Wentorf. Für Hunde ist das Training eine mentale Aufgabe und ein Ausgleich, für die Besitzer ein Spaß. Wir waren beim Unterricht mit dabei.
Carlotta kann es kaum erwarten. Sie trägt ihr Brustgeschirr, das signalisiert ihr bereits: Sie und vor allem ihre Spürnase sind gefragt. Die Dalmatiner-Hündin möchte ihrem Frauchen Michaela Ollick beim Mantrailing zeigen, was in ihr steckt. Mantrailer sind Personenspürhunde, die den Geruch einer bestimmten Person aufnehmen und dann gezielt nach ihr suchen.
„Für die Hunde ist es eine mentale Aufgabe“, sagt Tierpsychologin Britta Bernard, die der Hündin jetzt ein Glas mit einem Taschentuch von Saskia Brettner unter die Nase hält. Daran haften ihre individuellen Duftmoleküle, die Hündin Carlotta nach dem Beschnüffeln abspeichert und sich sofort auf der Suche nach ihnen in Bewegung setzt. Die Dassendorferin Ollick und Trainerin Britta Bernard laufen hinter der langen orangefarbenen Schleppleine hinterher.
Dackel hat 125 Millionen Riechzellen, Schäferhund 220 Millionen
Der Dalmatiner verfolgt die Duftspur in Windeseile. Hunde haben nicht nur eine ausgesprochen große, lange und feuchte Nase. Sie ist auch das Sinnesorgan, das am besten ausgebildet ist. „Der Hund sieht quasi mit der Nase“, sagt Britta Bernard. Sie sei das wichtigste Sinnesorgan des Hundes. Damit kann er Spuren von Wild kilometerweit verfolgen. Dieses besonders feine Gespür macht den Hund zum Makrosmatiker, zum Nasentier. Hält ein Hund seine Nase in den Wind, kann er damit viel mehr Eindrücke wahrnehmen, als ein Mensch sich das überhaupt vorstellen kann. „Es ist faszinierend“, stellt die Hundetrainerin und -psychologin Britta Bernard fest. „Hunde können Gerüche unterscheiden, bewusst erinnern und zuordnen. Ganz anders als wir Menschen, wo Gerüche eher Erinnerungen aus dem Unterbewusstsein aufsteigen lassen.“
Die Vierbeiner nehmen mit ihrem feinen Geruchssinn auch Stimmungen und Krankheiten wahr. Das Riechvermögen eines Lebewesens ist direkt an die Menge der Riechzellen gekoppelt. Die primären Sinneszellen sind in einem spezialisierten Bereich der Nasenschleimhaut angesiedelt.
Einsetzender Regen kann die Entscheidung der Hunde erschweren
Die Menge der Riechzellen variiert sehr stark, sogar von Hund zu Hund. Während ein Dackel etwa 125 Millionen Riechzellen hat, sind es beim Schäferhund mehr als 220 Millionen. Menschen haben nur etwa fünf Millionen dieser Zellen. Grundsätzlich sei aber jeder Hund für das Mantrailing-Training geeignet, erzählt Britta Bernard. „Nur für kurznasige Hunde wie Mops oder Französische Bulldogge ist es nicht immer so einfach.“
Für Carlotta schon. An jeder Wegeskreuzung, an denen die Trainerin die möglichen Richtungen ansagt, schnuppert sie und entscheidet blitzschnell, wohin die Duftspur sie führt. Manchmal erschwert der einsetzende Regen ihre Entscheidung. Dann läuft sie noch einmal zurück, um sich zu vergewissern. Doch weder der Fliederduft noch die anderen Menschen, die vielen Hauseingänge und Zugänge zu den Parkplätzen bringen sie vom Weg ab: Nach etwa einer Viertelstunde hat sie Saskia Brettner, die sich vorher versteckt hatte, gefunden. Als Belohnung und Motivation gibt es ein Leckerli.
Mischlingshündin Malu soll einmal Rettungshund werden
Saskia Brettner aus Neuschönningstedt ist die Besitzerin der Mischlingshündin Malu. Die anderthalb Jahre alte Vierbeinerin soll einmal ein Rettungshund werden. Deshalb trainiert sie nicht nur bei Britta Bernard, sondern auch bei den Johnannitern. „Während des Lockdowns war das leider nicht möglich, und ich dachte mir, ich probiere erst einmal aus, ob sie geeignet ist“, sagt Saskia Brettner. „Aber Britta macht es eigentlich genauso wie die Trainer der Johanniter.“ Weil Malu noch nicht so ein alter Hase wie Carlotta ist, ist ihre Duftfährte nur halb so lang. Dafür versteckt Michaela Ollick sich gleich zweimal für sie.
„Bei den jungen und neuen Hunden halte ich die Strecke kürzer, um sie nicht zu überfordern und sie durch mehrere Erfolgserlebnisse zu motivieren“, sagt Britta Bernard. „Sie müssen das Mantrailing erst lernen.“ Damit es weder für die Hunde noch für die Besitzer langweilig wird, stellt sie immer neue Teams zusammen und trifft sich mit ihnen an immer anderen Orten. Nach der gemeisterten Herausforderung sind Carlotta und Malu nicht nur stolz, sondern trollen sich auch erschöpft ins Körbchen.
Das Mantrailing kostet in der Einzelstunde 15 Euro, mit Zehnerkarte 13 Euro. Mehr online unter www.tierpsychologie-bernard.de.