Timmendorfer Strand. Abriss der Maritim-Seebrücke hat begonnen – unter widrigen Bedingungen. Bis Sommer 2022 soll dort ein spektakulärer Neubau entstehen.
Seit drei Jahren laufen die Vorbereitungen, an diesem Donnerstag konnte nun endlich mit dem Abbruch der alten Maritim-Seebrücke in Timmendorfer Strand begonnen werden. Das Bauwerk mitten im Ort war nach 44 Jahren marode und muss ersetzt werden. Als Ersatz bekommt das beliebte Ostseebad einen recht spektakulären modernen Neubau.
Bei einem EU-weiten Wettbewerb hatte sich das Berliner Büro Schlaich Bergermann Partner durchgesetzt. „Für uns war wichtig, dass wir mit der Brücke ein Alleinstellungsmerkmal haben“, sagt Gesine Muus, 1. Werkleiterin des Kurbetriebs Timmendorfer Strand.
Denn der Entwurf, der aussieht wie eine Schlinge oder ein etwas verzogener Lacrosse-Schläger, macht künftig einen Rundgang auf der Ostsee möglich. Der Brückenkopf wird eine Breite von 7,20 Metern haben – ausreichend Platz, damit Hochzeiten dort ermöglicht werden, so Muus.
Gesamtlänge der Brücke beläuft sich auf 427 Meter
„Es ist mit mehr als acht Millionen Euro ein Großprojekt“, sagt die 39-Jährige, die ihren Job 2015 übernommen hat. Neben der besonderen Form habe die neue Brücke nicht nur einen Anleger für Bäderschiffe, sondern wie gewünscht auch einen etwa 20 Meter langen Anleger für Sportboote, „damit sich Segler auch mal ein Eis holen können“, so Muus, deren Abteilung für touristische Infrastruktur und Bauprojekte in Timmendorfer Strand zuständig ist.
Von der Promenade bis zur Spitze misst die neue Seebrücke wie die bisherige 250 Meter, durch den Rundlauf beläuft sich die Gesamtlänge allerdings auf 427 Meter. Die Fläche beträgt insgesamt rund 2100 Quadratmeter. „Die neue Brücke soll mindestens 50 Jahre halten“, sagt Muus, „die Planer sagen, technisch seien sogar 100 Jahre möglich.“ Das Brückendeck steigt ihren Angaben zufolge von der Strandpromenade aus sanft zu einem mittigen Hochplateau an, verzweigt sich dort und fällt dann zur Brückenspitze hin wieder allmählich ab.
Die Brücke wird nachts mit LED-Streifen beleuchtet
Das Tragwerk des Neubaus ist aus Stahl geplant, das Geländer ist aus einem sehr transparent wirkenden Edelstahlseilnetz mit einem Handlauf aus Holz: „Das Netz ist kaum sichtbar“, sagt Muus. Über den Belag für die Lauffläche müsse noch entschieden werden, angedacht sei Bongossi. Diese Holzart zählt zu den härtesten und witterungsbeständigsten, sie wird häufig für Brücken und andere Wasserbauten eingesetzt. Man werde auf jeden Fall nachhaltig zertifiziertes Bongossi benutzen, versichert die 1. Werkleiterin.
Für ein unverwechselbares Erscheinungsbild in der Nacht soll zudem eine blendfreie Beleuchtung sorgen. Quer zum Brückenverlauf sollen im Holzbelag dazu Lichtlinien verlegt werden. „Die LED-Leuchtstreifen werden in den Fugen verlegt“, sagt Uwe Burghardt vom Ingenierbüro Schlaich Bergermann Partner. Das Büro habe viel Erfahrungen mit Fußgängerbrücken, eine Seebrücke sei etwas Besonderes.
Und die Form einer Schlinge sei auch ungewöhnlich, sagt Burghardt. Ein Blick auf die Projekte des Berliner Büros zeigt spektakuläre Entwürfe, die in aller Welt umgesetzt wurden. In Hamburg waren die Ingenieure laut Burghardt als Planer an der S-Bahn-Station Elbbrücken und am ZOB beteiligt.
