Reinbek. „Eine Farce“ kritisiert Bauingenieur Jan Niewrzella den neuen B-Planentwurf für Reinbeks Lohbrügger Straße. Seine Einwände.

16 Häuser umfasst der neue Bebauungsplanentwurf 106 gerade einmal, er soll im nördlichen Bereich der Lohbrügger Straße, auch als Grünes Tor Reinbeks bekannt, auf etwa zwei Hektar eine „maßvolle Nachverdichtung“ ermöglichen, wobei sowohl der Charakter der Siedlung als auch einige alte Eichen erhalten bleiben sollen. Der neue B-Plan stellt außerdem eine Grünfläche an der Ecke Hamburger Straße/Lohbrügger Straße unter Schutz. Dort gebe es alte Eichenbestände, drei Trauerschnäpper und Sperlinge seien gesichtet worden.

Anwohner Jan Niewrzella kann über den Entwurf nur den Kopf schütteln. „Der Bebauungsplanentwurf ist eine Farce“, sagt der Bauingenieur. „Denn das Ziel der Nachverdichtung ist nur ein Vorwand, um Bebauung auf anderen Grundstücken zu verhindern. Es gibt lediglich zwei kleine neue Baufenster bei Eigentümern, die sowieso nicht auf ihren Grundstücken bauen wollen. Wie konnte so etwas genehmigt werden?“ Der ganze B-Planentwurf sei unnötig, wenn nicht illegal. „Die Kosten für den Steuerzahler sind unverhältnismäßig“, sagt er.

Ist mit dem B-Planentwurf Steuergeld vergeudet worden?

Der 36 Jahre alte Eigentümer wohnt direkt neben der Grünfläche Ecke Lohbrügger Straße/Hamburger Straße und hätte nichts dagegen gehabt, wenn dort gebaut worden wäre. „Meiner Ansicht nach ist dieses private Grundstück überhaupt nicht schützenswert“, sagt der Reinbeker. Die alten Eichen hätte man dennoch schützen können.

Besonders wurmt den 36-Jährigen, dass sein Haus und die seiner Nachbarn jetzt durch die strikten Auflagen des neuen B-Plans an Wert verlieren dürften. „Der B-Plan lässt es beispielsweise nicht zu, einen Carport vor dem Haus zu errichten“, stellt Jan Niewrzella fest. „Und ein Zaun darf nur noch hinter der Hecke aufgestellt werden.“

Ein Nachbar konnte sein Bauprojekt nicht mehr umsetzen

Bis auf seinen Carport hat er sein Haus 2019 gerade noch vor Beginn der Veränderungssperre fertigstellen können. Diese wurde vergangenes Jahr noch einmal bis Ende Mai 2023 verlängert. Dann soll der neue Bebauungsplan aufgestellt sein.

Lohbrügger Straße: Während an der Hamburger Straße nahe der Einmündung Lohbrügger Straße dreistöckige Wohnhäuser mit Staffelgeschoss stehen, dürfen gegenüber (im Bild rechts) nicht einmal mehr Einfamilienhäuser gebaut werden.
Lohbrügger Straße: Während an der Hamburger Straße nahe der Einmündung Lohbrügger Straße dreistöckige Wohnhäuser mit Staffelgeschoss stehen, dürfen gegenüber (im Bild rechts) nicht einmal mehr Einfamilienhäuser gebaut werden. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Einem Nachbarn sei es nicht vergönnt gewesen, sein Bauprojekt noch zu realisieren. Nach Paragraf 34 im Baugesetzbuch, der greift, wenn es keinen Bebauungsplan gibt, hätten sich seine geplanten Gebäude nur in die Umgebung einfügen müssen. Eine Bauvoranfrage für zwei Einfamilienhäuser habe die Verwaltung positiv beurteilt und beschieden. Jetzt hat er das Nachsehen, weil auf seinem Grundstück jetzt nicht mehr gebaut werden darf.

B-Plan-Ziel aus rechtlichen Gründen neu formuliert

Nachdem sich Proteste 2019 gegen das Vorhaben – zwei Einzelhäuser – regten, beantragte die FDP im Herbst für den Norden der Straße eine Veränderungssperre und die Aufstellung eines Bebauungsplans. Im Februar 2020 mussten die Ziele dieses Entwurfs allerdings „wegen rechtlicher Schwierigkeiten“ neu formuliert werden. Die Veränderungssperre wurde vergangenes Jahr noch einmal bis Ende Mai 2023 verlängert. Der neue Entwurf für den B-Plan liegt noch bis 3. März öffentlich aus, verhindert aber das Projekt.

Bauingenieur Jan Niewrzella sagt: „Durch die Auflagen des neuen B-Plans werden wir benachteiligt und sie sind auch nicht durchdacht.“ Mussten sich die Eigentümer vorher beispielsweise nach der Neigung der benachbarten Dächer richten, sei jetzt eine offene Bauweise erlaubt – obwohl der Charakter der Siedlung erhalten bleiben soll.

Ergebnisse eines aufwendigen B-Planverfahrens: zwei Baufenster mehr

Der neue Entwurf bietet nur zwei relativ kleine zusätzliche Baufenster. Ist damit das Ziel der Nachverdichtung nicht verfehlt? „Nein“, sagt Bauamtschef Sven Noetzel. „Mit den zusätzlichen Baufenstern wurde eine geringe Nachverdichtung geplant. Dies entspricht dem Ziel der Politik.“

Sollten Anwohner dagegen klagen wollen, sei dieses erst nach dem Beschluss des neuen Bebauungsplans möglich, erklärt der Bauamtsleiter. Auch der Geltungsbereich für einen relativ kleinen Bereich sei Wunsch der Politik gewesen. Er entspricht der Wohnbaufläche im aktuell gültigen Flächennutzungsplan.

„Auch der Schutz der Grünfläche und ihre Freihaltung von Bebauung ist ein explizites Ziel der Politik gewesen“, sagt der Bauamtsleiter, der sich zu der Frage, ob dort nicht zwischen den alten Eichen auch noch zwei Häuser Platz gefunden hätten, nicht weiter äußern will. Auch während der Bürgerbeteiligung wurde nach der Begründung dafür gefragt. Die recht einsilbige Antwort darauf lautete stets: „Dazu gibt es einen politischen Beschluss.“

Sechs weitere neue Bebauungspläne für Reinbeker Stadtteile

Die Nachbarschaft, die zuerst gegen die beiden geplanten Einzelhäuser protestiert hatte, konnte sich im Herbst 2019 auf der aktuellen Grünfläche noch eine Bebauung mit einem Einzelhaus vorstellen. Künftig soll dort gar keine Bebauung mehr möglich sein. Begründung: Potenziell könnten sich dort auch Fledermäuse wohl fühlen. Wohlbemerkt: In dem Gutachten wird keine einzige gezählte Fledermaus aufgeführt, lediglich drei Sperlinge und drei Trauerschnäpper sind dort gezählt worden.

Die Kosten, die die Arbeit an dem Bebauungsplan bislang verschlungen hat, seien nicht so einfach zu beziffern, sagt Sven Noetzel. Aktuell hat die Stadt Reinbek noch sechs weitere Veränderungssperren verhängt. Denn auch in anderen Stadtteilen werden neue Bebauungspläne aufgestellt.