Büsum. Aus dem traditionellen Heilbad an der Nordsee wird ein moderner Urlaubsort. Teil 1 der neuen Serie „Den Norden neu entdecken“.
Die vielen älteren Menschen, die mit ihren Rollatoren an diesem Vormittag in der Vorsaison durch die Fußgängerzone Büsums gehen oder auf dem Deich mit ihren Elektrorollstühlen zu zweit nebeneinander fahren, sind typisch für das Nordseeheilbad. Aber nicht nur sie. Büsum, die Schöne, erwacht aus ihrem Schlaf, und Kite- und Windsurfer gehören inzwischen genauso zum Ortsbild wie Popkonzerte im Watt oder Familien mit Kindern, die in der Lagune „Perlebucht“ baden. Vorbei das miefige 1960er-Jahre-Image. Büsum boomt.
Bei klarer Sicht wie heute, wenn der Blick über die Weite des Wattenmeeres schweift, sind am Horizont der Fernsehturm Cuxhavens und Containerschiffe in der Elbmündung zu erkennen. Lediglich 35 Kilometer entfernt ist das niedersächsische Cuxhaven, bis Helgoland brauchen die Fähren zweieinhalb Stunden. Aber wer will weiter nach Helgoland, wenn er Büsum hat?
4800-Einwohner-Ort unterzieht sich Verjüngungskur
Das Watt vor Büsum sei besonders trittfest. Es sei weniger schlammig als woanders, heißt es. Die Sonne scheint, und die vielen Menschen im Watt verteilen sich so gut, dass der Eindruck von Leere bleibt. Hier die Wattwanderer, weiter rechts die Kiter.
Dass der 4800-Einwohner-Ort sich seit einigen Jahren einer Verjüngungskur unterzieht, liegt auch an Menschen wie Isa und David Schneider und Andrea Hansen und ihrem Mann Patrick Kabekus: Junge Hoteliers, die mit ihren Ideen und ihrem finanziellen Engagement den Ort voranbringen und noch in diesem Sommer ihre neuen Häuser eröffnen.
Hier die Familienlagune, dort die offene Nordsee
Isa und David Schneider, beide 30 Jahre alt, stehen oben auf der Dachterrasse ihres Hotels „Küstenperle“, das Ende Juni eröffnet. Ihr Blick schweift in Richtung Nordsee zur Surfstation mit Bar und zur Familienlagune Perlebucht – einer tideunabhängigen Sandstrand-Insel mit 2,50 Meter Wassertiefe. Ein paar Windsurfschüler fahren gerade hin und her. In der Lagune ist es ruhig, draußen auf der Nordsee kann es ruppiger sein.
Hier in der obersten Etage des Neubaus liegt die Wellness-Suite des Hotels. Das ist ein Zimmer mit frei stehender Badewanne, Sauna und Blick auf die Nordsee. Die Schneiders haben das Hotel neu bauen lassen und bringen mit dem Spa-Bereich und der Wellness-Suite bezahlbaren Luxus in den Ort. Drinnen wird alles maritim ausgestattet, mit Tampen, die von der Decke hängen, alten Fotos von Büsum, hell und modern.
Etwas weiter entfernt im Ortskern Büsums stehen Andrea Hansen und Patrick Kabekus vor dem 128 Jahre alten Hotel zur „Alten Post“. Das Hotel ist in vierter Generationen in Familienbesitz. Nun führen die 28-Jährige und ihr Mann das Haus. Auch sie haben ähnlich wie die Schneiders investiert und gegenüber des alten Hotels einen Neubau bauen lassen. Eröffnung ist für Juli geplant. Was Andrea Hansen und Isa Schneider gemeinsam haben? Sie sind beide in Büsum aufgewachsen und sind nach ihrem Studium zurückgekehrt in die Heimat. Statt Frankfurt oder Schweiz also Büsum, „weil der Ort einen Aufschwung erfährt und etwas Besonderes ist. Mit der Nordsee ist es ein kleiner Ort mit der Weite vor der Tür“, sagt Andrea Hansen.
