St. Peter-Ording. Eva Rimkus sucht seit Herbst nach einer Wohnung an der Nordsee – ohne Erfolg. Sie überwintert nun in einem Wohnwagen.
Im Sommer war es noch schön. Als es warm und überwiegend trocken war, hat sich Eva Rimkus in ihrem provisorischen Zuhause wohlgefühlt. Doch das Leben im Wohnwagen auf einer Hofeineinfahrt in St. Peter-Ording ist schon lange keine Idylle mehr. Die selbstständige Hundephysiotherapeutin sucht seit dem Herbst eine Wohnung. Bislang vergeblich. Denn Wohnraummangel ist schon lange kein Großstadtthema mehr. In den begehrten Küstenorten wird es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden.
Der Traum vom Leben am Meer hielt bis zur Trennung von ihrem Freund vor einem halben Jahr. Dann musste Eva Rimkus aus seiner Wohnung in Dithmarschen ausziehen. Vor vier Jahren war die 41-Jährige aus Nordrhein-Westfalen in den Norden gezogen. Die ehemalige Erzieherin und Sprachtherapeutin hat hier ein neues Leben gestartet, privat und beruflich, und betreibt eine mobile Hundephysiotherapie zwischen St. Peter-Ording und Büsum.
Nordsee: Wohnwagen dient als provisorische Lösung
Sie weiß, dass es hier im Sommer toll ist und im Winter dunkel und still ist. Sie mag das sehr. Doch lieber würde sie den trostlosen Winter in einer richtigen Wohnung mit Heizung und Dusche als in einem etwa acht Quadratmeter großen gebrauchten Wohnwagen verbringen. Dieser steht seit dem Sommer bei Freunden vor dem Haus nahe dem Gewerbegebiet. Leben auf kleinstem Raum ist eigentlich gerade sehr angesagt. Tiny Houses und entsprechende Grundstücke sind begehrt. Gegen Minimalismus hat Eva Rimkus auch nichts, aber ein Wohnwagen ist eben kein kleines Haus.
Das Leben an der Nordsee hat nicht immer Meerblick. Stattdessen schaut Eva Rimkus aus ihren Wohnwagenfenstern auf das Haus ihrer Freunde zur einen und zur Straße auf der anderen Seite. Sie darf bei den Freunden duschen und hat dort auch einige ihrer Sachen gelagert. Das hilft ihr und ist doch kein Dauerzustand. Als erwachsene Frau so abhängig zu sein, das nerve sie schon. Und auf einen Campingplatz dauerhaft zu stehen, war nicht möglich, weil es für Saisonstellplätze lange Wartelisten gebe. „Und leider war es für mich auch zu teuer.“ Bis zu 1000 Euro warm hätte es sie im Monat gekostet.
Zwei Hunde beanspruchen zusätzlichen Platz im Wohnwagen
Mit ihren zwei Hunde-Senioren Emmy und Joey ist es sehr eng im Wohnwagen. „Bei dem Wetter ist draußen alles matschig, das tragen wir in den Wohnwagen, für die Arbeit ist da kein Platz mehr“, sagt Eva Rimkus. Und wie zum Beweis hüpft ihr Podenco-Rüde Joey auf den Wohnzimmer- und Esstisch, unten auf dem Boden war gerade kein Platz. Der Wassernapf der Hunde steht immer im Weg, sagt Eva Rimkus und lacht. Die Gasheizung im Wohnwagen ist in diesem Winter bereits zum zweiten Mal kaputt, so dass sie den Raum mit einer Elektroheizung warm hält. „Ich hoffe nur, dass es in diesem Winter keine Minusgrade mehr gibt, das würde die Heizung nicht schaffen.“
Das Leben im Camper, dieses Van-Life, das in den sozialen Medien vorgelebt wird, mit Campern in Portugal, Spanien oder Griechenland, findet Eva Rimkus auch toll. Damit hat ihr Alltag hier in Norddeutschland aber derzeit gar nichts zu tun. Und dann sagt sie, dass es vielen Menschen viel schlechter geht als ihr, dass es Menschen ganz ohne warmes Bett aushalten müssen und dass ihr Wohnwagen dagegen purer Luxus sei. „Luxus brauche ich auch keinen. Ich möchte nur meine Ruhe und etwas Gemütlichkeit.“