Auch die Abrissarbeiten sind spektakulär
Spektakulär gestalten sich auch die Abbrucharbeiten. Vom Wasser aus erledigen ein Schiff und eine Schute auch den kompletten Rückbau der jetzigen Seebrücke bis zum Seebrückenvorplatz. Dafür werden zunächst die alten Verbindungen freigebohrt, um anschließend die einzelnen Brückenfelder mittels Schwerlastkran, der auf einem Ponton steht, in eine Schute zu verladen. Dort, wo die Wassertiefe nicht ausreicht, wird von der Landseite aus gearbeitet und die Abbruchteile werden seewärts verschleppt, um ebenfalls auf Schuten verladen zu werden.
Die alten Brückenbauteile werden über die Ostsee nach Barth (Mecklenburg-Vorpommern) transportiert, um dort am neuen Standort der Deutsch Dänischen Wasserbau GmbH beispielsweise als Flächenbefestigung eines Lagerplatzes eingebaut zu werden. So wird auch dem Thema Nachhaltigkeit durch Wiederverwertung Rechnung getragen.
Nach der Demontage des Brückenüberbaus werden die Stahlpfähle der alten Seebrücke bis ca. 1,5 Meter unter dem Meeresboden freigebaggert, damit die Pfähle aus Gründen der Schiffssicherheit bis einen Meter unter Meeresgrund gekappt werden. Dafür werden Taucher Brennarbeiten unter Wasser an den freigelegten Pfahlschäften durchführen. Auch diese Bauteile werden geborgen und ebenfalls in Schuten zum Abtransport Richtung Barth verladen. Anschließend werden die Krater wieder mit seitlich gelagerten Meeresboden verfüllt.
Eröffnung der Seebrücke im August 2022
Starker Wind, Schnee und Eis stellten die Beteiligten gleich zu Beginn der Arbeiten vor zusätzliche Herausforderungen. Schute und Ponton konnten erst mit einer Woche Verspätung von ihrem derzeitigen Liegeplatz in Rostock nach Timmendorfer Strand verbracht werden. Eisanhaftungen an der Seebrücke erschweren die Arbeiten und erfordern Zähigkeit und Durchhaltevermögen der Arbeiter vor Ort, die der Eiseskälte trotzen müssen.
Gesine Muus ist dennoch optimistisch, dass der vorgegebene stramme Zeitplan eingehalten wird: „Sofern nicht noch außergewöhnliche Wetterereignisse eintreten, werden die Abrissarbeiten rechtszeitig zur Hauptsaison beendet. Allerdings ist ein sicheres Arbeiten von der Wasserseite ab Windstärke 4 aus Osten und Wellenhöhen von einem Meter nicht mehr möglich.“
Wenn alles planmäßig läuft, sollen die Bauarbeiten im September dieses Jahres beginnen. Eröffnet werden könnte das neue Bauwerk dann im August 2022. Das bedeutet aber auch, dass das Ostseebad bis dahin zwei Saisons lang mit den beiden anderen Seebrücken in der Gemeinde auskommen muss.
Bauarbeiten vermutlich keinen Einfluss auf Urlauber
„Viele Leute machen gerade Selfies mit der alten Brücke“, hatte Gesine Muus noch in den letzten Tagen vor dem Abriss festgestellt. Tourismuschef Joachim Nitz ist sicher, dass die Besucher auch die Bauarbeiten an der neuen Seebrücke mit Interesse verfolgen werden. Und dann gebe es ja noch die sogenannte Seeschlösschenbrücke mit dem japanischen Teehaus und die „Fischkopf-Seebrücke“ in Niendorf, die den Namen der Form des Brückenkopfes verdankt.
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Wichtig sei, dass so ein Bauprojekt die Gäste nicht abhalte, zu kommen, sagt Nitz. Doch da ist er zuversichtlich, denn bei seiner früheren Aufgabe als Tourismuschef im benachbarten Scharbeutz sei acht Jahre lang die Promenade gebaut worden – und die Menschen hätten trotzdem ihre Urlaube gebucht. „So ein Projekt ist ja auch spannend.“