Tellingstedt. In Tellingstedt gibt es ein riesiges Brautmodengeschäft, das 50-jähriges Bestehen feiert, und einen Raum voller besonderer Geschichten hat.

In Tellingstedt im Kreis Dithmarschen steht das größte Brautmodengeschäft Hamburgs. Echt jetzt? Auf jeden Fall nennen die Betreiber ihren Laden genau so, weil ein Großteil der Kunden aus der Hansestadt kommen. In einem ehemaligen Bauernhof hängen auf rund 4000 Quadratmetern rund 12.000 Kleider, 2000 Anzüge und noch viel mehr Accessoires für den vermeintlich schönsten Tag im Leben. Viele Bräute reisen aus ganz Deutschland, Europa und sogar von Übersee hierher, um das passende Outfit anzuprobieren.

Verantwortlich für den Betrieb ist Kirsten Jürgensen. Die 74-jährige Unternehmerin ist gemeinsam mit ihrer Mutter vor genau 50 Jahren durch einen Zufall in das Geschäft mit den Brautkleidern geraten. „Meine Mutter hat hier einen Bauernhof geführt“, berichtet sie anlässlich des Jubiläums von Laues Festmoden. „Doch nach den vielen Jahren harter körperlicher Arbeit machte irgendwann ihr Rücken nicht mehr mit, also musste sie sich etwas anderes überlegen.“ Zu Hause nur rumzusitzen, sei keine Option gewesen.

Der Raum der vergessenen Brautkleider vor den Toren Hamburgs im Kreis Dithmarschen

So entstand die Idee eines Secondhand-Abendmodegeschäfts. Man wollte den Damen aus der Gegend eine finanziell attraktive Möglichkeit geben, nicht zu jedem Anlass dasselbe Kleid tragen zu müssen, wie Kirsten Jürgensen sagt. „Im Schlafzimmer meiner Eltern hat meine Mutter den ersten Laden eröffnet. Und als sie dann nach einigen Monaten in den Urlaub fuhr, habe ich zumindest erst einmal aushilfsweise übernommen.“

Schnell hätten beide Frauen festgestellt, dass allein gebrauchte Kleider nicht ausreichen, um erfolgreich ein Geschäft zu führen. „Also haben wir die ersten neuen Modelle angeschafft.“ Mit dem Auto ging es nach Hamburg ins Modezentrum. Dort wurde der Wagen bis unter das Dach mit Kleidern vollgeladen.

Aus 24 Quadratmeter Ausstellungsfläche wurden Tausende Quadratmeter

Stück für Stück expandierte die Firma. Kirsten Jürgensen gab ihre Anstellung als medizinisch-technische Assistentin auf und stieg ganz bei dem Geschäft ihrer Mutter ein. Aus 24 Quadratmeter Ausstellungsfläche wurden mehrere Tausend. „Wir haben hier auf dem Land ja kein Platzproblem“, sagt sie. Rund 100 Mitarbeiter sind inzwischen bei Laues Festmoden beschäftigt.

Laue Festmoden
Laue Festmoden in Tellingstedt gibt es nun seit 50 Jahren. Mittlerweile hängen in den großzügigen Räumlichkeiten mehrere Tausend Kleider und Anzüge. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Und auch der Generationswechsel ist geschafft. Seit 2008 arbeitet Kisten Jürgensens Sohn Henning Laue mit im Geschäft. Die beiden haben sich die Arbeit aufgeteilt. Henning Laue ist für die Hochzeitsmode und damit für die Ausstellung im ersten Stock des Gebäudekomplexes zuständig. Kirsten Jürgensen verantwortet die Abendmode im Erdgeschoss.

In einem Raum werden die vergessenen Brautkleider gelagert, etwa 70 hängen hier

Denn der ehemalige Bauernhof ist längst ein Paradies für alle, die nach Kleidern oder Anzügen für einen besonderen Anlass suchen. Das Schlafzimmer, in dem alles begann, beherbergt heute übrigens die hauseigene Schneiderei.

