Kiel. Schwedischer Konzern will in Heide Batteriefabrik bauen. Unterstützung vom Bund stand zuletzt auf der Kippe. Nun die Überraschung.

Trotz Haushaltsnotlage in diesem Jahr und einer gigantischen Finanzierungslücke im kommenden Bundeshaushalt von 17 Milliarden Euro machen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Weg frei für den Bau einer Batteriezellenfabrik in Heide im Kreis Dithmarschen. Das erfuhr das Abendblatt am späten Sonnabend.

An der strukturschwachen Westküste will der schwedische Konzern Northvolt 4,5 Milliarden Euro investieren und 3000 Jobs in einer Gigafactory schaffen. Weitere 3000 Arbeitsplätze sollen bei Dienstleistern und Zulieferern dazukommen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bundesregierung und das Land Schleswig-Holstein gemeinsam die versprochene Beihilfe von rund 700 Millionen Euro auch zahlen. Zumindest der Bundesanteil daran von knapp 600 Millionen Euro stand nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zuletzt wieder infrage. Jetzt hat der Bund den Weg für den Zuschuss frei gemacht.

Northvolt: Schleswig-Holstein zahlt 137 Millionen Euro

Man habe dem schwedischen Konzern einen entsprechenden Förderbescheid übermittelt, informierte das Bundeswirtschaftsministerium am Sonntag offiziell. „Die Absicherung der Förderung für Northvolt ist ein wichtiger Schritt, um eine große private Investition auszulösen, die Wertschöpfung und Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche bringt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Und es ist gut, dass wir die Ausnahmegenehmigung von der Haushaltssperre erreichen konnten.“

Aus Habecks Sicht war das aber nur ein erster Schritt, „weil es noch viele andere ähnliche Projekte gibt, um deren Realisierung wir uns kümmern und für die wir uns einsetzen. Deshalb überwiegt im Moment noch die Sorge, auch wenn wir einen ersten wichtigen Erfolg erzielt haben“, sagt der Grünen-Politiker.

Northvolt erhält von Bund und Land Förderungen sowie Darlehen

So steht unter anderem ein Milliardenzuschuss des Wirtschaftsministeriums für den Aufbau einer Chipfabrik in Magdeburg wieder infrage. Intel will in Sachsen-Anhalt 30 Milliarden Euro investieren. Auch hier drängt, wie in Heide, die Zeit. Und so setzt sich das Habeck-Ministerium auch hier intensiv dafür ein, die Beihilfe schnellstmöglich zu sichern und damit umfangreiche private Investitionen zu ermöglichen, wie es hieß.

Frei gemacht hat die Beihilfe des Bundes für das Projekt in Heide letztendlich das Finanzministerium von Christian Lindner. Das FDP-geführte Haus stimmte einem Antrag Habecks zu – trotz der Haushaltssperre. Die 700 Millionen Euro Förderung, die Northvolt von Land und Bund kassiert, verteilen sich auf mehrere Jahrestranchen. Dazu kommt noch ein Darlehen des Bundes („Wandelanleihe“) an Northvolt. Für diese 600 Millionen Euro bürgen Bund und Land zu gleichen Teilen. Bei Investitionen in Größenordnungen, wie Northvolt sie plant, sind hohe Beihilfen durch Bund und Land gang und gäbe.

Schleswig-Holstein: Entscheidung des Bundes ist ein wichtiges Signal

„Die Entscheidung des Bundes ist ein wichtiges Signal und ein entscheidender Schritt für den Aufbau einer Batteriezellproduktion in Deutschland als Teil der für unsere Industrie so wichtigen Wertschöpfungskette Mobilität“, sagte Dirk Schrödter, Chef der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei. Jetzt muss die Wettbewerbskommission der EU der Beihilfe noch zustimmen. Die (positive) Entscheidung wird in den nächsten Tagen oder spätestens Wochen erwartet.

Baustelle für die Northvolt-Batteriefabrik
Auf dem Gelände einer stillgelegten Biogasanlage (Mitte) soll die Northvolt-Batteriefabrik für Elektroautos entstehen. © picture alliance/dpa | Frank Molter

„Sofern die EU den beihilferechtlichen Prüfprozess zeitnah beendet, ist der Weg einer Beschlussfassung der Gemeinden über die Bauleitplanung im Januar 2024 geebnet. Dieser Zeitplan ist zwischen den Beteiligten – Amt und Gemeinden, Land, Bund und Northvolt – besprochen“, sagte Schrödter.

„Northvolt liegt ein Förderbescheid vor, das schafft Planungssicherheit“

„Northvolt liegt ein Förderbescheid der Bundesregierung zum Ansiedlungsvorhaben in Heide vor. Der Bescheid schafft unmittelbar Planungssicherheit und ermöglicht uns, die bereits begonnenen baulichen Maßnahmen vor Ort fortzusetzen. Der Abschluss der beihilferechtlichen Prüfung der EU-Kommission und die Satzungsbeschlüsse der Standortgemeinden sind nun zeitnah die nächsten notwendigen Schritte“, kommentierte das Unternehmen am Sonntag betont sachlich die Beihilfezusage aus Berlin.

Schon jetzt hat Northvolt in Heide rund 100 Millionen Euro investiert, um Bauern die Flächen abzukaufen und für den Bau zu planieren, um eine Gaspipeline zu verlegen und knapp 50 Menschen extra für das Projekt einzustellen. Die Schweden wollen, sofern die EU den Weg frei macht und die Dithmarscher Gemeinden Baurecht erteilen, noch in diesem Winter offiziell mit dem Bau beginnen. Ziel ist, dass die Fabrik 2026 die ersten Batteriezellen herstellt. Ist die Produktion hochgefahren, soll jährlich rund eine Million E-Autos mit Batteriezellen aus Heide versorgt werden.

Schleswig-Holstein: Die Batteriefabrik gilt als Zukunftsprojekt im Norden

Die Gewerkschaft IG Metall reagierte „erleichtert“ auf die Finanzierungszusage des Bundes. „Die Bundesregierung beweist damit trotz der Haushaltskrise Handlungsfähigkeit. Mit der Förderung von Northvolt ist die Chance auf gute, tarifliche Arbeit in einer Zukunftsindustrie verbunden“, kommentierte Daniel Friedrich, der Bezirksleiter der IG Metall Küste.

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Der Fraktionschef der schleswig-holsteinischen FDP, Christopher Vogt, forderte am Sonntag „deutlich mehr Engagement der Landesregierung bei der Verbesserung der Infrastruktur in der Region.“ Zudem müsse das Land durch eine Überarbeitung der Regionalpläne mehr Flächen für weitere Ansiedlungen bereitstellen. „Eine große Ansiedlung macht aus unserem Bundesland schließlich noch kein Industrieland“, so Vogt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Umgang der Bundesregierung mit nicht verbrauchten und in Sondervermögen geparkten Notkrediten war aus norddeutscher Perspektive zur Unzeit gefallen. Und so sprach Northvolt-Deutschlandchef Christofer Haux gegenüber dem Abendblatt zuletzt denn auch von einer „sehr unglücklichen Botschaft“ zu einem „unglaublichen Zeitpunkt“. Was Schleswig-Holstein Hoffnung machte, war Haux‘ folgender Satz: „Wir wollen diese Fabrik bauen“, sagte der Manager. Aber innerhalb der nächsten Wochen brauche man Klarheit von der Bundesregierung. Die hat Haux seit dem Wochenende.