Hamburg. Koalition stärkt Günther den Rücken – der will den Passus zum “Modellprojekt“ nutzen, um seinen Öffnungsplan voranzutreiben.

In stundenlangen Verhandlungen haben sich Bund und Länder am Montag auf ein Paket von zwölf Beschlüssen geeinigt, mit dem die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen werden soll – zu den dringenden Mahnungen an die Deutschen gehört auch der Appell, "auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten", wie es in dem gemeinsamen Papier heißt.

Eine Niederlage besonders für Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte sich noch am Wochenende zusammen mit seinen Amtskolleg*innen Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Stephan Weil (Niedersachsen, beide SPD) für die Möglichkeit des Osterurlaubs im eigenen Bundesland zumindest in Ferienwohnungen ausgesprochen – die Hoteliers hatten noch weitreichendere Forderungen, wollten, dass ihre Betriebe öffnen dürfen.

Schleswig-Holstein setzt Oster-Lockdown um

Günther betonte in seinem Statement am Dienstag mehrfach, man sei in Schleswig-Holstein "weitgehend abgekoppelt" vom Infektionsgeschehen auf Bundesebene, das der Ministerpräsident als "teils besorgniserregend" bezeichnete. Er mahnte besonders zur Vorsicht bei "privaten Kontakten", die der hauptsächliche Treiber der Infektionszahlen seien. Ausgangssperren, die zum möglichen Instrumentarium bei steigenden Infektionszahlen gehören, schloss Günther aus.

Die sogenannte Osterruhe wird dennoch auch Schleswig-Holstein durchführen, einen Alleingang hatten bereits am Mittag die Fraktionschefs der Jamaika-Koalition ausgeschlossen. Die genauen Öffnungsmöglichkeiten für den Einzelhandel während der Ostertage würden durch eine Verordnung auf Bundesebene geregelt, die noch nicht vorliege, so Günther.

"Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir andere Schritte gemacht", sagte der Ministerpräsident mit Blick auf den Oster-Lockdown, es sei aber nicht klug, "wenn jeder in seinem Land sein eigenes Ding macht". Gleichzeitig kündigte Günther an, er wolle nach Ostern mit den sogenannten "Modellprojekten" beweisen, dass Urlaub in Deutschland ohne Infektionsgefahr möglich sei.

Weitreichende Öffnungen durch "Modellprojekte"

Der Bund-Länder-Beschluss sieht vor, dass Länder "Modellprojekte" ausweisen können, in denen regional und zeitlich begrenzt Lockerungen ermöglicht werden. Genau diese will Günther nach Ostern nutzen, um weitgehende Öffnungen in "vielen Bereichen" durchzusetzen. "Bis Ende der Woche" werde man in der Regierung besprechen, welche Regionen dafür infrage kommen.

Die nordfriesischen Inseln beispielsweise seien grundsätzlich gut geeignet – jedoch wolle er dem verabredeten Prozedere, demzufolge jedes Ministerium in seinem Zuständigkeitsbereich untersucht, welche Region geeignet sei, nicht vorgreifen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt hatte am Mittag gesagt, er könne sich die Stadt Kiel und die Westküste des Landes als derartige Modellregionen vorstellen. Auch die Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben sprach sich für die Einrichtung solcher Gebiete nach Ostern aus. In Gebieten mit besonders niedrigen Infektionswerten sollten mit Tests Erleichterungen nicht nur im Tourismus, sondern auch in der Kultur möglich sein, sagte sie.

Außengastronomie in Schleswig-Holstein soll nach Ostern öffnen

Von der explizit erwähnten Schließung der Außengastronomie während der Ostertage ist Schleswig-Holstein nicht betroffen: Nachdem Günther ursprünglich eine Öffnung ab dem 22. März angestrebt hatte, musste diese Lockerung noch vor Inkrafttreten zurückgenommen werden – die Zahl der Neuinfektionen hatte die Inzidenz wieder über den Grenzwert von 50 steigen lassen.

