Reinbek. Eigentlich sammelt der Wohltorfer Matthias Rutke zeitgenössische Kunst. Dass er mal 50 Kasperpuppen besitzen würde, war ungeplant.

Wirkt sein Grinsen nun diabolisch, verschmitzt oder eher debil? So leicht ist das zwischen der markanten Nase und dem spitzen Kinn des Kaspers oft nicht zu entscheiden. Und zwar bei einigen der meist handgeschnitzten oder -geformten Kasperpuppen, die noch bis 25. Juni während des Stormarner Figuren-Festivals im Krummspanner des Schlosses Reinbek zu bewundern sind. An die 50 der Charakterköpfe hat der Wohltorfer Matthias Rutke im Laufe der Jahrzehnte gesammelt.

Als „Kasper-Sammler“ will der 61-jährige Vorruheständler jedoch keineswegs verstanden werden. „Ich bin doch kein Sammler von Kasperpuppen“, sagt er mitten im Gespräch ganz entrüstet. Wie aber konnte es dann passieren, dass er jetzt eine ganze Ausstellung unter dem Titel „Charakterköpfe“ mit seinen etwa 50 Objekten bestücken kann?

Ausstellung der Kasperpuppen im Schloss Reinbek

Seine Frau Stephanie Rutke zuckt die Achseln und lacht: „Wie das mit Sammlern eben so ist...“ Jede Sammlung entwickle ihre eigene Dynamik. Der Sammelschwerpunkt des gelernten Retuscheurs liegt jedenfalls ganz woanders: Eigentlich sammelt der Wohltorfer nämlich zeitgenössische Kunst, mit dem Schwerpunkt Zeichnung. Bei den Zeichnungen von Franz Erhard Walther etwa, bis 2007 Professor der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, schlägt sein Herz höher.

Bereits in den 80er-Jahren allerdings fiel ihm eine Abbildung von Horst Janssens Wohnzimmer in Blankenese ins Auge. Und auf der Fensterbank des Grafikers und Zeichners standen – Kasper. „Ich dachte, ach, das sieht ja witzig aus“, erzählt er. Rutke vermutet, dass die geschnitzten Köpfe aus Janssens Zeit seiner Liaison mit der damals erst 20-jährigen Annette Kasper stammten. Damals hatte der 56-jährige Künstler unter dem Titel „Altes Herz kaspert für Annettchen Kasper“ einige Zeichnungen geschaffen, die auch die abgebildeten Figuren zeigen. Offenbar gefielen dem grandiosen Zeichner die Wortspiele.

Einige der historischen Kasperpuppen aus der Sammlung von Matthias Rutke wirken wie Porträtpuppen – wie diese Figuren, deren Gesichter aus Papiermaché geformt worden sind.
Einige der historischen Kasperpuppen aus der Sammlung von Matthias Rutke wirken wie Porträtpuppen – wie diese Figuren, deren Gesichter aus Papiermaché geformt worden sind. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Seinen ersten Kasper hat Rutke in einem Restaurant gekauft

Matthias Rutke hingegen kann sich für die Ästhetik der bespielten, historischen Figuren begeistern. „Dieses verschmitzte Grinsen, das markante Kinn und die hervorstechende Nase“, zählt er auf. Etwa ein Jahr nach der Wende bereiste Matthias Rutke mit seinen Eltern an einem Wochenende die Sächsische Schweiz und stieß in einem Restaurant in der Nähe von Hohnstein auf eine Kasperfigur. Da die bekannte Schnitzwerkstatt der Hohnsteiner Kasper geschlossen war, erwarb er dort im Restaurant seine erste Handpuppe.

Mit der Kulturgeschichte der Handpuppen hingegen habe er sich nicht auseinandergesetzt, sagt er ganz offen. Dennoch gefiel ihm die Vorstellung, einmal die gesamte Sammlung zu präsentieren. „Bis auf zwei Figuren, die bei mir im Arbeitszimmer stehen, hebe ich sie gewöhnlich in Kartons auf“, erzählt der Wohltorfer. Er hat in seinem Studio ansonsten nur den klassischen Hohnsteiner Kasper aus Holz sowie einen weiteren aus Papiermaché aufgestellt.

Texte über die Geschichte des Kaspers von Elke Güldenstein

Die meisten seiner Sammlungsobjekte hat er nach und nach im Internet oder bei einem Puppenspieler, der seine Sammlung aufgelöst hat, erstanden. „Der kannte mich schon und wusste, wonach ich suchte“, erinnert sich Matthias Rutke. Ansonsten hat er auf Flohmärkten, auf Reisen oder in Trödlerläden nach ihnen geschaut. „Da habe ich mir ab und zu eine kleine Freude gegönnt.“ Auf Fantasiepreise habe er sich aber nicht eingelassen.

Elke Güldenstein, Leiterin des Kulturzentrums Schloss Reinbek und dort jährlich Gastgeberin des Stormarner Figurentheater-Festivals hat ein wenig zur die Geschichte der Kasperpuppen recherchiert und für die Begleitausstellung die Texte zusammengestellt. Das Kasperspiel hat sich seit dem 14. Jahrhundert ständig weiterentwickelt und zählt seit 2021 zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands. Waren die oft unflätigen oder gar ordinären Stücke im 18. und 19. Jahrhundert oft noch auf Jahrmärkten zu sehen, in denen gegen die Obrigkeiten gewettert wurde, sind sie heute als harmloses Kindertheater ein Begriff.

Vorstellung für Kinder von Nationalsozialisten instrumentalisiert

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, während der Reformpädagogik, kam vor allem in der Wandervogelbewegung die Idee auf, ein Kasperspiel für Erwachsene und Kinder zu entwerfen: Weg vom Prügelkasper hin zum Menschenfreund. Die Hohnsteiner Bühne von Max Jacob wurde international berühmt, dann jedoch von den Nationalsozialisten instrumentalisiert.

Max Jacob rehabilitierte sich nach dem Zweiten Weltkriege jedoch: Er durfte gemeinsam mit Friedrich Arndt unter britischer Aufsicht schon wieder in Kriegsgefangenenlagern spielen. Sein Spiel gab den ersten Anstoß für das künstlerische Puppenspiel nach dem Krieg in Deutschland.

Komödianten improvisieren mit mitgebrachten Kuscheltieren

Die drei Impro-Comedians Katrin Richter, Stefan Graën und Lars Wätzold sowie der begnadete Musiker Michael Zalejski von der Comedy Company aus Göttingen arbeiten mit mitgebrachten Kuscheltieren.
Die drei Impro-Comedians Katrin Richter, Stefan Graën und Lars Wätzold sowie der begnadete Musiker Michael Zalejski von der Comedy Company aus Göttingen arbeiten mit mitgebrachten Kuscheltieren. © Comedy Company | Comedy Company

Zum Abschluss des Festivals sind am Freitag, 16. Juni, ab 19 Uhr, nicht nur Gäste jeden Alters, sondern auch ihre liebsten Plüschtiere zur „Kuscheltier-Impro“ mit der Comedy-Company im Schloss willkommen. Die vier Schauspieler von der Comedy-Company, Katrin Richter, Stefan Graën, Lars Wätzold und Michael Zalejski, improvisieren mit den mitgebrachten Tieren einen abgedrehten Abend im Kuscheltierland. Dabei führt das Publikum Regie und bestimmt Orte, Namen, Genres und vieles mehr.

Eintritt: 15 Euro. Tickets gibt es an der KulturKasse in der Stadtbibliothek (Hamburger Straße 8), unter Telefon: 040/72750800, online unter www.kultur-reinbek.de.