Hannover. Der Reinbeker hospitiert während seiner Ausbildung zum Fußballlehrer beim Bundesligaclub. Das Abendblatt hat ihn einen Tag begleitet.

Niedersachsen, 16 Uhr, Herbstwetter. Antritt zum Training bei Fußball-Bundesligist Hannover 96. Die Profis wie Salif Sané oder Ron-Robert Zieler laufen den kurzen Asphaltweg zum Nebenplatz im Schatten der großen HDI-Arena, wo der Club seine Spiele austrägt. Als erstes aber betreten zwei Trainer den nassen Rasen: Michael Frontzeck, der unter andrem schon als Chefcoach beim FC St. Pauli und Borussia Mönchengladbach verantwortlich war und nun mit 96 um den Klassenerhalt kämpft – und Oliver Zapel, 47, aus Reinbek.

Zapel absolviert seit Juni eine Ausbildung zum Fußballlehrer. Ein erfolgreicher Abschluss ist die Voraussetzung für einen Job im Profibereich. Noch coacht der Stormarner den SV Eichede in der fünftklassigen Schleswig-Holstein-Liga. Läuft alles nach Plan, könnte er schon im nächsten Jahr im bezahlten Fußball Fuß fassen. Bis dahin heißt es Klausuren über Fußballlehre und Regelkunde schreiben an der Akademie in Hennef (Nordrhein-Westfalen) – und eben hospitieren bei Hannover 96. Mit Unterbrechungen wird er am Ende zwei der zehneinhalb Ausbildungs-Monate bei dem Verein an der Leine verbracht haben.

Zapel bekommt mehr Einblicke als viele seiner Lehrgangs-Kollegen

Während mancher seiner Kollegen bei anderen Bundesligaclubs lediglich am Rand stehen darf, hat Zapel es perfekt getroffen mit Hannover 96. Als er am Mittag nach einer zweistündigen Autofahrt am Stadion ankommt, führt ihn sein erster Weg in einen Teil der Katakomben, den sonst kein Außenstehender öffnen darf. „Lizenzspielerbereich. Zutritt nur für Befugte“, steht auf der Tür. Vor dem Training zieht sich der Reinbeker in der Kabine der Co-Trainer um. Gibt es ein Mannschaftsessen zwischen zwei Einheiten, ist er dabei. „Ich bekomme deutlich mehr Einblicke, als viele Kollegen“, sagt Zapel. „Dazu erlebe ich hier auch eine Ex­tremsituation.“ Der Abstiegskampf ist furchtbar für den ganzen Club. Für Zapel aber wird das Praktikum dadurch umso interessanter und lehrreicher.

Oliver Zapel (r.) mit Pressesprecher Alex Jacob
Oliver Zapel (r.) mit Pressesprecher Alex Jacob © HA | Thomas Jaklitsch

Um 14.30 Uhr ist Zapel mit Hannovers Pressesprecher Alex Jacob verabredet. Jede Woche gehen sie gemeinsam die für den nächsten Tag geplante turnusmäßige Pressekonferenz durch. Auf welche Fragen der Journalisten muss Frontzeck vorbereitet sein? Was möchte er unbedingt erwähnen? Heute werfen sie noch einen Blick auf ein zu autorisierendes Zeitungs-Interview des Cheftrainers. „Wir haben Oliver Zapel dazugeholt, weil die Medienarbeit ein umfassender Teil ist“, sagt Jacob, der nach Bundesligaspielen nicht in der Haut eines Trainers stecken möchte, wie er verrät. Jacob zählt auf, in welcher festgelegten Reihenfolge Frontzeck nach dem Abpfiff die Interessen der Medienvertreter zu befriedigen hat: Pay-TV-Sender Sky (möglichst eine Minute nach dem Abpfiff), ARD-Hörfunk, ARD-Sportschau, ZDF-Sportstudio, Sport 1. Dann folgen noch Interviews für den Medien-Auftritt der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und mit dem Club-TV – und dann geht es zur Pressekonferenz. Jeder Satz will dabei mit Vorsicht formuliert sein. Jedes falsche Wort könnte einen Eklat auslösen.

Oliver Zapel (2. v. l.) steht mit Chefcoach Michael Frontzeck (l.)
Oliver Zapel (2. v. l.) steht mit Chefcoach Michael Frontzeck (l.) © HA | Thomas Jaklitsch

Zapel selbst ist als Trainer dafür bekannt, auch mal anzuecken. Als Proficoach würde er sich zurücknehmen, sagt er. „In der Bundesliga ist das Verbreitungsgebiet natürlich ein ganz anderes und die Themen brisanter.“ Von der Professionalität Frontzecks, der seine Worte mit Bedacht wählt und trotzdem Floskeln weitestgehend vermeidet, ist Zapel beeindruckt.