Nicht weit davon entfernt befindet sich der Raum der vergessenen Brautkleider, wie er bei Laues Festmoden heißt. Hier hängen rund 70 Modelle aus den vergangenen Jahrzehnten, die nicht abgeholt wurden – obwohl die Bräute sie natürlich angezahlt haben. Sie erzählen ihre ganz eigenen Geschichten, nicht alle kennen Kirsten Jürgensen und ihr Sohn.

Vor wenigen Tagen erst hat eine Braut nach fünf Jahren angerufen

Vor wenigen Tagen erst hat eines dieser vergessenen Kleider nach vielen Jahren endlich seine Besitzerin wiedergefunden. „Uns hat vergangene Woche ein Anruf einer jungen Frau erreicht, die hier 2019 ein Kleid ausgesucht und anprobiert hat“, sagt Henning Laue. 2020 sollte die Hochzeit stattfinden, doch dann kam Corona – und alles musste abgesagt werden. Im Jahr darauf sei die Frau schwanger geworden, habe sie Laue berichtet. Und nun hätten sie und ihr Mann entschieden, kommenden Sommer endlich zu heiraten. Ihre bange Frage: „Haben Sie mein Kleid noch?“

Henning Laue berichtet, dass diese Frage auch bei ihm einen kurzen Schreck ausgelöst habe. Dann sei er in den Raum der vergessenen Kleider eingetaucht und auf die Suche gegangen. „Bei dieser Frau war es noch besonders tückisch, denn sie hatte inzwischen standesamtlich geheiratet und ihren Namen somit geändert.“

Eine weitere Braut haben die Laues nach acht Jahren gerade erst gefunden

Aber da bei dem Unternehmen eigentlich nichts wegkommt, habe er nach einer Weile die Kundin zurückrufen können. „Wir haben ihr Kleid gefunden.“ Die Frau sei so erleichtert gewesen, dass sie noch am selben Nachmittag aus der Nähe von Hamburg angereist sei und es anprobiert habe. „Was soll ich sagen: Mit ein paar kleinen Änderungen kann sie es kommenden Sommer tragen.“

Auch ein weiterer Fall habe sich gerade nach acht Jahren aufgelöst. Laue erzählt, dass sie immer wieder versuchen würden, die Kundinnen mit den vergessenen Kleidern zu erreichen. Bei einer sei es vor Kurzem nach acht Jahren gelungen. „Wie gut, dass ihr anruft“, habe die am Telefon gesagt. Und berichtet, dass sie statt einer Hochzeitfeier inzwischen drei Kinder bekommen habe und nach Süddeutschland gezogen sei.

In einigen Fällen stecken auch traurige Geschichten hinter den nicht abgeholten Kleidern

Außerdem fahre ihr Mann zur See, was die Planung erschwere. Und ein Familienzwist habe alle Pläne zwischenzeitlich zunichtegemacht. Der sei nun ausgeräumt. „Und eigentlich wollen wir kommendes Jahr endlich heiraten.“ Laue und seine Kollegen hätten das Kleid mittlerweile in den Süden geschickt. Die Kundin wolle es dort vor Ort anpassen lassen.

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Der Hochzeitsexperte berichtet, dass in einigen Fällen natürlich auch traurige Geschichten hinter den vergessenen Kleidern stünden. Abgesagte Hochzeiten, Trennungen oder sogar schwere Krankheiten. „Diese Kundinnen erzählen uns ihre Geschichten natürlich nicht und sind meist auch nicht zu erreichen.“

Bisher wurde kein Kleid je aus dem Raum entfernt, berichtet Henning Laue

Aber weil immer wieder Kundinnen anrufen würden, hätten er und seine Mutter sich bisher nicht getraut, ein Kleid aus dem Raum zu entfernen. „Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich jemanden enttäuschen müsste.“ Platz gebe es genug in dem Gebäudekomplex, „also bleiben sie hier hängen“.