht rechtskräftig. Nicht nur aus ihrer Sicht seien fünf Prozent Aufschlag auf den Übernachtungspreis viel Geld. Wer solle die Zusatzsteuer letztlich tragen: Vermieter oder Gast? Oder jeweils zur Hälfte?
„Viele Menschen in Kappeln und Umgebung machen sich Sorgen“, meint die Vermieterin. „Kappeln ist keine Insel. Gäste könnten sich für andere Orte im Kreis Schleswig-Flensburg entscheiden.“ Ein weiterer Vermieter sagte dem Abendblatt, dass er sich mehr Aufklärung über die konkrete Handhabung einer Übernachtungssteuer wünsche. Werden Feriengäste und Geschäftsreisende gleichbehandelt? Gilt die künftige Abgabe auch für Campingurlauber und Wohnwagenbesitzer?
Kappelner Hotelier hat Sorge, dass das Geld in den Haushalt fließt und dort Löcher stopft
Fragen wie diese sind ebenso wenig neu wie die Notwendigkeit frischer Aktivitäten zur Steigerung der Attraktivität in Kappeln und Umgebung. „Der Nachholbedarf für eine stärkere touristische Infrastruktur ist unumstritten“, bestätigt Ingwer Hansen als Vorsitzender des lokalen Touristikvereins.
Diese Ansicht teilt Bo Teichmann, mit drei Hotels in Kappeln, darunter der namhafte „Südspeicher“, einer der unternehmerischen Granden vor Ort. Auch er kritisiert, dass eine Übernachtungssteuer „ganz normal“ in den Haushalt fließe. Investitionen in touristische Maßnahmen sollten klipp und klar definiert werden.
Er spreche niemandem in Kappeln einen guten Willen ab, würde aber gerne Politik wie Verwaltung dauerhaft in der Verpflichtung sehen. Als Beispiele für dringend erforderliche Verbesserungen nennt Teichmann die aktuell aus Brandschutzgründen gesperrte Mühle, den Fischereihafen sowie die unbefriedigende Parkplatzsituation.
Kappeln hat bisher Tourismusabgabe berechnet, die alle Betriebe zahlen mussten
Dass auch Gäste sich mit kleinen Beträgen an der Finanzierung touristischer Verbesserungen beteiligen sollten, ist unumstritten. Seit Jahren wird in der entzückenden Stadt an der Schlei eine Tourismusangabe berechnet. Von den Urlaubern profitierende Unternehmen, vom Handwerker bis zum Hotelier, leisten nach einem festgelegten Schlüssel Abgaben.
Um zudem Besucher zur Kasse zu bitten, war seit rund drei Jahren eine Kurabgabe erwogen worden. Problem aus Sicht der Kappelner Schatzmeister: Eine solche Taxe darf nur für vorhandene Tourismusattraktionen berechnet werden. Und so attraktiv es vor Ort fraglos ist: In dieser Beziehung hat Kappeln eine Menge Luft nach oben. Was sogar Lokalpatrioten bekennen. Viel mehr als 70 Cent Kurabgabe wären unter dem Strich kaum zusammengekommen. Was zu wenig für viel Verwaltungsaufwand wäre.
Im Hauptausschuss am 14. Oktober soll die Bettensteuer thematisiert werden
Dass es hinter schönen Fassaden an der Schlei dennoch brodelt, beweist eine Zusammenkunft, zu der die örtliche CDU am 27. September geladen hatte. Seite an Seite mit unterschiedlichen Interessenvertretern aus der Tourismussparte wurde die Situation erörtert und nach Lösungen für die Sorgen der Vermieter und Unternehmer gesucht. Für Durchblick kann der Hauptausschuss der Stadtvertretung am 14. Oktober sorgen.
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Parallel setzt Bürgermeister Joachim Stoll auf Ausgleich und Transparenz: „Die einseitige Belastung der Beherbergungsbetriebe gegenüber anderen Branchen ist uns bewusst.“ Entsprechend groß sei die damit verbundene Verantwortung, Erlöse aus der Übernachtungssteuer zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen: in den Tourismus. Ob diese Aussage die Gemüter beruhigt?