Kiel. Priorität haben derzeit die Zweitimpfungen. Die Terminvergabe für Erstanwendungen ist dauerhaft gestoppt. Das ist der Grund.

Schleswig-Holstein zieht die Reißleine: Wegen aktueller Lieferprobleme beim Biontech-Impfstoff soll es zunächst weder in den Impfzentren noch bei den mobilen Teams Corona-Erstimpfungen geben. „Wir reduzieren deutlich, deutlich die Erstimpfungen“, sagte Sozialminister Heiner Garg (FDP).

Ab wann und für wie lange diese Regelung gilt, blieb am Mittwoch unklar. In einer am Dienstagabend versandten Pressemitteilung des Sozialministeriums hieß es: „Als Reaktion auf die geringeren Liefermengen wird Schleswig-Holstein vorerst einen besonderen Schwerpunkt auf die Absicherung der Zweitimpfung legen. Aus diesem Grund wird die angekündigte Aussetzung der Vergabe von Impfterminen für die Erstimpfungen in den Impfzentren zunächst weitergeführt.“

Biontech baut Werk in Belgien um

Die Lieferprobleme sind bereits seit dem vergangenen Freitag bekannt. Damals hatte der Impfstoffhersteller Biontech bekannt gegeben, die Produktion im seinem belgischen Werk zunächst herunterfahren zu wollen, um dann nach einem Umbau mehr Dosen liefern zu können.

Hamburg stoppte deshalb bereits am Freitag die Vergabe neuer Termine. Schleswig-Holstein reagierte am Montag, stoppte allerdings nur die Vergabe von Terminen für die kommende Woche. In der an jenem Tag versandten Pressemitteilung hieß es zudem: „Bereits in den vergangenen Wochen gebuchte Termine in den Impfzentren für Erst- oder Zweitimpfung finden wie gebucht statt. Gleiches gilt für Impfungen in Krankenhäusern und in Altenpflegeeinrichtungen.“

Zweitimpfungen finden wie vorgesehen statt

Am Tag darauf war von Erstimpfungen nicht mehr die Rede. Stattdessen verkündete das Ministerium: „Alle terminierten Zweitimpfungen finden auch in den kommenden Wochen wie geplant in den Impfzentren statt. Auch in den Kliniken werden die Zweitimpfungen wie vorgesehen stattfinden. Ebenfalls konzentrieren sich die mobilen Impfteams auf die Zweitimpfungen.“

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Das Ministerium korrigiert zugleich Angaben zu der noch zur Verfügung stehenden Impfstoffmenge. Am Montag hatte es auf Abendblatt-Anfrage geheißen, dass bis Sonntag 72.000 Biontech-Dosen geliefert und davon knapp 66.000 Dosen verimpft worden seien. Am Mittwoch machte das Ministerium eine andere Rechnung auf - unter anderem wegen einer am Dienstag überraschend eingetroffenen Lieferung. Noch am Montag hatte das Ministerium darüber geklagt, dass „Zeitplan und Umfang kommender Lieferungen unklar“ seien. Doch dann kamen erfreulicherweise 29.250 weitere Biontech-Dosen an.

Lage besser als zunächst gemeldet

Deshalb ist die Lage nun besser als am Montag vom Ministerium gemeldet. Dennoch hat das Land entschieden, den Impfplan „anzupassen“, wie es in der Pressemitteilung heißt: „Priorität haben jetzt Zweitimpfungen und Impfungen in den Pflegeeinrichtungen.“ Minister Garg sagte, man habe anfangs wie Hamburg im Verhältnis 1:1 Dosen für die Zweitimpfung zurückgestellt. Nach dem Vorliegen verbindlicher Lieferzusagen seien dann aber die Erstimpfungen forciert worden.

Nun also die Kehrtwende: Die Zweitimpfungen werden forciert. Dabei wird laut Garg eine Sicherheitsreserve berücksichtigt. „Nach den Meldungen vom Freitag will sich niemand darauf verlassen, dass wirklich jede einzelne zugesagte Dose auch ankommt.“ Garg lobte Schleswig-Holsteins bisher geübte Praxis, neue Impftermine nur wochenweise zu vergeben, und sagte, manche anderen Länder hätten sie monatsweise vergeben: „Diese Länder müssen nun Impftermine absagen.“

Bei der Impfquote liegt Schleswig-Holstein vorn

Die neue Schwerpunktsetzung dürfte angesichts der Lieferprobleme und der doch recht weit fortgeschrittenen Erstimpfungen im nördlichsten Bundesland durchaus sinnvoll sein. Schleswig-Holstein hat mittlerweile einen sehr hohen Anteil seiner bisher erhaltenen Biontech-Dosen verimpft. Folge: Bei der Impfquote liegt Schleswig-Holstein bundesweit vorn. Weitere Folge: Die Lagerbestände sind deutlich geringer als etwa in Hamburg.

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Dort sind bis Dienstag 28.602 Bürger zum ersten Mal geimpft worden. Im Lager befinden sich nach Angaben des Sozialbehörde noch einmal rund 29.000 Dosen. Unabhängig vom Zeitpunkt der nächsten Lieferung kann Hamburg damit sicherstellen, dass jeder bisher Geimpfte seine Zweitimpfung bekommt. Das ist durchaus wichtig. Erst mit der zweiten Impfung liegt der volle Corona-Schutz vor. Allerdings gilt dies nur, wenn eine wichtige Bedingung erfüllt ist. Die zweite Impfung muss in einem schmalen Zeitfenster erfolgen – 21 bis 42 Tage nach der ersten. Geschieht dies nicht, ist die erste Impfung gewissermaßen verloren.

22.000 Dosen fehlen, um Zweitimpfung zu geben

In Schleswig-Holstein gibt es diese Hamburger Impfgarantie nicht. Welche Rechnung man auch immer aufmacht: den bislang rund 69.000 Erstgeimpften steht ein entsprechender Lagerbestand nicht mehr gegenüber. Nach aktuellen Angaben des Ministeriums gibt es derzeit eine Reserve von rund 47.000 Dosen.

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Rund 22.000 Dosen fehlen demnach, um den 69.000 Erstgeimpften eine Zweitimpfung zu geben. Folglich muss Schleswig-Holstein – dringender als Hamburg - darauf hoffen, dass es bald weitere Lieferungen gibt. Lieferungen eines Herstellers, auf dessen Zusagen man sich nicht uneingeschränkt verlassen kann.

Englische Mutante auch in Schleswig-Holstein nachgwiesen

In der Landtagsdebatte am Mittwoch spielte dieses Thema nur am Rande eine Rolle. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erläuterte die aktuellen Beschlüsse zur Fortsetzung des Lockdowns bis Mitte Februar. Günther machte insbesondere auf die Gefahren durch Corona-Mutationen aufmerksam.

Die englische Mutante B.1.1.7 ist, wie bereits berichtet, auch in Schleswig-Holstein festgestellt worden. Schon im November war sie in Dänemark aufgetaucht. Besonders häufig ist sie im Süden des Landes anzutreffen, direkt hinter der  Grenze. Günther deutete an, dass deshalb die Grenzkontrollen verstärkt werden sollten. „Dieses Thema muss auf europäischer Ebene geregelt werden“, sagte der Ministerpräsident. „Wir müssen die Schleswig-Holsteiner schützen.“