Westerland. Es waren massenhafte Regelüberschreitungen auf der Nordseeinsel befürchtet worden. Das Abendblatt war vor Ort.

Erst lange Staus vor der Autoverladung in Niebüll, dann verstopfte Straßen rund um den Westerländer Bahnhof, und auch vor vielen Corona-Teststationen und so manch einem Fischbrötchen-Stand bildeten sich beachtliche Warteschlangen. Wer das Pfingstwochenende auf Sylt verbracht hat, der musste vielerorts Geduld mitbringen. Und eine ordentliche Regenjacke im Gepäck konnte auch nicht schaden.

Beides aber brachten die meisten ganz offensichtlich gerne mit, um endlich den womöglich ersten richtigen Urlaub nach langer Zeit erleben zu dürfen. Und Sylt ist als Reiseziel begehrt wie eh und je.

Sylt war auf Gästeansturm zu Pfingsten vorbereitet

„Wir haben in etwa so viele Gäste verzeichnet wie in Vor-Corona-Jahren“, sagte Raphael Ipsen vom Sylter Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). „Der Unterschied war aber, dass die gastronomischen Kapazitäten durch die Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen natürlich eingeschränkt waren. So konnten nicht immer alle, die gerne essen gehen wollten, dies auch immer tun. Ohne Reservierung ging in vielen Restaurants nichts“, so Ipsen.

Überrascht oder gar überrumpelt von dem Gästeansturm sei Sylt aber keinesfalls gewesen. „Wir waren gut vorbereitet und in der überwiegenden Mehrheit der Fälle haben die Abläufe reibungslos geklappt“, so Ipsen weiter.

Pfingsten auf Sylt: Viele Regelüberschreitungen befürchtet

Im Vorwege hatte es Stimmen gegeben, die massenhafte Regelüberschreitungen zu Pfingsten befürchteten. Wohl auch, weil das Ordnungsamt schon Mängel beanstandete, bevor es überhaupt losging. Von 20 Fällen war die Rede, in denen die Gastronomen nachbessern mussten und etwa die Tische weiter auseinanderzustellen oder die Zahl der Gäste verringern mussten.

Ipsen betont aber: „Die Gaststätten waren nicht alle auf Sylt, sondern auch in anderen Teilen Nordfrieslands, also auf Föhr oder in St. Peter-Ording. Insgesamt handelt es sich also um 20 Beanstandungen bei circa 600 Betrieben, also ein sehr kleiner Teil.“ Auch im Verlauf der Feiertage habe sich die Lage in der Sache nicht geändert. „Nach unserer Kenntnis sind über die Feiertage keine neuen Verfügungen dazu gekommen“, so Ipsen weiter.

Urlaub auf Sylt als Belastungstest für Tourismusbranche

Wer in diesen Tagen mit Gastronomen auf der Insel sprach, der spürte allerdings nicht nur Freude darüber, an einem der umsatzstärksten Wochenenden im Jahr wieder Gäste empfangen zu dürfen, sondern auch Anspannung. Werden die Masken getragen, wo sie Pflicht sind? Werden die Abstände eingehalten? Sind die Gruppengrößen im Rahmen des Erlaubten?

Denn klar ist: Nicht nur die Ordnungsämter und Polizisten hatten in diesen Tagen einen Blick darauf, ob der Tourismus unter Corona-Bedingungen korrekt läuft. Das vergangene Pfingstwochenende darf wohl als erster großer Belastungstest stellvertretend für die gesamte Tourismusbranche bezeichnet werden. Ein Test unter Realbedingungen, auf den ganz Deutschland schaut.

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Auch die Sansibar ist an diesem Sonnabend gut besucht. Die Gäste warten sich trotz Wind und Nieselregen geduldig, einige machen noch schnell einen Coronatest in dem Testzelt auf dem Parkplatz vor dem Aufgang. Wie überall sonst auf der Insel gilt auch hier: Wer drinnen sitzen möchte, der muss ein tagesaktuelles Testergebnis vorzeigen, das von Restaurant-Mitarbeitern meist direkt am Eingang kontrolliert wird. Auch Sansibar-Wirt Herbert Seckler hat aufgestockt: „Neun Security-Mitarbeiter kümmern sich bei mir darum, dass alles glatt läuft.“

Sansibar auf Sylt: Erfahrungen aus vergangenem Sommer

Anfang Mai hat er die Sansibar nach sechsmonatelanger Pause wieder öffnen dürfen. „Wir sind im Wesentlichen bei dem Öffnungskonzept aus dem vergangenen Corona-Sommer geblieben. In diesem Jahr bringen also alle schon viel Erfahrung mit.“ Eine besondere Erleichterung im Alltag schaffe aus seiner Sicht auch die Luca-App. „Davon sind wir sehr begeistert. Außerdem spart man sich ein Team, das sonst nur damit beschäftigt wäre, durchzuzählen und die Kontaktdaten aufzunehmen und zu verwalten.“

Lohnt sich der Aufwand? Also auch wirtschaftlich? Seckler möchte nicht ins Detail gehen. Er sagt nur: „Ich kann verstehen, dass nicht alle, die öffnen können, es auch tun.“ Was viele Sorgen in diesen Tagen allerdings fast vergessen lassen würde, sei die Resonanz der Gäste: „Wir spüren hier jeden Tag, dass die Gäste es einem danken, dass man wieder da ist.“

Gäste warten teils länger als eine Stunde auf Einlass

Auf der sogenannten „Whiskymeile“ in Kampen sieht man die Luxus-Shopper, die Schampus-Kübel, die Luxuskarossen-Karawane und viele Menschen, die lange darauf gewartet haben, endlich wieder genau hier zu sein. Jugendliche und junge Erwachsene stehen rausgeputzt in Grüppchen vor den Lokalen.

