Reinbek. Ein heute 24-jähriger Reinbeker verbreitete verbote Filme im Internet. Hinweis aus den USA führt Ermittler zu dem Kripobeamten in spe.

Gerade als angehender Kriminalpolizist in Hamburg hätte Luca Schulze (Name von der Redaktion geändert) es eigentlich wissen müssen, dass das, was er tat, strafbar und verboten ist. Der heute 24-jährige Reinbeker stand am Mittwoch vor dem Amtsgericht Reinbek. Der Vorwurf: Besitz und Verbreitung von kinderpornografischen Bildern und Videos auf Messengerdiensten wie Snapchat. Die Kinder, die darauf beim Geschlechtsverkehr mit erwachsenen Männern zu sehen waren, waren im Vor- und Grundschulalter.

Der sichtlich nervöse Reinbeker mit den breiten Schultern schwieg zu den Vorwürfen. Die Beweislage aber war erdrückend. Im September 2021 lud er fünf Videofilme mit kinderpornografischem Inhalt bei Snapchat hoch und verbreitete sie im Netz. Anfang 2022 klingelte drei Beamte der Lübecker Ermittlungsgruppe Kinderpornografie an seiner Haustür.

Heute 24-jähriger Reinbeker verbreitete Pornos mit Kindern im Internet

„Wir hatten zuvor einen Hinweis vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden erhalten“, erklärt Nils Köhn, Leiter der Ermittlungsgruppe in der Polizeidirektion Lübeck als Zeuge vor Gericht. Beim BKA wiederum ging ein Hinweis aus den USA ein, wo Messenger-Dienste wie Snapchat, Whats-App oder Facebook eng mit dem halbstaatlichen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) zusammenarbeiten und Hinweise auf Kinderpornos melden.

Werden diese von einer deutschen IP-Adresse versendet, landen die Verdachtsmeldungen beim BKA. „Die leitet die Meldungen dann uns weiter“, erklärt der 46-jährige Polizeibeamte. E-Mail-Adresse, Telefonnummer und die zum IP-Zugang zugehörige Adresse zu dem PC, von dem die Daten hochgeladen wurden, werden meist schon mitgeliefert.

Die Ermittler gehen nicht davon aus, dass die Mutter an den Taten beteiligt war

Die führte die Ermittler zum Haus der Mutter des Beschuldigten, wo der damals 22-jährige Abiturient zu dem Zeitpunkt wohnte. Die Eltern leben getrennt. Der Vater war zu dem Zeitpunkt bereits lange ausgezogen und hatte eine neue Familie gegründet. Die Mutter selbst geriet nicht ins Visier der Ermittler, denn „zu 99 Prozent sind bei Kinderpornografie die Täter männlich. Dass die Mutter an den Taten beteiligt ist, war eher unwahrscheinlich“, sagt der leitende Beamte.

Den Beamten öffnete Luca Schulze die Haustür. Er führte die Beamten in sein Zimmer ins Obergeschoss, war kooperativ, stritt den eigentlichen Vorwurf aber ab. Er gab aber zu, dass die auf Snapchat verwendete E-Mail-Adresse seine ist. Das Abstreiten wäre in dem Fall auch schwierig gewesen. Der Nutzername war seinem sehr ähnlich.

Beamte fanden auf seinem Handy eine riesige Datenmenge an legalen Sexfilmen

Die Beamten sicherten die Dateien auf seinem Handy und stießen auf eine große Datenmenge an legalen Sexfilmen mit rund 1000 Videos sowie 15 Dateien kinderpornografischen Inhalts.

„Die fünf hochgeladenen Videos, um die es in der Verhandlung geht, fanden die Polizeibeamten aber nicht“, sagt Strafverteidiger Sascha Böttner. Sobald ein Verdacht im Raum steht, löschen die Messenger-Dienste den Account des Nutzers sofort. Der Rechtsanwalt plädierte auf Freispruch und verwies darauf, dass die Verdachtsmeldungen nicht von Menschen gemacht sind. Dabei wird künstliche Intelligenz eingesetzt, die die vielen Datenmengen automatisiert scannt. Dabei könnten Fehler passieren, so Böttner.

Das zu beurteilen, ist nicht die Aufgabe der leitenden Kripobeamten. Köhn verwies darauf, dass zum Hochladen der Videos die IP-Adresse genutzt wurde.

Zudem merkte Köhn an, dass das Kontrollsystem immer effizienter wird und die Verdachtsfälle in den vier landesweiten Ermittlungsgruppen Kinderpornografie eklatant zunehmen. „Allein von 2020 auf 2021 haben sich die Fälle verdoppelt“, sagt Köhn. Ein Grund, warum die Ermittlungsgruppe in Lübeck nun weiter personell verstärkt werden soll.

Flut an Verfahren – Kripo-Ermittlungsgruppe Kinderpornografie wird verstärkt

Diese Flut an Verfahren hatten viele Fachleute prognostiziert und davor gewarnt. Als der Gesetzgeber den Paragrafen zur Verbreitung von Kindesmissbrauchs-Darstellungen im Juli 2021 verschärft hatte, führte das zu einem Aufschrei bei allen Beteiligten. Strafverteidiger, Richter und Staatsanwälte warnten vor einer Überlastung der Gerichte und der Polizei, denn minderschwere Fälle und eine Einstellung von Verfahren seien nicht mehr möglich.

Jedes einzelne Video, jedes hochgeladene Foto pädophilen Inhalts muss nun geahndet werden und zieht mindestens ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe nach sich. Ob das bei jedem Delikt gerechtfertigt ist, bezweifelt Reinbeks Vorsitzende Richterin Silke Lindberg. „Strafe muss zur Tat immer verhältnismäßig sein“, sagt Lindberg. Das sehen auch viele andere Richter in der Bundesrepublik so und lassen am Verfassungsgericht nun prüfen, ob das Gesetz überhaupt verfassungsgemäß ist. Auch der Gesetzesgeber hat bereits signalisiert, den Paragrafen zu korrigieren und entschärfen zu wollen.

Angeklagter musste seine Ausbildung bei der Hamburger Polizei beenden

Dass es sich in dem konkreten Reinbeker Fall um eine Bagatelle handelt, wollte Staatsanwältin Uta Haage nicht stehen lassen. „Mir aber reichen fünf Videos“, sagt Haage, die aus jahrelanger Erfahrung im Bereich Sexualdelikte weiß, dass daraus auch konkrete Taten folgen können. Zugleich bezeichnete sie es als persönliches Pech, dass das Gesetz kurz nach dem 22. Geburtstag des Täters verschärft wurde. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, allerdings auf Bewährung, da der Angeklagte nicht vorbestraft ist und durch die Tat schon schwere persönliche Konsequenzen zu tragen hatte. Er musste seine Ausbildung bei der Hamburger Polizei beenden und absolviert aktuell eine Ausbildung in einem ganz anderen Bereich.

Dem Antrag folgte das Schöffengericht nicht ganz: Es verurteile den 24-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Der Reinbeker Luca Schulze nahm das Urteil gefasst auf.

Weniger gefasst war hingegen einer der zwei berufenen Schöffen. Der Mann klagte während des Prozesses über Unwohlsein und bat um Ersatz. Er habe in einem früheren Prozess am Amtsgericht ein Video von einer Vergewaltigung eines Säuglings ansehen müssen und könne seitdem kein Kind mehr schreien hören. „Ich bekomme dann Schweißausbrüche und Herzrasen“, sagte der Schöffe. Es wurde ein anderer Schöffe berufen.