Ende des 19. Jahrhunderts wollte Samoa mit dem Wechsel der Zeitzone den USA zeitlich und wirtschaftlich näher sein. Heute ist Asien wichtiger.
Bangkok. Michael J. Fox hätte seine Freude gehabt, denn statt eines futuristischen Autos springt hier gleich ein ganzer Inselstaat "zurück in die Zukunft". Samoa in der Südsee hat den 30. Dezember kurzerhand aus ihrem Kalender gestrichen und geht am Donnerstag um Mitternacht vom 29. direkt auf den 31. Dezember über. Sie wechselt damit auf die andere Seite der internationalen Datumsgrenze und bringt sich über Nacht in die Position, als erste weltweit das neue Jahr zu begrüßen: Noch bevor in Deutschland Silvestermittag ist, knallen auf Samoa gut 15.000 Kilometer südöstlich um 11.00 Uhr MEZ die Sektkorken.
Der Sprung über die Datumsgrenze hat gute Gründe: „Der Wechsel der Zeitzone macht unsere Geschäftskontakte nach Neuseeland, Australien und Asien einfacher“, erklärte Premierminister Tuilaepa Sailele Malielegaoi. Samoa ist schon mal in die andere Richtung gesprungen: Im Jahr 1892, in dem Glauben, die zeitliche Nähe zu den USA zahle sich aus. Jetzt laufen die Wirtschaftsströme in anderer Richtung. Asien, Neuseeland und Australien liegen westlich der Datumsgrenze. Bislang war der Freitag in Samoa schon Samstag in Neuseeland und Australien, der dortige Montag aber erst Sonntag auf Samoa. Ab 31. Dezember sind alle nun auf demselben Wochentag.
„Klar sind die Leute aufgeregt“, sagt Regierungssprecher Uale Papalii in der Hauptstadt Apia. Das Land hat knapp 200 000 Einwohner. „Ich selbst bin entspannt, man muss ja nur den Kalender umstellen.“ Im Arbeitsministerium laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Im Gebetshaus der Regierung gibt es am Donnerstag, 29. Dezember um Mitternacht (11.00 MEZ), eine Zeremonie. 300 Leute werden erwartet, sagt Sprecherin Iulia Petelo. „Dann kommt der große Sprung nach vorn“, sagt sie lachend. Die Post feiert das mit Sondermarken.
+++100 Schweine Strafe für Rugby-Manager auf Samoa+++
+++50 Tage in Seenot im Pazifik+++
Eigentlich verläuft die internationale Datumsgrenze entlang des 180. Längengrades. Darauf einigte sich die Meridian-Konferenz 1884 in Washington. Allerdings gibt es einige „Beulen“ in der Linie. So gehört die Tschuktschen-Halbinsel, obwohl teils östlich der Linie, zeitlich zum Rest Sibiriens westlich der Linie. Die Aleuten-Inseln, teilweise westlich des 180. Längengrades, gehören dagegen politisch und damit auch zeitlich in die amerikanische Zeitzone.
Bis 1995 lief die Datumsgrenze durch den Inselstaat Kiribati, der sich in Ost-West-Richtung über 5000 Kilometer streckt. Damit machte die Regierung Schluss, verordnete dem ganzen Land „westliche Zeit“ und sorgte damit für eine weitere Beule in der Linie. Samoa und die Inselgruppe Tokelau bilden die nächste Beule. „Bislang waren wir die, die den letzten Sonnenuntergang des Jahres erlebten, und nun gehören wir plötzlich zu denen, die den ersten Sonnenaufgang erleben“, sagt Samoas Regierungssprecher Papalii.
Nur die 775 Menschen, die laut Geburtenregister in Samoa am 30. Dezember geboren wurden, sind nicht begeistert, sagt der gebürtige Bremer Roland Kubik (73), der seit Jahren auf Samoa lebt. „Und eine Bekannte mit einer Bäckerei ärgert sich, dass diese Arbeitswoche nur vier Tage hat, sie ihre Angestellten aber voll bezahlen muss“, sagt er. Auch die Freikirchler der Siebenten-Tags-Adventisten haben Probleme. „Gott wird nicht akzeptieren, dass wir einen Tag aus dem Kalender streichen“, schrieb Noeline Cutts an die Lokalzeitung „Samoa Observer“. „Wir werden weiter am 7. Tag der Woche beten.“
Die zu Neuseeland gehörenden Atolle von Tokelau rund 500 Kilometer weiter nördlich mit 1500 Einwohnern ziehen aber mit. „Samoa ist unser Tor zur Welt“, sagt der Personalleiter des Regierungsbüros von Tokelau in Samoas Hauptstadt Apia, Kele Lui. „Wir müssen dasselbe Datum haben.“ Tokelau hat keinen Flughafen. Die Schiffsfahrt von Samoa dauert 26 Stunden.