Wer nicht reserviert hat, der wartet nicht selten länger als eine Stunde auf den Einlass. Aber egal. Die Stimmung in den Warteschlangen ist gut. Viele kennen sich von vorherigen Aufenthalten auf der Insel. Endlich ist wieder alles wie immer. Nur das „Küsschen, Küsschen“  fällt in diesem Jahr – zumindest in den Nachmittagsstunden – aus. Und wenn es mal nicht anders gehen sollte: Der Corona-Testbus steht direkt um die Ecke bereit.

Netz aus Corona-Teststationen zieht sich über Sylt

Wie fast überall auf der Insel, ist die nächste Testmöglichkeit nicht weit. Ein Netz aus Drive-in-Teststationen, Testzelten, -bussen und -stationen zieht sich über die Insel, sodass der ganze Prozess so beiläufig wie möglich verlaufen kann. Wohl auch angesichts der Tatsache, dass das Wetter eher durchwachsen und die wärmende Innengastronomie nur mit aktuellem Test möglich ist, bildeten sich hier und da allerdings durchaus längere Schlangen.

Und was geht auf Sylt noch gut, wenn die Temperaturen nicht so richtig mitspielen? Genau: Shoppen. Am Sonnabend ist die Westerländer Fußgängerzone jedenfalls so voll wie lange nicht mehr. Das freut auch Oliver Boettiger, Chef vom größten Modehaus H.B. Jensen in der Friedrichstraße. Auch er lobt die Luca-App. „Wir nutzen die App vor allen Dingen auch als Kundenzählmaschine. So muss nicht jeder Kunde manuell erfasst werden und wir haben immer einen guten Überblick, wie viele Personen sich im Geschäft befinden.“

Sylter Einzelhändler mit Umsätzen zufrieden

Auch mit den Umsätzen ist er zufrieden. „Viele Menschen holen jetzt nach, was monatelang nicht möglich war und machen jetzt größere Einkäufe.“ Besonders Kinderkleidung laufe derzeit gut. Ob er beim Blick auf die Straße an diesem Sonnabend den Eindruck habe, dass es zu voll ist? „Nein“, sagt er. „Es ist wie immer. Es ist wahrscheinlich nicht voller als in Vor-Corona-Zeiten, aber es kommt einem vielleicht so vor, weil man es nicht mehr gewöhnt ist.“

Westerland: Besucher sind bei Sonnenschein an Pfingsten in der Innenstadt unterwegs.
Westerland: Sylt-Urlauber sind bei Sonnenschein zu Pfingsten in der Innenstadt unterwegs. © Bodo Marks/dpa | Unbekannt

So oder so bleibt festzuhalten: Zu Gedränge oder größeren Menschentrauben kam es – zumindest während der Stippvisite des Abendblattes nicht. Stattdessen: Menschen, die dem Schietwetter trotzten und bei bester Laune in der Außengastronomie saßen. Was solls? Der Friesennerz hält trocken, der Heizpilz bringt einen Hauch von Sommerwärme und sowieso: Hauptsache wieder Urlaub. Und: Hauptsache Sylt.

Lediglich am Sonntag wurde von Kampen zwischenzeitlich "Land unter" gemeldet: Aufgrund des großen Besucherandrangs wurden die Zugänge zum Strand ab dem Mittag gesperrt.

Pfingsten auf Sylt: Weißwein mit Blick aufs Meer

Das fanden auch Marion und Eileen, die sich rund vier Kilometer entfernt vor dem Gosch-Restaurant in Wenningstedt ein Glas Weißwein mit Meerblick gönnen. Vor einer Woche sind sie aus Leverkusen angereist und kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr wieder raus.

Eine Frau sitzt bei Sonnenschein und blauem Himmel in einem Lokal nahe dem Strand und trinkt einen
Eine Frau sitzt bei Sonnenschein und blauem Himmel in einem Lokal nahe dem Strand und trinkt einen "Spritz". © Bodo Marks/dpa | Unbekannt

„Es ist einfach richtig gut hier“, sagt Eileen. „Die Organisation ist top und die Stimmung super.“ Und Schwiegermama Marion setzt noch einen drauf: „Ich würde mich auch drei Mal am Tag testen lassen, nur um hier sein zu können“, sagt die Rheinländerin und strahlt in den Nordsee-Sprühregen.