Auch Gastronomen und Hoteliers haben kaum Wohnungen für Personal
In den beliebten Orten an Nord- und Ostsee, auf den Insel ohnehin schon, wird es für Einheimische zunehmend schwierig, geeigneten und vor allem bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das macht es auch für Hoteliers und Gastronomen so schwer, ihre Mitarbeiter unterzubringen. „Tatsächlich ist Wohnungsraum zu finden in St. Peter-Ording und Region schwierig geworden und man kann sagen, dass die Lage die einer Stadt ähnelt“, sagt Christian Sroka von den Heimathafen Hotels (Beachmotels, Lighthouse, Bretterbude). „Natürlich gibt es Wohnungen auf dem Markt – aber Wohnungen, die den Ansprüchen und den preislichen Vorstellungen treffen, die sind rar.“
Die Hoteliers haben sich daher zum Nordseekollektiv zusammengeschlossen (wir berichteten), um gemeinsam Mitarbeiterwohnungen anzumieten. „Dieses ist und soll meist keine langfristige Lösung sein, sondern vielmehr den Mitarbeitern den Druck nehmen auf Krampf eine Wohnung zu finden und letzten Endes auch zu nehmen. Ich denke, dass sich die Wohnlage nicht nur bei uns an der Küste zuspitzt, sondern überregional hiermit zu kämpfen ist“, so Sroka.
Bürgermeister von St. Peter-Ording: Wohnraummangel ist "größtes Problem"
Jürgen Ritter, Bürgermeister von St. Peter-Ording, sagt es ganz deutlich: „Wohnraummangel ist das größte Problem, das wir haben. Wir müssen die schärfsten Schwerter, die wir haben, ziehen. Sonst kann das Dorf nicht überleben. Wenn die Menschen, die hier arbeiten, hier nicht leben können, bluten wir aus.“ Der Elektroinstallateur, der in St. Peter-Ording arbeitet, aber im Umland lebt, wird sich kaum für die Dorfgemeinschaft engagieren, genauso wenig wie die Musiklehrerin, die hier arbeitet und woanders lebt, sagt Ritter.
„Diese Leute fehlen der Dorfgemeinschaft, auch der freiwilligen Feuerwehr zum Beispiel. Ich kann nicht sagen, ob wir in fünf Jahren noch eine Feuerwehr auf freiwilliger Basis haben.“ Für diese Menschen müsse es dringend wertigen Wohnraum geben. Immerhin: Ein Bauprojekt im Ortsteil Böhl geht in die nächste Phase. Im Mai oder April könnte dort mit der Erschließung begonnen werden, so Ritter. 54 Bauplätze für Einfamilienhäuser stehen dort zur Verfügung, und zwar für Dauerbewohner und keine Ferienhausnutzer.
Wohnen in St. Peter-Ording: Eva Rimkus ist optimistisch
Eva Rimkus ist keine, die jammert, sondern optimistisch und zuversichtlich wirkt. „Ich bin selbstständig und brauche aber einfach ein Büro.“ Sie hat keine großen Ansprüche: Ein zwei Zimmer würden genügen, bis 600 Euro warm. Eine höhere Miete sei für sie als Existenzgründerin derzeit noch nicht drin. „Es gibt hier einfach unfassbar wenig auf dem Wohnungsmarkt, was bezahlbar ist. Die beiden Hunde sind dann das k.o-Kriterium.“ Da ihr Einsatzgebiet auf Eiderstedt und in Dithmarschen ist, wäre eine Wohnung rund um St. Peter-Ording am besten.
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„Man fühlt sich als Mensch zweiter Klasse, ohne Mann und ohne Kinder, aber dafür mit Hunden. Als wäre man asozial“, sagt Eva Rimkus. Ihre Hunde seien mit elf und zwölf Jahren ohnehin ruhig. Sicher bellt Emmy schon mal. „Sie schlägt an, wenn jemand an der Tür klopft.“ Bereut sie ihr neues Leben in Meeresnähe? „Nein überhaupt nicht. Mein Vater findet mich zwar völlig bekloppt, aber meine Mutter ist stolz auf mich, wie ich mich durchs Leben kämpfe.“