Dass die Außengastronomie nun nach Ostern auch bei Werten zwischen 50 und 100 öffnen dürfe, wertete Günther als Erfolg Schleswig-Holsteins. Für die Zeit nach Ostern, genauer ab dem 12. April, kündigte er eine Öffnung in diesem Bereich an – überall, wo die Inzidenz unter 100 liegt.

Kein Alleingang zu Ostern in Schleswig-Holstein

Am Vormittag hatte die Jamaika-Koalition besprochen, wie Schleswig-Holstein die gefassten Beschlüsse umsetzen wird. Schon bevor Ministerpräsident Günther gegen 16 Uhr vor die Kameras trat, äußerten sich die Koalitionspartner und seine eigene Partei. „Es gibt keine Einigung in der Koalition auf einen Alleingang“, sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. „Dabei bleibt es.“

 Noch am vergangenen Mittwoch – bei den aufgrund der auch im Norden stetig steigenden Infektionszahlen notwendig gewordenen Einschränkungen der Lockerungen – hatte Günther das Verhandlungsziel ausgegeben, ab Ostern Reisen innerhalb Deutschlands zu erlauben. Es seien "im Beherbergungsbereich keine großen Infektionszahlen zu erwarten", hatte der Ministerpräsident gesagt. Nun aber ist im Beschluss von Bund und Ländern zum Thema Reisen nur der Appell geblieben, genau dies zu unterlassen – egal, ob im In- oder Ausland.

Koalition stärkt Günter den Rücken – SPD mit scharfer Kritik

CDU-Fraktionschef Tobias Koch verteidigte Günther: Es sei richtig, vor einer solchen Konferenz Position zu beziehen, erklärte Koch. „Dass der Ministerpräsident beschädigt ist, sehe ich in keinem einzigen Punkt.“ Auch von Kalben betonte, Günther habe extrem für die gewünschte Regelung gekämpft. Beide sehen ihn durch die nun fehlende Reiseregelung nicht beschädigt.

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) kritisierte Günther dagegen scharf. „Wir haben ihn nun zum x-ten Mal davor gewahrt, Versprechungen zu machen, von denen er schon vorher wissen musste, dass er sie nicht halten kann“, sagte Stegner mit Blick auf die Urlaubsdiskussion. „Schlimmer als Beschränkungen selbst ist die ewige Enttäuschung, die er mit dieser Taktik bei den Betroffenen auslöst.“

Grünen-Fraktionschefin nennt Verhandlungen "ein bisschen chauvinistisch"

Von Kalben kritisierte den Ablauf der Verhandlungen: Statt nach einer Unterbrechung am Dienstag weiterzuverhandeln, sei bis tief in die Nacht diskutiert worden: Diese Art der Politik sei unmodern. „Ein bisschen chauvinistisch aus meiner Sicht und dumm.“ Ein Politikstil „wer hält am längsten durch“ sei der Ernsthaftigkeit der Lage nicht angemessen.

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Die aktuelle Corona-Lage in Schleswig-Holstein

Nachdem der Sieben-Tage-Wert am 13. März erstmals die Marke von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner innerhalb von einer Woche überschritten hatte, ist er kontinuierlich weiter gestiegen: Am Montagabend meldete das Land eine landesweite Inzidenz von 60,2, acht Kreise und kreisfreie Städte liegen teils deutlich über dem Grenzwert von 50 – und nur noch zwei (Nordfriesland und Plön) unter dem vor drei Wochen unter anderem auf Betreiben Schleswig-Holsteins gekippten Grenzwert von 35.

 Schon am Mittwoch wird die Landesregierung wieder zum Thema Corona-Regeln tagen: Günther hatte eine wöchentliche Aktualisierung der Corona-Regeln für unter anderem den Einzelhandel immer am Mittwoch angekündigt. Neben den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie den Städten Neumünster und Flensburg, die schon vergangene Woche eine Inzidenz von mehr als 50 aufwiesen, rückt eine Einschränkung des Einzelhandels auf das Prinzip "Click & Meet" nun auch in Dithmarschen und Kiel näher.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).