Kiel/Berlin. Nach einem Gerichtsurteil sind in Heide 3000 Jobs und die Batterie-Produktion in Gefahr. Deutschland-Chef: Es gibt keinen Plan B.

Für die „Bundes-Ampel“ dürfte es eine Ansiedlung unter vielen sein, für Schleswig-Holstein ist es das Zukunftsprojekt schlechthin: der Bau einer Fabrik für energieneutral erzeugte Autobatterien in Heide. Der schwedische Konzern Northvolt plant in Dithmarschen ein Werk mit 3000 Jobs, gerechnet wird darüber hinaus mit noch einmal so vielen Arbeitsplätzen bei Zulieferern und Dienstleistern.

An der strukturschwachen Westküste im strukturschwachen Norden verspricht man sich mit der Northvolt-Ansiedlung nicht weniger als ein „neues Kapitel schleswig-holsteinischer Wirtschaftsgeschichte“. Oder muss es „versprach“ heißen – nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Umgang mit den Haushaltsmilliarden? Der Druck durch Politik, Investoren und Gewerkschaft auf das Bundeswirtschaftsministerium steigt, an der Zusage festzuhalten.

Schleswig-Holstein: Northvolt fordert Klarheit für Bau von Megafabrik für Batterie-Produktion

Die Entscheidung der Karlsruher Richter kam jedenfalls zur Unzeit für das Megaprojekt in Dithmarschen: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte rund 600 Millionen Euro Investitionszuschuss – der Bau der Fabrik kostet 4,5 Milliarden Euro – fest zugesagt. Das Geld sollte aus dem jetzt abgewickelten Klima- und Transformationsfonds kommen.

Das Bundesland Schleswig-Holstein legt noch einmal 137 Millionen Euro drauf. Mit einer endgültigen Genehmigung dieser Beihilfen durch die EU-Wettbewerbskommission wird in den nächsten Tagen gerechnet.

Northvolt: 50 Fachleute aus Südafrika arbeiten schon in Schleswig-Holstein

Northvolt selbst hat schon um die 100 Millionen Euro ausgegeben, um die Äcker zu kaufen und planieren, Gas- und andere Leitungen zu verlegen. An die 50 Fachleute aus Südafrika oder Irland arbeiten schon am Projekt.

In diese Gemengelage platzte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Und so spricht Northvolt-Deutschlandchef Christofer Haux gegenüber dem Abendblatt denn auch von einer „sehr unglücklichen Botschaft“ zu einem „unglaublichen Zeitpunkt“. Weil die Schweden dennoch weiter an eine positive Nachricht glauben, treiben sie das Projekt in Heide trotz der Unsicherheiten weiter voran. „Wir wollen diese Fabrik bauen“, so der Manager. Es gebe keinen Plan B. Aber: „Innerhalb der nächsten Wochen brauchen wir Klarheit“, fordert Haux eine zeitnahe Entscheidung der Bundesregierung.

Bundesland und IG Metall Küste unterstützen Ansiedlung

Unterstützt wird das Unternehmen von der Kieler Landesregierung und der IG Metall Küste. So mahnt Gewerkschaftschef Daniel Friedrich die Bundesregierung mit Blick auf künftige Investitionen, Zusagen einzuhalten. Es stehe weit mehr auf dem Spiel nur als der Bau der Batteriezellenfabrik. „Sonst geht das Vertrauen internationaler Konzerne in Deutschland verloren.“

Wie Haux (und der Kieler Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen) fordert Friedrich eine schnelle Zusage der Bundesregierung, dass sie die zugesagten Gelder zahlt. „Nichts ist schlimmer für die Wirtschaft als Unsicherheit.“ Für den Gewerkschafter Friedrich wäre eine Northvolt-Ansiedlung auch ein wichtiges Signal, dass die Energiewende und eine „klimagerechte Zukunft“ neue Jobs in großer Zahl schafften.

Folgen des Urteils treffen drei CDU-regierte Länder besonders hart

Die CDU hatte erfolgreich gegen die „Ampel“ und ihre Schattenhaushalte geklagt. Nicht nur die Bundes-, sondern auch Landesregierungen hatten zuletzt die Schuldenbremse umgangen, in dem sie nicht verbrauchte Corona- oder Ukraine-Notkredite in Sondervermögen oder Transformationsfonds parkten und später daraus ganz andere Projekte finanzierten. Und so frohlockte CDU-Chef Friedrich Merz denn auch, das Karlsruher Urteil sei eine „historische Entscheidung“ und „Sieg für die Steuerzahler“.

Nur: Die Folgen dieses „Sieges“ treffen ausgerechnet drei CDU-regierte Bundesländer und die dort geplante Ansiedlung großer Zukunftsbetriebe besonders hart. Neben dem Batteriezellenwerk in Heide ist jetzt auch der Bau zweier Chipfabriken in Magdeburg und Dresden wieder gefährdet.

Kieler Regierung erwartet Zusage aus Berlin

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich am Montag mit den Wirtschafts- und den Energieministern der Länder über die Folgen des Urteils ausgetauscht. Zwar wolle er an der Förderung von Zukunftsprojekten in Milliardenhöhe festhalten - nur wie das gehen soll, sagte er nicht.

Der Kieler CDU-Minister Claus Ruhe Madsen erwartet eine „klare Zusage aus Berlin“, dass sich die Bundesregierung bei „weit vorangeschrittenen Projekten wie der Ansiedlung von Northvolt an ihr Wort hält“. Sonst würde das Vertrauensklima bei Investoren nachhaltig gestört. „Wir erwarten ein glasklares Signal. Robert Habeck und die Bundesregierung wissen um die Bedeutung des Projekts für ganz Europa“, sagte der Minister mit deutschem und dänischem Pass.

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Diese Bedeutung leitet Northvolt-Chef Christofer Haux auch aus der Entwicklung der Automobilindustrie ab, von der Deutschland abhängig sei. In den vergangenen vier Jahren habe sich der Exportüberschuss mehr als halbiert. Und schon 2024 werde die deutsche Automobilindustrie vermutlich mehr Zubehörteile – wie die Batterien für E-Autos – importieren müssen als exportieren können.