An Attraktivität mangelt es Büsum nicht
„Die Büsumer glauben an Büsum und kommen wieder zurück“, sagt Bürgermeister Hans-Jürgen Lütje und freut sich natürlich darüber. Die junge Generation fühlt sich dem Ort verbunden. Etwas Besseres kann ihm gar nicht passieren. Hotelbetten, sagt Lütje, seien dringend notwendig. Das im vergangenen Jahr eröffnete 50’s Seaside Motel im Stil der 50er-Jahre ist ausgebucht, sagt der Bürgermeister. Noch liegt der Anteil der Hotelbetten lediglich bei drei Prozent. Weil der Trend zum Kurzaufenthalt von zwei bis drei Nächten geht, seien Hotels aber besonders attraktiv für neue Gäste. Neben dem Hotel „Zur Alten Post“ und der „Küstenperle“ ist ein weiteres Projekt geplant: Der Macher des Beachmotels in St. Peter-Ording und der Bretterbude in Heiligenhafen, Jens Sroka, will in Büsum das „Lighthouse“ bauen. Eröffnung voraussichtlich 2019.
An Attraktivität mangelt es dem Nordseeheilbad nicht, das belegen die Besucherzahlen: Das vergangene Jahr war mit 1,8 Millionen Übernachtungen touristisch das beste Jahr in der Geschichte des Ortes. Und auch für 2017 werden wieder Rekordzahlen erwartet. Schon jetzt liegt der Zuwachs der Besucher bei fünf Prozent. „Büsum ist nach Sylt und St. Peter-Ording gemessen an der Zahl der Übernachtungen der drittbeliebteste Ort an der Nordsee“, sagt Tourismuschef Olaf Raffel.
So kommen Sie nach Büsum & Tipps zum Übernachten
Dass das so ist, dafür haben auch Herr Lütje und seine Gemeinde einiges getan. So wurde der guten Stube des Ortes, der Wasserkante, eine Schönheitskur verpasst: Im Zuge der Deichverstärkung und des Küstenschutzes wurde die Deichpromenade modernisiert und um einen Meter verbreitert, teilweise ist sie jetzt bis zu acht Meter breit. Auf den Holzbänken mit hohen Lehnen, den „Büsumbänken“, sitzen Besucher und schauen aufs Meer. Die Wasserkante ist barrierefrei. „Egal ob Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen – man erreicht das Wasser, ohne Treppen steigen zu müssen“, sagt Lütje.
Aus Pleiteprojekt wird neues Erlebniszentrum
Vorbei der alte Mief. Stattdessen eine moderne Promenade mit neuen Duschen, Wegen und Bänken. WLAN bietet Büsum an mehreren Stellen im Ort, einen Tablet- und Powerbank-Verleih gibt es im Gäste- und Veranstaltungszentrum. Das zieht auch jüngere Gäste an.
Büsums Wandel geht aber weiter: Das ehemalige Kurhaus Vitamaris, ein Relikt aus den 1980er-Jahren, wird abgerissen und aus dem Pleiteprojekt „Sturmflutwelt Blanker Hans“ wird die Phänomenia. Auf 6000 Quadratmetern entsteht nun ein Erlebniszentrum für Naturwissenschaften mit mehr als 200 Experimentierstationen zu physikalischen Phänomenen. Das neue Schlechtwetterziel, so hofft Bürgermeister Lütje, wird noch mehr Tagesgäste anziehen (2016 waren es 218.342).
„Wir sind nur eine Stunde von Hamburg entfernt, und so eine Ausstellung gibt es dort nicht“, sagt Lütje. Eröffnung: 30. Juni. Im September beginnt der Umbau des Gäste- und Veranstaltungszentrums, Büsum bekommt dort ein kleines Kino mit 56 Plätzen und eine Tobehalle für Kinder. Das Schwimmbad „Piratenmeer“ nebenan wird im kommenden Jahr auf den neuesten Stand gebracht. Büsum erwacht.