Trittau. Trotz des teilweisen Ausbaus auf drei Fahrspuren ist die Zahl der Unfälle nicht gesunken. Die Polizei sieht keinen Unfallschwerpunkt.
Die dramatischen und folgenreichen Unfälle in der vergangenen Woche auf der Bundesstraße 404 haben die öffentliche Diskussion über die Sicherheit auf dieser bedeutenden Verkehrsverbindung im Kreis Stormarn neu entfacht . In den sozialen Netzwerken ist die Wut vieler User über „hirnlose Raser“, „riskante Überholmanöver“ und „ignorante Selbstüberschätzer“ groß. Neben drakonischen Strafen für die Verursacher werden aber auch mehr Kontrollen und verbesserte Schutzmaßnahmen wie Leitplanken und Tempolimits angemahnt.
Wie bereits berichtet, ist es auf dem Streckenabschnitt zwischen den Anschlussstellen Trittau Nord und Trittau Süd binnen vier Tagen gleich zu zwei Frontalzusammenstößen mit insgesamt sieben Verletzten gekommen. Davon sind drei schwer und eine Person lebensgefährlich verletzt worden.
B 404 trotz Ausbau auf drei Fahrspuren eine Risikostrecke
Am Montag, 9. November, wurden bei einem regelwidrigen Überholmanöver zwei Menschen verletzt, als ein VW Up in einen Skoda Roomster fuhr, der gen Süden unterwegs war. Involviert waren zudem ein Citroën Jumper und ein Mercedes Vito, die nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnten.
Am Donnerstag, 12. November , war in dem zweispurigen Bereich ein Kleinbus durch eine Panne liegen geblieben. Ein folgendes Fahrzeug mit einem Anhänger konnte zwar noch nach links ausweichen. Der Fahrer eines Kleintransporters geriet bei seinem Ausweichmanöver indes auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem Kleinbus.
Bislang schon 103 Unfälle, davon zehn mit verletzten Personen
Allein in diesem Jahr verzeichnete die Polizei auf dem 17 Kilometer langen Abschnitt der B 404 zwischen den Autobahnen 1/21 und 24 bislang 103 Unfälle, davon zehn mit verletzten Personen. Darunter waren allein sechs mit Frontalcrashs und 76 nach Kollisionen mit Wildtieren. In den Vorjahren fiel die Bilanz kaum besser aus. 2018 verzeichneten die Statistiker der zuständigen Direktion in Ratzeburg 108 Unfälle mit zwei Todesopfern und 15 mit mindestens einem Verletzen sowie 70 Wildkollisionen. 2019 waren es 86 Unfälle, bei denen Personen in zehn Fällen verletzt und 58 Wildkollisionen registriert wurden.
In den zwei Jahrzehnten davor hatte sich die B 404 auf Stormarner Gebiet einen zweifelhaften Ruf als „Todesstrecke“ erworben. Zwischen 1998 und 2018 kamen dort bei 400 Unfällen 17 Menschen ums Leben, mehr als 80 wurden schwer verletzt.
Täglich 21.000 Fahrzeuge und Schwerlaster in stark frequentiertem Bereich
Um diesen, mit täglich 21.000 Fahrzeugen und Schwerlastverkehr stark frequentierten Bereich nachhaltig zu entschärfen, wurde Ende April dieses Jahres nach 16-monatiger Bauzeit ein weiterer, dreispurig ausgebauter Bereich übergeben, nämlich der zwischen den Anschlussstellen Lütjensee/Schönberg und Lütjensee/Grönwohld.
„Damit ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu mehr Sicherheit und Verkehrsqualität auf dieser Hauptverkehrsachse gesetzt“, hatte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) das elf Millionen Euro teure Projekt gewürdigt. Der dreistreifige Ausbau mache insbesondere das Überholen deutlich sicherer.
Autofahrer konstatieren Probleme beim Befahren der dreispurigen Abschnitte
Das bestätigt auch die Polizeidirektion in Ratzeburg. „Die dreispurige Verkehrsführung wurde in keinem Fall als unfallursächlich aufgeführt“, teilte Sachbearbeiter Andreas Wolf unserer Redaktion auf Anfrage mit. Eine Vielzahl der Unfälle, die nicht mit Wildkollisionen zusammenhänge, passiere hingegen in den Bereichen der Auf- und Abfahrten zur B 404.
Dennoch konstatieren viele Autofahrer erhebliche Probleme beim Befahren der dreispurigen Abschnitte. Gerade dort werde prinzipiell zu schnell gefahren. „Mit 100 km/h bist du dort ein Verkehrshindernis. Ich werde ständig mit gefühlten 150 km/h überholt“, schreibt Wolf G. im Facebook-Channel von „Trittau Online“. Deshalb wünschen sich andere Nutzer deutlich mehr Kontrollen, möglicherweise sogar durch festinstallierte Radaranlagen.
Ortsunkundige verschätzen sich oft beim Einfädeln
Moniert wird zudem, dass bei Dunkelheit, Regen und Nebel die Fahrbahnmarkierungen teilweise nur schlecht zu erkennen seien. Besonders ortsunkundige Fahrer würden sich gerade am Ende der Überholspur nicht selten verschätzen. Weshalb es dann beim Einfädeln zu gefährlichen Situationen komme. Unter anderem deshalb, weil die Einmündungsbereiche erst kurz vor dem Ende der Spur deutlich würden.
Lesen Sie auch:
B 404-Ausbau: Stormarner Orte wollen nicht abgehängt werden
B 404: Eine Gefahrenstrecke wird entschärft
Baupfusch: B 404 bei Lütjensee bleibt weiterhin gesperrt
Aus diesem Grund haben mehrere User bessere Kennzeichnungen gefordert, etwa durch sogenannte Spurtrenner aus gummierten Plastikscheiben samt Reflektoren oder Rüttelstreifen. Etliche plädierten zudem für Mittelleitplanken, um die Richtungsfahrbahnen deutlicher voneinander trennen zu können. So, wie Jörg F.: „Man sollte einfach auf den neuen Teilstücken eine komplette Leitplanke ziehen. So ist das Überholen nicht mehr möglich.“
Polizei sieht in der B 404 keinen auffälligen Unfallschwerpunkt
Doch nicht alle sehen die zwingende Notwendigkeit zu aufwendigen Nachbesserungen der verkehrlichen Infrastruktur. „Wir leben in einer Zeit, in der die Welt danach ausgerichtet wird, dass auch die Dämlichsten und/oder Rücksichtslosesten drei Prozent damit klar kommen“, befand Rainer W. Um dann die Frage zu stellen, ob es im Sinne der Allgemeinheit nicht deutlich besser wäre, diese drei Prozent aus dem Verkehr zu ziehen?
Trotz aller kontroversen Diskussionen sieht die Ratzeburger Polizeidirektion in der Bundesstraße 404 jedoch keinen auffälligen Unfallschwerpunkt. „Das geben die Fallzahlen auf den einzelnen Abschnitten einfach nicht her“, so Sprecherin Sandra Kilian. Ungeachtet dessen wollen Landesregierung und Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) den dreispurigen Ausbau weiter vorantreiben. Demnächst soll ein etwa vier Kilometer langer Abschnitt von der Anschlussstelle Todendorf/Sprenge bis zum Autobahnkreuz Bargteheide folgen.