Usedom ist so reizvoll, dass man immer wieder hierher kommen oder auch gleich ganz bleiben möchte.
Es ist ein Erlebnis der besonderen Art, wenn man am Strand steht und der Himmel verfärbt sich dunkelrot. Das Meer leuchtet und die Seebrücken von Heringsdorf und Ahlbeck stehen in einem Farbmeer von zartem Rosa bis kräftigem Orange. Am Strand stehen nur vereinzelt Menschen und sehen gedankenverloren aufs gigantische Meer. Im Hintergrund leuchtet bereits der Mond. Usedom zeigt sich mal wieder von seiner besten Seite. Am liebsten würde man die ganze Nacht hier stehen. Nur mit den Inselmücken ist nicht zu scherzen, sie sind die einzigen, die einen aus diesem Paradies vertreiben können.
Mit den Unwägbarkeiten auf Reisen hatte bereits ein großer, deutscher Schriftsteller zu kämpfen. "Es lässt sich gegen die Badereiserei gewiss sehr viel sagen, in hundert kleinen Dingen verschlechtert man sich, es fehlt an Komfort und manchem anderen noch, aber man hat Ruhe und frische Luft und diese beiden Dinge wirken wie Wunder und erfüllen Nerven, Blut, Lungen mit einer stillen Wonne…" schrieb 1863 Theodor Fontane aus Heringsdorf in einem Brief an seine Frau. An Komfort mangelt es heutigen Reisenden keineswegs, Ruhe und frische Luft locken indes noch immer auf Usedom.
Die Seebäderarchitektur der Jahrhundertwende erstrahlt nach aufwändiger Renovierung, heute wieder in altem Glanze, besonders in Heringsdorf: wunderschöne, klassizistische Villen, wohin das Auge blickt. Kaum einmal ein Gebäude, das einem nicht ein beeindruckendes Stöhnen abverlangt. Auch in Ahlbeck, Bansin und Zinnowitz ist die atemberaubend schöne Architektur wieder zu finden. Diese Orte verströmen keinesfalls das Flair behelfsmäßiger Ikea-Ferienappartements wie andere Urlaubsorte, sondern wirken allesamt wie kleine, weiße Zauberstädte fast möchte man hier sofort seinen Lebensmittelpunkt hinverlegen.
Doch das allein ist es nicht: Usedom lebt vom spannenden Kontrast zwischen eleganten Seebädertum, turbulentem Strandleben, romantischen Fischerdörfern mit rustikalen Dorfgasstätten und stillen Winkeln an den Boddengewässern. Es gibt schicke Seehotels und kleine Pensionen, quirliges Treiben rund um die Strandpromenaden und Seebrücken, dann wieder kilometerweiter, weißer, feinsandiger Strand, einsame Ecken, stille Seen und dichte Buchenwälder und ein ansehnliches Kulturleben. Neben mehreren bemerkenswerten Museen existieren Theater, Kinos, Freilichtbühnen und Konzertsäle.
Von Kaiserbädern und Grenzerfahrungen
Wer Eleganz und Extravaganz liebt, logiert in Heringsdorf. Wie einst Kaiser samt Gefolge. In Ahlbeck gab man sich als deutsches Volksbad: "von fürstlichen Persönlichkeiten bis zur armen Näherin" sollten hier alle ihre Ferien verbringen. Bansin war schon immer das gemütliche Familienbad. Ein nostalgischer Spaziergang führt von Ahlbeck über Heringsdorf nach Bansin, zehn Kilometer Promenade fast am Stück, vorbei an aufgeputztem Glanz der Gründerjahre, Türmchen, Giebel. Einst war sie 16 km lang - die längste Promenade in Europa, und man bummelte gemütlich bis nach Swinemünde. Lange Zeit war dies allerdings nicht mehr so einfach.
Seit 1945 gehört Swinemünde, Usedoms größter Ort, zu Polen. In Zeiten eines vereinigten Europas kann man nun wieder ohne größere Probleme über die ganze Insel Usedom bewegen. Um sich die polnischen 20 Prozent der Insel mit dem lebendigen Swinemünde anzuschauen, sollte man Pass oder Personalausweis mitnehmen und kann in wenigen Minuten von einem Land zum anderen wechseln.
Im Nordteil der Insel liegt das lebhafte Zinnowitz und die ruhigen Orte Trassenheide und Karlshagen. Wer weiterfährt gelang nach Peenemünde, einem historisch belasteten Ort. Die Nationalsozialisten bauten hier das seinerzeit modernste Hightech-Zentrum. Mehr als 15.000 Menschen arbeiteten hier an der Entwicklung und Erprobung neuer Waffensysteme. Mit der Großrakete entstand A4 (V2), eine der grausamsten Waffen des 2. Weltkrieg, sie war allerdings auch Vorläufer aller Weltraumträgerraketen. Usedom - die Wiege der Raumfahrt.
Kamminke und Golm gelten als die Rückseite Usedoms. Das Hinterland hat seinen besonderen Reiz. Mit dem Peenestrom, dem Achterwasser, dem Stettinger Haff und mehr als einem Dutzend Seen. Störche und Fischadler. Hinweisschilder am Straßenrand bitten um Rücksicht: "Fischottter 19-6 Uhr"
Auf den Seebrücken kann wieder trockenen Fußes hinausspaziert werden. Wellen und Eis (und in Heringsdorf 1958 auch Brandstiftung) hatten nur den historischen Brückenpavillon in Ahlbeck verschont, heute das Wahrzeichen der Insel. Nach der Wiedervereinigung legten sich Bansin, Heringsdorf, Koserow und Zinnowitz auch wieder Seebrücken zu.
Andere sahen das auch so. Alle, die Rang und Namen oder Geld hatten, stehen auf in den Gästenlisten von Deutschlands zweitgrößter Insel, Könige und Kaiser, Minister und Generäle, Wissenschaftler und Künstler. Die weißen Villen sowie die Pensionen und Hotels mit verschnörkelten Fassaden, fast alle wieder sehr schön hergerichtet, atmen noch viel von der großen Vergangenheit.