Reinbek. Vor dem Hamburger Rathaus und der Münchener Frauenkirche steht bereits ein Tastmodell. Die sind nicht nur zum Anschauen da.

Sektlaune auf dem Reinbeker Friedhof, das kommt nicht oft vor. Am Donnerstag, 30. Juni, aber haben die 14 Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung mit alkoholfreiem Sekt auf das neue Bronzemodell angestoßen. Das wurde im Eingangsbereich direkt gegenüber der Verwaltung aufgebaut und zeigt das Friedhofsgelände samt Kapellen, diversen Grabstättenarten und Baumalleen im Maßstab von 1:300. „Da haben wir lange drauf gewartet“, sagt Friedhofsleiterin Annegret Habel glücklich. Die Idee dazu hatte sie bereits vor zehn Jahren, nur fehlte bislang das Geld, sie zu realisieren.

8800 Euro vom Land für das Tastmodell in Reinbek

Möglich machte das jetzt ein Fördertopf für Barrierefreiheit des Landes Schleswig-Holstein, aus dem 8800 Euro in das 13.000 Euro teure Projekt geflossen sind. Dass sich die Investition gelohnt hat, da ist sich Habel sicher.

Von ihrer vorherigen Arbeitsstätte, dem St. Matthias-Friedhof in Berlin, weiß sie, dass solche sogenannten Tastmodelle beliebt sind – nicht nur bei sehbehinderten Besuchern, denen sie die Orientierung auf dem Gelände erleichtern sollen. Alle Standorte sind in lateinischer und Brailleschrift bezeichnet.

34 Jahre alter Künstler hat ein Jahr an dem Bronzemodell gearbeitet

Angefertigt hat es der Künstler und Bildhauer Felix Brörken. Der 34-Jährige hat es sich nicht nehmen lassen, bei der Aufstellung der 80 Kilogramm schweren, dreidimensionalen Friedhofsansicht dabei zu sein. Metalldiebe haben keine Chance. Es ist fest verankert. „Immer wieder ein schöner Moment nach einer langen Arbeitsphase“, sagt der Soestener aus Nordrhein-Westfalen zur kleinen Einweihungsfeier.

Ein Jahr lang hat Brörken daran intensiv gearbeitet, hat mehrfach den Friedhof besucht, alles genau dokumentiert, ein erstes Modell in Styrodor – einem gut formbaren Dämmstoff – entworfen und Veränderungen eingearbeitet. Im Vergleich zum Anfangsmodell fehlen auf dem fertigen acht große Bäume. „Die sind leider den Frühjahrsstürmen zum Opfer gefallen“, sagt Habel. Da werden wieder neue hinzukommen, das Modell sei eben nur eine Momentaufnahme.

Vater Egbert Brörken hat die Tastmodelle erfunden

Für Felix Brörken war es zwar das erste selbst gefertigte Friedhofsmodell in seiner Karriere, Stadtansichten hat er aber schon viele entworfen. „Seit ich zehn Jahre alt bin, helfe ich im Atelier meines Vaters aus“, erzählt der studierte Archäologe und Geschichtswissenschaftler.

Sein Vater ist der Bildhauer Egbert Brörken, der die Stadtmodelle für Sehbehinderte quasi erfunden hat. „Ausschlag gab eine Stadtführung für Blinde, bei der es erstaunlich ­wenig zum Anfassen gab“, erzählt sein Sohn, der nach und nach das Atelier übernommen hat.

„3-D-Drucker sind keine Konkurrenz“

Die Nachfrage im In- und Ausland ist ungebrochen groß. Sorgen, dass ihm 3-D-Drucker Konkurrenz machen könnten, macht er sich nicht. „Die können qualitativ nicht mithalten.“

Rund 80 Tastmodelle hat das Vater-Sohn-Gespann schon gefertigt. Sie stehen unter anderem vor dem Hamburger Rathaus, der Münchener Frauenkirche und jetzt in Reinbek. „Das wohl am meisten berührte ist das vor der Frauenkirche, deren Turmspitzen golden leuchten“, sagt er. „Wir sind gespannt, ob das bei unserem auch der Fall sein wird“, sagt Annegret Habel.