Reinbek. Yvonne Hillebrand kümmert sich im St.-Adolf-Stift sowohl um Patienten mit Demenz als auch um deren pflegende Angehörige. Ihr Angebot.

Dass das Gedächtnis im Alter nachlässt, findet niemand ungewöhnlich. „Oma wird langsam tüdelig“, heißt es dann oft. Doch die Diagnose Demenz geht weit über die übliche Vergesslichkeit hinaus: Gehirnzellen sterben ab, die Leitungen zwischen den Nervenzellen versagen. Die Ursachen sind vielfältig. Nach wie vor ist die kognitive Erkrankung tabubehaftet. Es dauert, bis die Diagnose von Betroffenen und deren Angehörigen akzeptiert wird. Yvonne Hillebrand, seit 2019 Demenzbeauftragte im Krankenhaus Reinbek St.-Adolf-Stift, kämpft dafür, dass die Betroffenen vor allem wieder als Menschen wahrgenommen werden – eben als Menschen mit Demenz.

St.-Adolf-Stift: Betroffene erfahren anfangs Vorwürfe

Wenn diese ihre Angehörigen oder ihre Umwelt plötzlich nicht mehr wiedererkennen, sie allmählich die zeitliche und räumliche Orientierung verlieren, stoßen dementiell Erkrankte zuerst vor allem auf Unverständnis: „Das hast du doch gerade schon einmal erzählt!“ oder „Wieso fährst du denn nach links, wenn ich rechts sage?“ sind typische Vorwürfe und oft wütende Reaktionen, wie sie die Betroffenen erfahren – und sie meist ratlos und schockiert zurücklassen.

Denn ihre Erfahrungen stimmen nicht mehr mit denen anderer überein, wenn das Gedächtnis zu streiken beginnt. Schließlich fühlen sie sich überall fremd, hilf- und orientierungslos – oft auch in ihrem eigenen Zuhause, schließlich in der eigenen Haut.

Recht auf soziale Teilhabe

Bundesweit hatten 2021 etwa 1,6 Millionen die Diagnose Demenz. In Schleswig-Holstein sind 66.000 dementiell erkrankt, im Kreis Stormarn sind 6000 Menschen von der kognitiven Störung betroffen. „Meist schreitet die Erkrankung schleichend voran“, erläutert die 49-Jährige. „Sie sollten aber nicht abgeschoben werden, vielmehr haben sie weiter ein Recht auf soziale Teilhabe.“

Das erfordere zwar oftmals Geduld und Nachsicht, doch die dementiell erkrankten hätten keinen Einfluss auf ihr Verhalten. „Leider ist Demenz nicht heilbar“, sagt Yvonne Hillebrand. Hilfe gibt es dennoch. Die Demenzbeauftragte unterstützt und sensibilisiert einerseits ihre Kolleginnen und Kollegen für an Demenz erkrankte Patientinnen und Patienten. Andererseits betreut sie die Betroffenen und berät auch deren Angehörige.

Netzwerk für pflegende Angehörige

„Wichtig ist es für pflegende Angehörige, sich ein möglichst großes Netzwerk aufzubauen“, betont Hillebrand. „Wer sich so viel Hilfe wie möglich holt, kann auch in der Pflege entspannter bleiben, und davon profitieren auch die Betroffenen.“ Sie erzählt von einem Mann, der partout nicht ins Badezimmer wollte, um sich waschen zu lassen.

Denn er war überzeugt, dass er sich bereits gewaschen habe. Die pflegende Partnerin wusste sich keinen Rat mehr und engagierte einen Pflegedienst. Mit dem war die Körperpflege kein Problem mehr. Und die pflegende Partnerin sagte sich: Hätte ich das doch bloß früher gemacht, das hätte uns viel Stress erspart.

Jeden vierten Mittwoch im Monat ein Angehörigen-Café

So gebe es viele Möglichkeiten: einen Pflegegrad beantragen, um etwas Entlastungsgeld zu erhalten, eine Haushaltshilfe, Ergotherapie oder Logopädie. Zudem bietet sie jeden vierten Mittwoch im Monat das Angehörigen-Café an, eine feste Gruppe zum Austausch pflegender Angehöriger von Menschen mit Demenz (Anmeldung siehe unten).

Auch die Kommunikation spiele eine große Rolle: Eine klare, zugewandte Ansprache auf Augenhöhe helfe allen Beteiligten. „Ich unterstreiche das, was ich sage, beispielsweise auch immer mit vielen Gesten“, erklärt sie. „Denn da unter den Betroffenen auch viele Ältere sind, spielt oft auch das Gehör nicht mehr mit.“ Eine ihrer Aufgaben besteht darin, Kolleginnen und Kollegen in der Kommunikation mit Menschen mit Demenz zu schulen.

Faktor Zeit spielt eine große Rolle

„Wenn wir vorab davon erfahren oder bei der Aufnahme merken, es könnte eine Demenz vorliegen, komme ich ins Spiel“, erzählt Yvonne Hillebrand. „Ich begleite die Betroffenen in unserem Haus, sorge dafür, dass sie nahe dem Stationszimmer untergebracht werden, mache die Kolleginnen aufmerksam, helfe auch schon einmal bei der Pflege.“ Der Faktor Zeit spiele im Umgang mit den Betroffenen eine große Rolle. „Und Zeit fehlt leider oft im Krankenhausalltag“, bedauert die 49-Jährige.

Nervösen, unruhigen Patienten schenkt sie eine „Lisbeth“, eine der von Ehrenamtlichen gehäkelten Schnecken, die nestelnden Händen Beschäftigung und Halt geben – in einer für sie oft haltlosen Welt.


Anlaufstellen

Pflegestützpunkt im Kreis Stormarn, Beratung, Tel. 04531/ 160 17 76, E-Mail: pflege
stuetzpunkt@kreis-stormarn.de;

Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein, Telefon: 040/238 30 44 22, E-Mail: info-stormarn@alzheimer-sh.de;

www.demenznetz-stormarn.de;

Yvonne Hillebrand, Demenzbeauftragte in der Pflege des Krankenhauses Reinbek, St. Adolf-Stift, Moderatorin des Angehörigen-Cafés, Telefon: 040/ 72 80 54 02, E-Mail: yvonne.hillebrand@krankenhaus-reinbek.de;

Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS), Beratung, Gruppe für pflegende Angehörige sowie Tagespflege für dementiell Erkrankte, Telefon: 040/72 73 54 50, E-Mail: c.wenzel@svs-stormarn.de.