Lütjensee. Die australische Dressurreiterin Kristy Oatley vom RFV Trittau hofft auf ihre Teilnahme kommendes Jahr in Rio de Janeiro
Wenn Kristy Oatley von ihrem Trainer Sjef Janssen spricht, nennt sie ihn kurz und bündig „Chef“. „Natürlich fällt es mir schwer zuzugeben, dass Sjef bei fast allem, was er mir sagt, Recht hat“, sagt die Dressurreiterin vom RFV Trittau und lacht. „Normalerweise habe ich damit ein Problem. Mein Mann kann das sicherlich bestätigen.“
Für die Zusammenarbeit mit dem belgischen Nationaltrainer nimmt die 37 Jahre alte Australierin jedwede Umstände in Kauf. Zweimal im Monat fährt sie gemeinsam mit ihrem Hannoveraner Wallach Du Soleil die knapp 500 Kilometer weite Strecke nach Erp. In der niederländischen Kleinstadt bereitet sie sich gemeinsam mit ihrem Trainer auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Rio de Janeiro (Brasilien) vor.
Oatley rechnet sich gute Chancen auf einen Startplatz in der australischen Nationalmannschaft aus. „Voraussetzung sind zwei Grand-Prix-Prüfungen, die wir zwischen dem 15. September und dem 15. April kommenden Jahres absolviert haben müssen“, erklärt die blonde Pferdesportlerin aus Lütjensee. „Der australische Reitverband lädt anschließend die vom Ergebnis her acht besten Reiter zu einem Sichtungsturnier ein.“
Kristy Oatley und Du Soleil sind seit knapp zwei Jahren ein Team
Die erste Hürde hat Oatley im Oktober mit ihren Grand-Prix-Teilnahmen bei den internationalen Turnieren in Maastricht (Niederlande) und eine Woche später in Lier (Belgien) gleich zweimal genommen. Bei welchem international besetzten Qualifikationsturnier Oatley bis Ende Mai starten wird, hat sie noch nicht entschieden.
Oatley erwarb Du Soleil vor knapp zwei Jahren von der Schweizerin Flora Keller. 2010 hatte der Wallach bereits an den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde teilgenommen und im Finale der Sechsjährigen den elften Rang belegt. Ausgebildet wurde der Fuchs bei Holga Finken, einem renommierten Pferdetrainer aus Emsbüren (Niedersachsen).
„Bei der ersten Begegnung mit Du Soleil bei einem Turnier in der Nähe von Hamburg habe ich mich sofort in ihn verliebt“, sagt Oatley, „danach habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, ihn der Schweizerin Keller abzukaufen.“
Ein gutes Jahr später, im Juli 2015, bestritt die Mutter von drei Kindern mit ihrem „Traumpferd“ in Deauville (Frankreich) das erste gemeinsame Turnier – eine Dressurprüfung Prix St. Georges. „Dabei machte Du Soleil seinem Spitznamen ,Düse’ alle Ehre und ging ab wie ein Düsenjet“, erzählt Oatley schmunzelnd, „was natürlich nicht in meinem Sinn war.“
Tags darauf, bei einer Prüfung der Stufe Intermediare I, ritt die 37-Jährige mit angezogener Handbremse. „Ich habe viel Wert darauf gelegt, dass Du Soleil in Gedanken voll und ganz bei mir ist“, sagt Oatley, die die Aufgabe mit der besten Wertung beendete. Die Generalprobe auf olympischem Niveau folgte im September bei den Landesmeisterschaften in Bad Segeberg. Bei zwei Grand-Prix-Auftritten erreichte Oatley jeweils den zweiten Platz.
„Beide Prüfungen enthielten Elemente wie eine Piaffe oder eine Passage, die wir noch nie zuvor auf einem Turnier geritten sind“, sagt Oatley.
Die 37-jährige Australierin trainiert auf dem Hof Büchsenschinken
Dreimal ging sie bisher für ihr Heimatland bei Olympischen Spielen an den Start: 2000 als Lokalmatadorin in Sydney, 2008 in Hongkong und vier Jahre später in Englands Hauptstadt London. Ebenfalls dreimal nahm sie an Dressur-Weltmeisterschaften teil: 1998 in Rom (Italien), 2006 in Aachen (Nordrhein-Westfalen) sowie im vergangenen Jahr in Caen (Frankreich). Ihren größten sportlichen Erfolg feierte die Australierin mit einem siebten Rang bei Olympia 2000 in ihrem Heimatland.
Das Kribbeln im Bauch vor großen internationalen Aufgaben bei ihr ist ungebrochen. „Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften sind für jeden Sportler einfach das Größte und ein unvergessliches Erlebnis“, sagt die Lütjenseerin, die auf der Farm ihrer Eltern Rosalind Oatley und Rainer Nist im australischen Outback aufwuchs. Ihre reiterlichen Fähigkeiten entwickelten sich in raschem Tempo. Was auch Rosemarie Springer, der dritten Ehefrau des Verlegers Axel Springer, während eines Australienaufenthalts auffiel. Kurzentschlossen empfahl sie der jungen Oatley eine Ausbildung bei der Trainerlegende Herbert Rehbein auf dem Grönwohldhof .
Zurzeit trainiert die 37-Jährige in Eigenregie sechsmal in der Woche auf dem Hof Büchsenschinken in Reinbek. „An vielen Feinheiten kann ich aufgrund meiner Erfahrung selbst arbeiten“, sagt Oatley und schmunzelt, „aber selbstverständlich habe ich von meinem ,Chef’ zusätzlich noch einige Aufgaben mit auf den Weg bekommen.“