Als das Training beginnt – heute steht nur eine lockere Nachmittagseinheit auf dem Programm, nachdem es tags zuvor in zwei Einheiten intensiv zur Sache ging – steht Zapel mit Frontzeck und zwei Co-Trainern am Mittelkreis. Das Quartett spricht, gestikuliert, lacht. „Da wird schon mal geflachst“, erzählt Zapel später – und mancher Witz geht auf seine Kosten. Wie es beim SV Eichede läuft, wird hier durchaus verfolgt. Insbesondere von Ron-Robert Zieler, der als Ersatztorwart beim WM-Triumph der Nationalmannschaft in Brasilien dabei war, muss Zapel sich nach Niederlagen schon mal einen Spruch anhören. Nach dem Training, bei dem Zapel unter anderem bei einem „Fünf gegen zwei“ die Gruppe um Leon Andreasen und Uffe Bech überwacht hat, bleiben Zieler und Zapel noch für eine Minute stehen und fachsimpeln.

Oliver Zapel (r.) mit Weltmeister Ron-Robert Zieler
Oliver Zapel (r.) mit Weltmeister Ron-Robert Zieler © HA | Thomas Jaklitsch

Beim Bundesligaclub sind sie voll des Lobes für den Praktikanten. Pressesprecher Jacob bezeichnet Zapel als „sehr angenehmen Zeitgenossen“, der sich sofort gut eingelebt habe. Der Cheftrainer, von dem Zapel in Hannover am meisten lernen soll, setzt noch einen drauf: „Mit den nahezu täglichen Fahrten von Hamburg nach Hannover und zurück betreibt er einen hohen Aufwand, zumal er ja auch noch seine Mannschaft abends trainiert. Aber gerade das dokumentiert auch seine Einstellung. Olli hat sich vom ersten Tag seines Praktikums an bei uns hervorragend integriert“, so Michael Frontzeck. „Dass man mit mir hier so umgeht, hat mich wirklich positiv überrascht“, sagt Zapel, der vom Zeugwart regelmäßig mit seiner Lieblings-Süßigkeit, Haribo-Colorados, ausgestattet wird. „Rund um die Mannschaft ist eine sehr gute Stimmung, trotz der sportlichen Situation.“

Die intensive Ausbildungs-Zeit wird auch zur Belastungsprobe für die Familie

Die Zeit, in der sich der Noch-Amateur-Trainer für eine Karriere im Fußballbereich aufstellt, ist auch eine Belastungsprobe für die Familie Zapel, wie der angehende Fußballlehrer auf der Rückfahrt aus Hannover erzählt. Gerade während der Wochen, in denen er in Hennef weilt, steht er für seinen Sohn Lennox, 7, kaum zur Verfügung und sieht auch seine Ehefrau Mirka selten. „Man denkt immer, man kriegt das alles irgendwie unter einen Hut, aber diese zehneinhalb Monate sind wirklich nicht zu unterschätzen“, sagt Zapel, der ein „latentes Gefühl von Angespanntheit“ in sich trägt. Zeit in Eichede einzusparen, komme für ihn nicht infrage. „Ich will mir auf keinen Fall nachsagen lassen, irgendetwas zu vernachlässigen“, sagt er. Videos für die Spielanalysen schneidet er vor seinen Reisen nach Hennef in der Wartehalle des Flughafens. Nebenbei kümmert er sich noch um die Aufgaben, mit denen er sein Geld verdient – Zapel ist an Start-ups beteiligt. Meistens arbeitet er dafür frühmorgens und spätabends sowie in jeder kurzen Fußball-Pause.

Zu seinem eigenen Training beim SV Eichede kommt Oliver Zapel heute zu spät. Ein Stau auf der A 1 bei Barsbüttel hält ihn auf. Dann steht er schließlich doch auf dem regennassen Rasen in Eichede und bereitet seine Mannschaft auf den Sonntag vor. Während Hannover 96 vor 50.000 Zuschauern beim 1. FC Köln antritt, ist für Zapel dann wieder Fünftliga-Alltag angesagt – mit dem Auswärtsspiel in einem 700-Einwohner-Dorf beim Tabellenletzten FC Reher/Puls.