Reinbek. Im Jahr der Fertigstellung kam es zum Eklat. Reinbek lehnte eine Abnahme der mangelhaften Brücke ab. Nun gibt es Schadenersatz.

Für die Fußgänger, die auf dem Bauwerk die Hamburger Straße in Reinbek überqueren, ist es nicht zu erkennen: Aber die 98 Meter lange und dreieinhalb Meter breite Holländerbrücke über die Hamburger Straße (L 223) hatte bereits Mängel, als sie 2010 endlich stand. Dabei war schon die Frage, ob sie überhaupt nötig sei, ein Politikum. Bereits im Jahr der Fertigstellung kam es zum Eklat: Reinbek verweigerte die Abnahme der Brücke. Unter anderem reklamierte die Stadt fehlerhafte Schweißnähte, Dellen im Verlauf und ein nicht passendes Widerlager.

In Reinbeks Bauamt war man sicher: Das beauftragte Büro habe den Inhaberwechsel der ausführenden Firma nicht berücksichtigt. Diese sei technisch überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, die Pläne umzusetzen. Das zu überprüfen, habe das Büro versäumt. Daraufhin habe die ausführende Firma die Arbeiten nicht fachgerecht erledigt. Reinbek reichte schließlich 2015 Klage auf Schadenersatz gegen das Planungsbüro und den ausführenden Betrieb beim Landgericht Lübeck ein.

Die Forderung nach Schadenersatz lehnte das Landgericht Lübeck ab

Mehr als zehn Jahre dauerte dieser Rechtsstreit um das Bauwerk aus Kunststoff, Stahl und Beton, das die Straßen Am Holländerberg und Am Ladenzentrum über die Hamburger Straße hinweg verbindet. Nachdem die Politik einstimmig für einen Vergleich votiert hat, kann er jetzt beigelegt werden. „Endlich können wir einen grünen Haken unter diese Geschichte setzen“, sagt Bürgermeister Björn Warmer erleichtert. Er hatte den Rechtsstreit von seinem Vorgänger Axel Bärendorf „geerbt“.

In einem Punkt hatte die Stadt bereits 2019 Recht bekommen, in einem anderen das Landgericht Lübeck die Klage abgewiesen: So durfte Reinbek wegen eines nicht passenden Widerlagers die Zahlung von 121.400 Euro zurückhalten. Die Forderung nach Schadenersatz lehnte das Gericht jedoch ab. Sowohl die Stadt Reinbek als auch das Planungsbüro gingen daraufhin in Berufung. Im Dezember 2020 folgte die mündliche Verhandlung vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht. Anders als das Landesgericht schlug der Senat einen Vergleich vor, der unter anderem vorsieht, dass Reinbek auch Schadenersatz für die Mängelbeseitigung zu zahlen ist.

Baufirma steckt in einem Insolvenzverfahren

Da die Baufirma in einem Insolvenzverfahren steckt, wurde der Stadt geraten, einem Vergleich zuzustimmen. Ansonsten hätte das Risiko eines möglicherweise jahrelangen Folgeprozesses bestanden. Reinbek hätte erst nach der Mängelbeseitigung einen sogenannten „Abrechnungsprozess“ mit ungewissem Ausgang führen müssen. Mit Annahme des Vergleiches wäre der Streit dagegen beendet.

Das Oberlandesgericht schlug zunächst vor, dass vom Planungsbüro an die Stadt Reinbek 340.000 Euro zu zahlen sind. „Ich habe in dieser Zeit ständig mit dem Richter telefoniert“, berichtet Verwaltungschef Björn Warmer. „Über solche Summen kann ich selbstverständlich nicht allein entscheiden. Aber ich war mir fast sicher, dass die Politik damit nicht einverstanden gewesen wäre.“

Ausschreibung ergibt Sanierungskosten von 989.000 Euro

Noch im vergangenen Jahr wollte die Stadt mit 360.000 Euro in Vorleistung gehen, um die Mängel an der Fußgängerbrücke zu beseitigen. Denn die Schäden wurden über den seit 2010 schwelenden Rechtsstreit schlimmer, das Urteil der nächsten gerichtlichen Instanz hätte schließlich noch dauern können. Daher wurde die veranschlagte Summe für die Mängelbeseitigung in den Haushalt eingestellt.

Eine Ausschreibung 2020 ergab jedoch, dass eine vollständige Sanierung der Brücke mit rund 989.000 Euro zu Buche schlagen würde. So stellte sich heraus, dass die Reparatur des Geländers und die Erneuerung des Gehbahnbelags, mit einem hochwertigen und wie in der Ursprungsplanung vorgesehenen Polymerbeton, sehr teuer würde. Dafür stand nicht genug Geld im Haushalt, und die Ausschreibung wurde wieder aufgehoben. Daher plante man Alternativen, um die Brücke ohne größere Nachteile in einer abgespeckten Version zu sanieren. Bei dieser abgespeckten Sanierung könnten die vom Oberlandesgericht der Stadt Reinbek zugedachten und die noch bereitstehenden Mittel ausreichen.

Abgespeckte Brückensanierung senkt die Kosten

Im Januar legte Reinbek dem Senat beim Oberlandesgericht eine Kostenschätzung auf Basis des Ausschreibungsergebnisses vor. Demnach würde das Geländer der Brücke „nur“ repariert statt vollständig erneuert. Außerdem würde der Brückenbelag vollständig in seiner jetzigen Form als RHD-Belag (ein spezieller harzgebundener, dünner Belag) wieder aufgebracht werden. Laut Schätzungen würde diese „Brückensanierung light“ samt Planung und Bauüberwachung voraussichtlich 843.300 Euro kosten.

Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der gestiegenen Baukosten hat das Oberlandesgericht seinen Vergleichsvorschlag nochmals angepasst. Demnach soll die Stadt Reinbek jetzt in einem Vergleich einen Schadenersatz in Höhe von 498.000 Euro erhalten. Das Planungsbüro hat bereits mitgeteilt, dem Vergleichsvorschlag zuzustimmen. Und auch Reinbeks Stadtverordnete waren mit dieser Summe einverstanden. „Damit sind die Interessen Reinbeks hinreichend gewahrt“, stellt Björn Warmer fest. „Damit können wir zufrieden sein.“

Ist die Brücke endlich fertig, wird sie noch gefördert

Aktuell wird das Ergebnis des Vergleichs schriftlich fixiert, um die neue Ausschreibung vorzubereiten. Weil wegen der Mängel für die letzten Rechnungen im Jahr 2010 noch Mittel zurückgehalten wurden, gibt es noch eine Summe in Höhe von 193.900 Euro in der Stadtkasse. Wird die Brücke schließlich endlich fertiggestellt, erhält die Stadt Reinbek außerdem noch ausstehende Fördermittel in Höhe von 37.900 Euro. Je nach Ergebnis der Ausschreibung könnte es dann doch noch Hoffnung geben für Reinbeks heiß umstrittene Brücke.