Ahrensburg. Dieter Linnekogel kommt zum THCA und stellt sich geduldig den Fragen der Nachwuchstalente. Das Abendblatt durfte zuhören.
Alle Zelte sind aufgebaut, die Schläger verstaut, das Abendessen vorbereitet. Doch an diesem vierten Tag des Ahrensburger Hockeycamps wird der Zeitplan durcheinandergewürfelt. 50 Kinder, die ihre letzte Ferienwoche mit Hockeyspielen verbringen und auf der Anlage des THCA übernachten, müssen sich jetzt schick machen. Alle ziehen ihr blaues Shirt an. Dann versammeln sie sich mit einigen Trainern auf dem Kunstrasenplatz und warten. Bis er um kurz nach 19 Uhr endlich da ist.
Er, das ist Dieter Linnekogel und für viele dieser Kinder ein Vorbild. Schon als Teenager gehörte er beim UHC Hamburg neben Stars wie dem Olympiasieger Moritz Fürste zu den Leistungsträgern. Inzwischen ist er 26 Jahre alt und 66-mal für die deutsche Nationalmannschaft aufgelaufen. Auch bei den Europameisterschaften im belgischen Antwerpen (16. bis 25. August) wird der Mittelfeldspieler, der mittlerweile beim Club an der Alster unter Vertrag steht, dabei sein.
Onkel des Nationalspielers ist jetzt Trainer beim THCA
Doch nun stellt er sich erst mal den Fragen der Sechs- bis 14-Jährigen. „Wie bist du zum Hockey gekommen“, ruft ein Kind. „Durch den da hinter dir“, sagt Linnekogel und deutet grinsend auf einen Mann in Trainingsanzug: Thomas Linnekogel, Dieters Onkel. Der 65-Jährige ist seit Oktober 2018 im THC Ahrensburg als Jugendtrainer aktiv, zur anstehenden Feldsaison übernimmt er auch die Herrenmannschaft des Vereins. Er hat den Besuch des Hockeystars eingefädelt. Und auch eine der nächsten Fragen berührt die Geschichte der Familie Linnekogel: „In welchen Ländern warst du schon?“ „Ich bin in Kolumbien geboren. Kennst du Kolumbien?“
Seine ersten sechs Lebensjahre verbrachte Dieter-Enrique Diaz-Granados Meie-Linnekogel, wie er mit vollem Namen heißt, im Norden Südamerikas. Thomas Linnekogel brachte seinem Neffen bei einem Besuch Hockeyschläger mit. Dafür nahm er in Bogota lange Kontrollen auf sich, die Beamten befürchteten, dass er Waffen schmuggelte. Der Einsatz hat sich längt gelohnt, auch wenn „Didis“ größte Erfolge erst noch kommen sollen, wie die Kinder in Ahrensburg in Erfahrung bringen. Auf die Frage, was er noch erreichen wolle, verrät er: „Olympiasieger werden. Und jetzt erst mal Europameister werden.“
Die Fragen sind mal albern, mal existenziell
Gelassen und gut gelaunt gibt der Nationalspieler Auskunft. Die Fragen, die sich die Kinder gemeinsam beim Mittagessen überlegt haben, sind mal albern, mal hochinteressant, eben noch trivial, dann existenziell: „Nike oder Lacoste?“ „Weder, noch.“ „Was war dein bestes Erlebnis?“ „Das WM-Spiel in Indien gegen Pakistan, als 18.000 Zuschauer so laut waren, dass man kein Wort verstanden hat.“ „Erst Müsli oder erst Milch?“ „Erst Müsli.“ „Wovor fürchtest du dich am meisten?“ „Krank zu werden.“ „Was ist dein Lieblingstier?“ „Der schwarze Panther.“
Die Camp-Betreuer hören amüsiert zu, am Spielfeldrand steht THCA-Hockey-Vorstand Dennis Liebold, während Thomas Linnekogel in einer Ecke des Platzes das Training vorbereitet. Es passt zur allgemeinen Aufbruchstimmung der Abteilung, dass der Besuch des Nationalspielers beim ausgebuchten Hockey-Camp auf denselben Abend fällt wie der Trainingsauftakt der Herrenmannschaft. Das Team, das eigentlich das Aushängeschild sein soll, kriselt seit Jahren, zuletzt drohte nach mehreren Abstiegen sogar die Abmeldung. Nun bringt Thomas Linnekogel einige neue Spieler mit, man will wieder auf den Nachwuchs setzen. Auch die Damenmannschaft soll wieder gestärkt werden, all das pünktlich zum 70-jährigen Bestehen, das im August gefeiert wird.
Hockeyclub ist auf erfolgreichen Nachwuchs angewiesen
Der THC Ahrensburg ist darauf angewiesen, dass wenigstens ein paar der 50 Kinder in einigen Jahren im Erwachsenenbereich für den Club auflaufen. Zunächst steht für den Nachwuchs der Spaß im Vordergrund. Bei dem einwöchigen Camp wechseln sich Taktikstunden mit Besuchen im Kletterwald ab – und dem Ausfragen eines echten Nationalspielers, der bald ein Loch im Bauch haben muss: „Wie viele Schläger hast du schon kaputtgemacht?“ „Im letzten Jahr waren es drei.“ „Was hasst du?“ „Darüber muss ich nachdenken. Früher war es Käse. Eigentlich hasse ich nur Ignoranz, sagt euch das was?“ „Was arbeitest du?“ „Ich bin bei einem Start-up angestellt.“ „Kann man vom Hockey leben?“ „In Deutschland für eine gewisse Zeit, aber man hat nicht ausgesorgt.“ „Was war deine schlimmste Verletzung?“ „Ich habe letztes Jahr einen Ball ins Gesicht bekommen und mir dabei das Jochbein vierfach gebrochen.“ Und so weiter.
Nach vielen, vielen Fragen beendet einer der 14 Camp-Betreuer die Runde. Entlassen ist Dieter Linnekogel deshalb noch nicht, denn die älteren Kinder wünschen sich nun Selfies. An diesem Tag kann das Abendessen ruhig noch ein bisschen länger warten.