Pölitz. Als Kind kam Masood Hamdart aus Afghanistan nach Norddeutschland. Jetzt hilft der 26-Jährige Flüchtlingen – und ist angehender Polizist.
Den Bart lässt Masood Hamdart seit einigen Monaten stehen. „Um Klischees entgegenzusteuern“, wie er sagt. Und ein bisschen auch als Provokation. Es sind keine einfachen Zeiten für einen Einwanderer aus einem muslimischen Land. Dabei ist der gebürtige Afghane so etwas wie ein Musterbeispiel für Integration. Der 26 Jahre alte Fußballer vom SSV Pölitz ist angehender Polizist.
Der schmächtige Mann mit der überlegten, eloquenten Ausdrucksweise, ist vielbeschäftigt. Er studiert in Oldenburg bei Bremen, wohnt in Buchholz in der Nordheide, wo er als Streifenpolizist hospitiert. Wenn es sich einrichten lässt, fährt er in der Woche den weiten Weg nach Pölitz zum Training. Am Wochenende tingelt er mit dem Verbandsligaclub zu den Spielen in Schleswig-Holstein. Und als wäre das alles nicht genug, engagiert er sich in mehreren Projekten für Flüchtlinge.
Früher kickte Hamdart in Bad Oldesloe, Eichede, Bargteheide und Ahrensburg. Stormarnweit bekannt ist er aber, seit er gemeinsam mit Fußballerin Jatta Aalto die Flüchtlingsmannschaft des SV Türkspor Bad Oldesloe trainiert. Der Zulauf ist riesig, teilweise kommen 40 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge zum Training. Vor Kurzem nahm die Mannschaft in Lübeck erstmals an einem Turnier teil.
Fußball bietet den Flüchtlingen wenigstens etwas Beschäftigung und Ablenkung, die Hamdart für so wichtig hält. „Das stört mich auch, dass man den Menschen hier keine Beschäftigungen anbietet. Seien es Rasenmähen, Malern oder andere Hilfsarbeiten“, sagt er. „Gerade durch die Langeweile entstehen dann auch Aggressionen. Auch mit dem Fußball kann man Kriegserlebnisse ein wenig durch Erfolgserlebnisse austauschen.“
Nach der Ermordung von Hamdarts Großvater floh die Familie nach Achim
Hamdart kann das beurteilen, auch wenn er sich nicht an den Krieg in seinem Geburtsland und die Flucht mit seiner Familie erinnern kann. Er war erst drei Jahre alt, als seine Eltern mit ihm und seinen zwei Geschwistern nach einem traumatischen Vorfall Kabul verließen und jene Route nahmen, die auch heute viele Flüchtlinge wählen. In Achim bei Bremen fanden sie eine neue Heimat. „Mein Großvater hat sich als Polizist gegen die Korruption in Afghanistan gewehrt“, erzählt Hamdart. „Daraufhin wurde er ermordet.“ Sein Onkel, Bruder seiner Mutter, wurde entführt. Ob er noch lebt, weiß die Familie bis heute nicht.
Dass ihn jemand an die Hand nimmt, an sein Potenzial glaubt und das Leben in Norddeutschland zeigt, das hat Masood jedenfalls damals gefehlt. Die Sprache brachte er erst sich bei, dann seinen Eltern. Die Familie zog nach Bremen, er ging auf die Hauptschule und spielte Fußball. Die Familie zog nach Bad Oldesloe, er wagte den Schritt auf die Realschule. Dann machte er das Fach-Abitur in Lübeck. „Ich musste alles ausprobieren und habe dabei sicher auch Glück gehabt“, sagt er.
Nach dem Abitur in Lübeck folgte ein Intermezzo als Fußballprofi in Australien
Gemeinsam mit seinem Mitspieler Marvin Prempeh, Sohn ghanaischer Eltern, will Hamdart dazu beitragen, dass Flüchtlinge künftig nicht auf ihr Glück angewiesen sein müssen. Möglichst noch in diesem Jahr wollen sie einen eingetragenen Verein gründen. Die Ziele sind vielfältig und groß: Es sollen Patenschaften zu Kindern in Afghanistan und Ghana vermittelt werden, durch den Fußballsport soll in Bremen und Hamburg Geflüchteten bei der Integration geholfen werden und um den Regenwald wollen sich die beiden auch noch kümmern. Den Namen der Stiftung verraten sie noch nicht.
Mit seiner positiven Lebenseinstellung will Hamdart auch dem SSV Pölitz im Abstiegskampf helfen. Trainer Sascha Vogt lobt den Mittelfeldspieler für „seinen grenzenlosen Optimismus, mit dem er in dieser schwierigen Situation auch die anderen ansteckt“. Hamdart habe von Beginn an Verantwortung übernommen, sei menschlich und sportlich eine große Bereicherung.
Seine sportlichen Qualitäten verhalfen dem Fußballer, der ohne viele Fouls auskommt, sogar zu einem kurzen Intermezzo als Profi. Nach dem Abitur reiste er nach Australien, verdiente sein Geld zunächst mit dem Pflücken von Früchten, ehe er sich dem Zweitligaclub Hume City FC anschloss. Nach der ersten Verletzung wurde er aber wieder ausgemustert.
Langfristig möchte Hamdart im Bereich Jugendkriminalität arbeiten. „Ich kann gut mit jungen Menschen umgehen und vielleicht auch ein Vorbild sein“, sagt er. „Ich wünsche mir, dass dann Jugendliche feststellen: ,Guck mal, da ist einer, der hat schwarze Haare, war auf der Hauptschule – und ist jetzt Polizist.’“